ästhetisch, auf die Uebereinstimmung seiner Vorstel- lung in der Einbildungskraft mit den wesentlichen Prin- cipien der Urtheilskraft überhaupt, im Subjecte gehe. Folglich kann, selbst nach dem Princip des Rationa- lisms, das Geschmacksurtheil und der Unterschied des Realisms und Jdealisms desselben nur darin gesetzt werden, daß entweder jene subjective Zweckmäßigkeit im erstern Falle als wirklicher (absichtlicher) Zweck der Natur (oder der Kunst), mit unserer Urtheilskraft über- einzustimmen, oder nur als eine, ohne Zweck, von selbst und zufälliger Weise sich hervorthuende zweckmä- ßige Uebereinstimmung zu dem Bedürfnis der Urtheils- kraft, in Ansehung der Natur und ihrer nach besondern Gesetzen erzeugten Formen, angenommen werde.
Dem Realism der ästhetischen Zweckmäßigkeit der Natur, da man nämlich annehmen möchte: daß der Hervorbringung des Schönen eine Jdee desselben in der hervorbringenden Ursache, nämlich ein Zweck zu Gun- sten unserer Einbildungskraft, zum Grunde gelegen habe, reden die schöne Bildungen im Reiche der organi- sirten Natur gar sehr das Wort. Die Blumen, Blü- then ja die Gestalten ganzer Gewächse, die für ihren eige- nen Gebrauch unnöthige, aber für unsern Geschmack gleichsam ausgewählte Zierlichkeit der thierischen Bil- dungen von allerley Gattungen, vornämlich die unsern Augen so wohlgefällige und reitzende Mannigfaltigkeit und harmonische Zusammensetzung von Farben (am
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
aͤſthetiſch, auf die Uebereinſtimmung ſeiner Vorſtel- lung in der Einbildungskraft mit den weſentlichen Prin- cipien der Urtheilskraft uͤberhaupt, im Subjecte gehe. Folglich kann, ſelbſt nach dem Princip des Rationa- lisms, das Geſchmacksurtheil und der Unterſchied des Realisms und Jdealisms deſſelben nur darin geſetzt werden, daß entweder jene ſubjective Zweckmaͤßigkeit im erſtern Falle als wirklicher (abſichtlicher) Zweck der Natur (oder der Kunſt), mit unſerer Urtheilskraft uͤber- einzuſtimmen, oder nur als eine, ohne Zweck, von ſelbſt und zufaͤlliger Weiſe ſich hervorthuende zweckmaͤ- ßige Uebereinſtimmung zu dem Beduͤrfnis der Urtheils- kraft, in Anſehung der Natur und ihrer nach beſondern Geſetzen erzeugten Formen, angenommen werde.
Dem Realism der aͤſthetiſchen Zweckmaͤßigkeit der Natur, da man naͤmlich annehmen moͤchte: daß der Hervorbringung des Schoͤnen eine Jdee deſſelben in der hervorbringenden Urſache, naͤmlich ein Zweck zu Gun- ſten unſerer Einbildungskraft, zum Grunde gelegen habe, reden die ſchoͤne Bildungen im Reiche der organi- ſirten Natur gar ſehr das Wort. Die Blumen, Bluͤ- then ja die Geſtalten ganzer Gewaͤchſe, die fuͤr ihren eige- nen Gebrauch unnoͤthige, aber fuͤr unſern Geſchmack gleichſam ausgewaͤhlte Zierlichkeit der thieriſchen Bil- dungen von allerley Gattungen, vornaͤmlich die unſern Augen ſo wohlgefaͤllige und reitzende Mannigfaltigkeit und harmoniſche Zuſammenſetzung von Farben (am
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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
aͤſthetiſch, auf die Uebereinſtimmung ſeiner Vorſtel-
lung in der Einbildungskraft mit den weſentlichen Prin-
cipien der Urtheilskraft uͤberhaupt, im Subjecte gehe.
Folglich kann, ſelbſt nach dem Princip des Rationa-
lisms, das Geſchmacksurtheil und der Unterſchied des
Realisms und Jdealisms deſſelben nur darin geſetzt
werden, daß entweder jene ſubjective Zweckmaͤßigkeit im
erſtern Falle als wirklicher (abſichtlicher) Zweck der
Natur (oder der Kunſt), mit unſerer Urtheilskraft uͤber-
einzuſtimmen, oder nur als eine, ohne Zweck, von
ſelbſt und zufaͤlliger Weiſe ſich hervorthuende zweckmaͤ-
ßige Uebereinſtimmung zu dem Beduͤrfnis der Urtheils-
kraft, in Anſehung der Natur und ihrer nach beſondern
Geſetzen erzeugten Formen, angenommen werde.
Dem Realism der aͤſthetiſchen Zweckmaͤßigkeit
der Natur, da man naͤmlich annehmen moͤchte: daß der
Hervorbringung des Schoͤnen eine Jdee deſſelben in der
hervorbringenden Urſache, naͤmlich ein Zweck zu Gun-
ſten unſerer Einbildungskraft, zum Grunde gelegen
habe, reden die ſchoͤne Bildungen im Reiche der organi-
ſirten Natur gar ſehr das Wort. Die Blumen, Bluͤ-
then ja die Geſtalten ganzer Gewaͤchſe, die fuͤr ihren eige-
nen Gebrauch unnoͤthige, aber fuͤr unſern Geſchmack
gleichſam ausgewaͤhlte Zierlichkeit der thieriſchen Bil-
dungen von allerley Gattungen, vornaͤmlich die unſern
Augen ſo wohlgefaͤllige und reitzende Mannigfaltigkeit
und harmoniſche Zuſammenſetzung von Farben (am
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/308>, abgerufen am 16.07.2024.
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