ke, der irgend ein Jnteresse bey sich führete, erzeugt, das Gemüth aber doch belebt wird.
Wie vergnügend die Spiele seyn müssen, ohne daß man nöthig hätte interessirte Absicht dabey zum Grunde zu legen, zeigen alle unsere Abendgesellschaften; denn ohne Spiel kann sich beynahe keine unterhalten. Aber die Affecten der Hof- nung, der Furcht, der Freude, des Zorns, des Hohns spielen dabey, indem sie jeden Augenblick wechseln, sind so lebhaft, daß dadurch, als eine innere Motion, das ganze Lebensgeschäfte im Körper befördert zu seyn scheint, wie eine dadurch er- zeugte Munterkeit des Gemüths es beweist, obgleich weder etwas gewonnen noch gelernt worden. Aber da das Glücks- spiel kein schönes Spiel ist, so wollen wir es hier bey Seite setzen. Aber Musik und Stof zum lachen sind zweyerley Arten des Spiels mit ästhetischen Jdeen, oder auch Verstan- desvorstellungen, wodurch am Ende nichts gedacht wird und die blos durch ihren Wechsel lebhaft vergnügen können, wo- durch sie ziemlich klar zu erkennen geben, daß die Belebung in beyden blos körperlich sey, ob sie gleich von Jdeen des Gemüths erregt wird und daß das Gefühl der Gesundheit, durch eine jener ihrem Spiele correspondirenden Bewegung der Eingeweide, das ganze, für so fein und geistvoll geprie- sene, Vergnügen einer aufgeweckten Gesellschaft ausmachen. Nicht die Beurtheilung der Harmonie in Tönen oder Witz- einfällen, die mit ihrer Schönheit nur zum nothwendigen Vehickel dient, sondern das beförderte Lebensgeschäfte im Körper, der Affect, der die Eingeweide und das Zwergfell bewegt, mit einem Worte das Gefühl der Gesundheit (welche sich ohne solche Veranlaßung sonst nicht fühlen läßt) machen das Vergnügen aus, welches man daran findet, daß man dem Körper auch durch die Seele beykommen und diese zum Artzt von jenem brauchen kann.
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
ke, der irgend ein Jntereſſe bey ſich fuͤhrete, erzeugt, das Gemuͤth aber doch belebt wird.
Wie vergnuͤgend die Spiele ſeyn muͤſſen, ohne daß man noͤthig haͤtte intereſſirte Abſicht dabey zum Grunde zu legen, zeigen alle unſere Abendgeſellſchaften; denn ohne Spiel kann ſich beynahe keine unterhalten. Aber die Affecten der Hof- nung, der Furcht, der Freude, des Zorns, des Hohns ſpielen dabey, indem ſie jeden Augenblick wechſeln, ſind ſo lebhaft, daß dadurch, als eine innere Motion, das ganze Lebensgeſchaͤfte im Koͤrper befoͤrdert zu ſeyn ſcheint, wie eine dadurch er- zeugte Munterkeit des Gemuͤths es beweiſt, obgleich weder etwas gewonnen noch gelernt worden. Aber da das Gluͤcks- ſpiel kein ſchoͤnes Spiel iſt, ſo wollen wir es hier bey Seite ſetzen. Aber Muſik und Stof zum lachen ſind zweyerley Arten des Spiels mit aͤſthetiſchen Jdeen, oder auch Verſtan- desvorſtellungen, wodurch am Ende nichts gedacht wird und die blos durch ihren Wechſel lebhaft vergnuͤgen koͤnnen, wo- durch ſie ziemlich klar zu erkennen geben, daß die Belebung in beyden blos koͤrperlich ſey, ob ſie gleich von Jdeen des Gemuͤths erregt wird und daß das Gefuͤhl der Geſundheit, durch eine jener ihrem Spiele correſpondirenden Bewegung der Eingeweide, das ganze, fuͤr ſo fein und geiſtvoll geprie- ſene, Vergnuͤgen einer aufgeweckten Geſellſchaft ausmachen. Nicht die Beurtheilung der Harmonie in Toͤnen oder Witz- einfaͤllen, die mit ihrer Schoͤnheit nur zum nothwendigen Vehickel dient, ſondern das befoͤrderte Lebensgeſchaͤfte im Koͤrper, der Affect, der die Eingeweide und das Zwergfell bewegt, mit einem Worte das Gefuͤhl der Geſundheit (welche ſich ohne ſolche Veranlaßung ſonſt nicht fuͤhlen laͤßt) machen das Vergnuͤgen aus, welches man daran findet, daß man dem Koͤrper auch durch die Seele beykommen und dieſe zum Artzt von jenem brauchen kann.
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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
ke, der irgend ein Jntereſſe bey ſich fuͤhrete, erzeugt, das
Gemuͤth aber doch belebt wird.
Wie vergnuͤgend die Spiele ſeyn muͤſſen, ohne daß man
noͤthig haͤtte intereſſirte Abſicht dabey zum Grunde zu legen,
zeigen alle unſere Abendgeſellſchaften; denn ohne Spiel kann
ſich beynahe keine unterhalten. Aber die Affecten der Hof-
nung, der Furcht, der Freude, des Zorns, des Hohns ſpielen
dabey, indem ſie jeden Augenblick wechſeln, ſind ſo lebhaft, daß
dadurch, als eine innere Motion, das ganze Lebensgeſchaͤfte
im Koͤrper befoͤrdert zu ſeyn ſcheint, wie eine dadurch er-
zeugte Munterkeit des Gemuͤths es beweiſt, obgleich weder
etwas gewonnen noch gelernt worden. Aber da das Gluͤcks-
ſpiel kein ſchoͤnes Spiel iſt, ſo wollen wir es hier bey Seite
ſetzen. Aber Muſik und Stof zum lachen ſind zweyerley
Arten des Spiels mit aͤſthetiſchen Jdeen, oder auch Verſtan-
desvorſtellungen, wodurch am Ende nichts gedacht wird und
die blos durch ihren Wechſel lebhaft vergnuͤgen koͤnnen, wo-
durch ſie ziemlich klar zu erkennen geben, daß die Belebung
in beyden blos koͤrperlich ſey, ob ſie gleich von Jdeen des
Gemuͤths erregt wird und daß das Gefuͤhl der Geſundheit,
durch eine jener ihrem Spiele correſpondirenden Bewegung
der Eingeweide, das ganze, fuͤr ſo fein und geiſtvoll geprie-
ſene, Vergnuͤgen einer aufgeweckten Geſellſchaft ausmachen.
Nicht die Beurtheilung der Harmonie in Toͤnen oder Witz-
einfaͤllen, die mit ihrer Schoͤnheit nur zum nothwendigen
Vehickel dient, ſondern das befoͤrderte Lebensgeſchaͤfte im
Koͤrper, der Affect, der die Eingeweide und das Zwergfell
bewegt, mit einem Worte das Gefuͤhl der Geſundheit (welche
ſich ohne ſolche Veranlaßung ſonſt nicht fuͤhlen laͤßt) machen
das Vergnuͤgen aus, welches man daran findet, daß man
dem Koͤrper auch durch die Seele beykommen und dieſe zum
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/285>, abgerufen am 28.11.2024.
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