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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

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Einleitung.
da mit dem Begehrungsvermögen nothwendig Lust oder
Unlust verbunden ist (es sey daß sie wie beym unteren,
vor dem Princip desselben vorhergehe oder wie beym obe-
ren, nur aus der Bestimmung desselben durchs morali-
sche Gesetz folge), eben so wohl einen Uebergang von
reinen Erkenntnisvermögen, d. i. vom Gebiete der Na-
turbegriffe zum Gebiete des Freyheitsbegrifs bewirken
werde, als sie im logischen Gebrauche den Uebergang
vom Verstande zur Vernunft möglich macht.

Wenn also gleich die Philosophie nur in zwey Haupt-
theile, die theoretische und practische eingetheilt werden
kann, wenn gleich alles, was wir von den eignen Prin-
cipien der Urtheilskraft zu sagen haben möchten, in ihr
zum theoretischen Theile, d. i. dem Vernunfterkenntnis
nach Naturbegriffen, gezählt werden müßte: so besteht
doch die Critik der reinen Vernunft, die alles dieses vor
der Unternehmung jenes Systems, zum Behuf der Mög-
lichkeit desselben, ausmachen muß, aus drey Theilen: der
Critik des reinen Verstandes, der reinen Urtheilskraft
und der reinen Vernunft, welche Vermögen darum rein
genannt werden, weil sie a priori gesetzgebend sind.

IV.
Von der Urtheilskraft, als einem a priori
gesetzgebenden Vermögen.

Urtheilskraft überhaupt ist das Vermögen das Be-
sondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken.

b 4

Einleitung.
da mit dem Begehrungsvermoͤgen nothwendig Luſt oder
Unluſt verbunden iſt (es ſey daß ſie wie beym unteren,
vor dem Princip deſſelben vorhergehe oder wie beym obe-
ren, nur aus der Beſtimmung deſſelben durchs morali-
ſche Geſetz folge), eben ſo wohl einen Uebergang von
reinen Erkenntnisvermoͤgen, d. i. vom Gebiete der Na-
turbegriffe zum Gebiete des Freyheitsbegrifs bewirken
werde, als ſie im logiſchen Gebrauche den Uebergang
vom Verſtande zur Vernunft moͤglich macht.

Wenn alſo gleich die Philoſophie nur in zwey Haupt-
theile, die theoretiſche und practiſche eingetheilt werden
kann, wenn gleich alles, was wir von den eignen Prin-
cipien der Urtheilskraft zu ſagen haben moͤchten, in ihr
zum theoretiſchen Theile, d. i. dem Vernunfterkenntnis
nach Naturbegriffen, gezaͤhlt werden muͤßte: ſo beſteht
doch die Critik der reinen Vernunft, die alles dieſes vor
der Unternehmung jenes Syſtems, zum Behuf der Moͤg-
lichkeit deſſelben, ausmachen muß, aus drey Theilen: der
Critik des reinen Verſtandes, der reinen Urtheilskraft
und der reinen Vernunft, welche Vermoͤgen darum rein
genannt werden, weil ſie a priori geſetzgebend ſind.

IV.
Von der Urtheilskraft, als einem a priori
geſetzgebenden Vermoͤgen.

Urtheilskraft uͤberhaupt iſt das Vermoͤgen das Be-
ſondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken.

b 4
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[XXIII/0029] Einleitung. da mit dem Begehrungsvermoͤgen nothwendig Luſt oder Unluſt verbunden iſt (es ſey daß ſie wie beym unteren, vor dem Princip deſſelben vorhergehe oder wie beym obe- ren, nur aus der Beſtimmung deſſelben durchs morali- ſche Geſetz folge), eben ſo wohl einen Uebergang von reinen Erkenntnisvermoͤgen, d. i. vom Gebiete der Na- turbegriffe zum Gebiete des Freyheitsbegrifs bewirken werde, als ſie im logiſchen Gebrauche den Uebergang vom Verſtande zur Vernunft moͤglich macht. Wenn alſo gleich die Philoſophie nur in zwey Haupt- theile, die theoretiſche und practiſche eingetheilt werden kann, wenn gleich alles, was wir von den eignen Prin- cipien der Urtheilskraft zu ſagen haben moͤchten, in ihr zum theoretiſchen Theile, d. i. dem Vernunfterkenntnis nach Naturbegriffen, gezaͤhlt werden muͤßte: ſo beſteht doch die Critik der reinen Vernunft, die alles dieſes vor der Unternehmung jenes Syſtems, zum Behuf der Moͤg- lichkeit deſſelben, ausmachen muß, aus drey Theilen: der Critik des reinen Verſtandes, der reinen Urtheilskraft und der reinen Vernunft, welche Vermoͤgen darum rein genannt werden, weil ſie a priori geſetzgebend ſind. IV. Von der Urtheilskraft, als einem a priori geſetzgebenden Vermoͤgen. Urtheilskraft uͤberhaupt iſt das Vermoͤgen das Be- ſondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken. b 4

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. XXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/29>, abgerufen am 20.11.2024.