Phasan, Schaalthieren, Jnsecten, bis zu den gemein- sten Blumen) die, indem sie blos die Oberfläche und auch an dieser nicht einmal die Figur der Geschöpfe, welche doch noch zu den innern Zwecken derselben erfor- derlich seyn könnte, betreffen, gänzlich auf äußere Be- schauung abgezweckt zu seyn scheinen, geben der Erklä- rungsart durch Annehmung wirklicher Zwecke der Na- tur für unsere ästhetische Urtheilskraft ein großes Gewicht.
Dagegen widersetzt sich dieser Annahme nicht allein die Vernunft durch ihre Maximen, allerwärts die un- nöthige Vervielfältigung der Principien nach aller Mög- lichkeit zu verhüten, sondern die Natur zeigt in ihren freyen Bildungen überall so viel mechanischen Hang zu Erzeugung von Formen, die für den ästhetischen Ge- brauch unserer Urtheilskraft gleichsam gemacht zu seyn scheinen, ohne den geringsten Grund zur Vermuthung an die Hand zu geben, daß es dazu noch etwas mehr, als ihres Mechanisms, blos als Natur, bedürfe, wor- nach sie, auch ohne alle ihr zum Grunde liegende Jdee, für unsere Beurtheilung zweckmäßig seyn können. Jch verstehe aber unter einer freyen Bildung der Natur diejenige, wodurch aus einem flüßigen in Ruhe, durch Verflüchtigung oder Absonderung eines Theils desselben (bisweilen blos der Wärmmaterie) das Uebrige im festwerden eine bestimmte Gestalt, oder Gewebe, (Figur oder Textur) annimmt, die, nach der specifischen Verschiedenheit der Materien, verschieden, in eben der-
Q 3
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Phaſan, Schaalthieren, Jnſecten, bis zu den gemein- ſten Blumen) die, indem ſie blos die Oberflaͤche und auch an dieſer nicht einmal die Figur der Geſchoͤpfe, welche doch noch zu den innern Zwecken derſelben erfor- derlich ſeyn koͤnnte, betreffen, gaͤnzlich auf aͤußere Be- ſchauung abgezweckt zu ſeyn ſcheinen, geben der Erklaͤ- rungsart durch Annehmung wirklicher Zwecke der Na- tur fuͤr unſere aͤſthetiſche Urtheilskraft ein großes Gewicht.
Dagegen widerſetzt ſich dieſer Annahme nicht allein die Vernunft durch ihre Maximen, allerwaͤrts die un- noͤthige Vervielfaͤltigung der Principien nach aller Moͤg- lichkeit zu verhuͤten, ſondern die Natur zeigt in ihren freyen Bildungen uͤberall ſo viel mechaniſchen Hang zu Erzeugung von Formen, die fuͤr den aͤſthetiſchen Ge- brauch unſerer Urtheilskraft gleichſam gemacht zu ſeyn ſcheinen, ohne den geringſten Grund zur Vermuthung an die Hand zu geben, daß es dazu noch etwas mehr, als ihres Mechanisms, blos als Natur, beduͤrfe, wor- nach ſie, auch ohne alle ihr zum Grunde liegende Jdee, fuͤr unſere Beurtheilung zweckmaͤßig ſeyn koͤnnen. Jch verſtehe aber unter einer freyen Bildung der Natur diejenige, wodurch aus einem fluͤßigen in Ruhe, durch Verfluͤchtigung oder Abſonderung eines Theils deſſelben (bisweilen blos der Waͤrmmaterie) das Uebrige im feſtwerden eine beſtimmte Geſtalt, oder Gewebe, (Figur oder Textur) annimmt, die, nach der ſpecifiſchen Verſchiedenheit der Materien, verſchieden, in eben der-
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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Phaſan, Schaalthieren, Jnſecten, bis zu den gemein-
ſten Blumen) die, indem ſie blos die Oberflaͤche und
auch an dieſer nicht einmal die Figur der Geſchoͤpfe,
welche doch noch zu den innern Zwecken derſelben erfor-
derlich ſeyn koͤnnte, betreffen, gaͤnzlich auf aͤußere Be-
ſchauung abgezweckt zu ſeyn ſcheinen, geben der Erklaͤ-
rungsart durch Annehmung wirklicher Zwecke der Na-
tur fuͤr unſere aͤſthetiſche Urtheilskraft ein großes Gewicht.
Dagegen widerſetzt ſich dieſer Annahme nicht allein
die Vernunft durch ihre Maximen, allerwaͤrts die un-
noͤthige Vervielfaͤltigung der Principien nach aller Moͤg-
lichkeit zu verhuͤten, ſondern die Natur zeigt in ihren
freyen Bildungen uͤberall ſo viel mechaniſchen Hang zu
Erzeugung von Formen, die fuͤr den aͤſthetiſchen Ge-
brauch unſerer Urtheilskraft gleichſam gemacht zu ſeyn
ſcheinen, ohne den geringſten Grund zur Vermuthung
an die Hand zu geben, daß es dazu noch etwas mehr,
als ihres Mechanisms, blos als Natur, beduͤrfe, wor-
nach ſie, auch ohne alle ihr zum Grunde liegende Jdee,
fuͤr unſere Beurtheilung zweckmaͤßig ſeyn koͤnnen. Jch
verſtehe aber unter einer freyen Bildung der Natur
diejenige, wodurch aus einem fluͤßigen in Ruhe,
durch Verfluͤchtigung oder Abſonderung eines Theils
deſſelben (bisweilen blos der Waͤrmmaterie) das Uebrige
im feſtwerden eine beſtimmte Geſtalt, oder Gewebe,
(Figur oder Textur) annimmt, die, nach der ſpecifiſchen
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/309>, abgerufen am 26.11.2024.
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