Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft. zu bleiben und, indem er Klarheit und Ordnung in dieGedankenfülle hineinbringt, so macht er die Jdeen halt- bar, eines daurenden zugleich auch allgemeinen Bey- falls, der Nachfolge anderer und einer immer fortschrei- tenden Cultur fähig. Wenn also im Widerstreite beyder- ley Eigenschaften an einem Producte etwas aufgeopfert werden soll, so müßte es eher auf der Seite des Genie's geschehen und die Urtheilskraft, welche in Sachen der schönen Kunst aus eigenen Principien den Ausspruch thut, wird eher der Freyheit und dem Reichthum der Einbildungskraft, als dem Verstande Abbruch zu thun, erlauben. Zur schönen Kunst würden also Einbildungs- §. 51. Von der Eintheilung der schönen Künste. Man kann überhaupt Schönheit (sie mag Natur- *) Die drey erstere Vermögen bekommen durch das vierte allererst ihre Vereinigung. Hume giebt in seiner Ge- schichte den Engländern zu verstehen, daß, obzwar sie in ihren Werken keinem Volke in der Welt in Ansehung der Veweisthümer der drey ersteren Eigenschaften, abgeson- dert betrachtet, etwas nachgäben, sie doch in der, welche sie vereinigt, ihren Nachbaren, den Franzosen, nachstehen müßten. N 5
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. zu bleiben und, indem er Klarheit und Ordnung in dieGedankenfuͤlle hineinbringt, ſo macht er die Jdeen halt- bar, eines daurenden zugleich auch allgemeinen Bey- falls, der Nachfolge anderer und einer immer fortſchrei- tenden Cultur faͤhig. Wenn alſo im Widerſtreite beyder- ley Eigenſchaften an einem Producte etwas aufgeopfert werden ſoll, ſo muͤßte es eher auf der Seite des Genie’s geſchehen und die Urtheilskraft, welche in Sachen der ſchoͤnen Kunſt aus eigenen Principien den Ausſpruch thut, wird eher der Freyheit und dem Reichthum der Einbildungskraft, als dem Verſtande Abbruch zu thun, erlauben. Zur ſchoͤnen Kunſt wuͤrden alſo Einbildungs- §. 51. Von der Eintheilung der ſchoͤnen Kuͤnſte. Man kann uͤberhaupt Schoͤnheit (ſie mag Natur- *) Die drey erſtere Vermoͤgen bekommen durch das vierte allererſt ihre Vereinigung. Hume giebt in ſeiner Ge- ſchichte den Englaͤndern zu verſtehen, daß, obzwar ſie in ihren Werken keinem Volke in der Welt in Anſehung der Veweisthuͤmer der drey erſteren Eigenſchaften, abgeſon- dert betrachtet, etwas nachgaͤben, ſie doch in der, welche ſie vereinigt, ihren Nachbaren, den Franzoſen, nachſtehen muͤßten. N 5
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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
zu bleiben und, indem er Klarheit und Ordnung in die
Gedankenfuͤlle hineinbringt, ſo macht er die Jdeen halt-
bar, eines daurenden zugleich auch allgemeinen Bey-
falls, der Nachfolge anderer und einer immer fortſchrei-
tenden Cultur faͤhig. Wenn alſo im Widerſtreite beyder-
ley Eigenſchaften an einem Producte etwas aufgeopfert
werden ſoll, ſo muͤßte es eher auf der Seite des Genie’s
geſchehen und die Urtheilskraft, welche in Sachen der
ſchoͤnen Kunſt aus eigenen Principien den Ausſpruch
thut, wird eher der Freyheit und dem Reichthum der
Einbildungskraft, als dem Verſtande Abbruch zu thun,
erlauben.
Zur ſchoͤnen Kunſt wuͤrden alſo Einbildungs-
kraft, Verſtand, Geiſt und Geſchmack erfor-
derlich ſeyn *).
§. 51.
Von der Eintheilung der ſchoͤnen Kuͤnſte.
Man kann uͤberhaupt Schoͤnheit (ſie mag Natur-
oder Kunſtſchoͤnheit ſeyn) den Ausdruck aͤſthetiſcher
Jdeen nennen: nur daß in der ſchoͤnen Kunſt dieſe Jdee
*) Die drey erſtere Vermoͤgen bekommen durch das vierte
allererſt ihre Vereinigung. Hume giebt in ſeiner Ge-
ſchichte den Englaͤndern zu verſtehen, daß, obzwar ſie in
ihren Werken keinem Volke in der Welt in Anſehung der
Veweisthuͤmer der drey erſteren Eigenſchaften, abgeſon-
dert betrachtet, etwas nachgaͤben, ſie doch in der, welche
ſie vereinigt, ihren Nachbaren, den Franzoſen, nachſtehen
muͤßten.
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