theilen kann, mithin als Beförderungsmittel dessen, was eines jeden natürliche Neigung verlangt, anse- hen sollte.
Für sich allein würde ein verlassener Mensch auf ei- ner wüsten Jnsel weder seine Hütte, noch sich selbst aus- putzen, oder Blumen aufsuchen, noch weniger sie pflan- zen, um sich damit auszuschmücken; sondern nur in Ge- sellschaft kommt es ihm ein, nicht blos Mensch, sondern auch nach seiner Art ein feiner Mensch zu seyn (der An- fang der Civilisirung): denn als einen solchen beurtheilt man denjenigen, der seine Lust andern mitzutheilen ge- neigt und geschickt ist und den ein Object nicht befriedigt, wenn er das Wohlgefallen an demselben nicht in Gemein- schaft mit andern fühlen kann. Auch erwartet und for- dert ein jeder die Rücksicht auf allgemeine Mittheilung von jedermann, gleichsam als aus einem ursprünglichen Vertrage, der durch die Menschheit selbst dictirt ist und so werden freylich anfangs nur Reize, z. B. Farben, um sich zu bemahlen, (Rocou bey den Caraiben und Zinno- ber bey den Jrokesen) oder Blumen, Muschelschaalen, schönfarbige Vogelfedern, mit der Zeit aber auch schöne Formen (als an Canots, Kleidern u. s. w.), die gar kein Vergnügen, d. i. Wohlgefallen des Genusses bey sich führen, in der Gesellschaft wichtig und mit großem Jnteresse verbunden, bis endlich die auf den höchsten Punct gekommene Civilisirung daraus beynahe das Hauptwerk der verfeinerten Neigung macht und Empfin-
Rants Crit. d. Urtheilskr. L
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
theilen kann, mithin als Befoͤrderungsmittel deſſen, was eines jeden natuͤrliche Neigung verlangt, anſe- hen ſollte.
Fuͤr ſich allein wuͤrde ein verlaſſener Menſch auf ei- ner wuͤſten Jnſel weder ſeine Huͤtte, noch ſich ſelbſt aus- putzen, oder Blumen aufſuchen, noch weniger ſie pflan- zen, um ſich damit auszuſchmuͤcken; ſondern nur in Ge- ſellſchaft kommt es ihm ein, nicht blos Menſch, ſondern auch nach ſeiner Art ein feiner Menſch zu ſeyn (der An- fang der Civiliſirung): denn als einen ſolchen beurtheilt man denjenigen, der ſeine Luſt andern mitzutheilen ge- neigt und geſchickt iſt und den ein Object nicht befriedigt, wenn er das Wohlgefallen an demſelben nicht in Gemein- ſchaft mit andern fuͤhlen kann. Auch erwartet und for- dert ein jeder die Ruͤckſicht auf allgemeine Mittheilung von jedermann, gleichſam als aus einem urſpruͤnglichen Vertrage, der durch die Menſchheit ſelbſt dictirt iſt und ſo werden freylich anfangs nur Reize, z. B. Farben, um ſich zu bemahlen, (Rocou bey den Caraiben und Zinno- ber bey den Jrokeſen) oder Blumen, Muſchelſchaalen, ſchoͤnfarbige Vogelfedern, mit der Zeit aber auch ſchoͤne Formen (als an Canots, Kleidern u. ſ. w.), die gar kein Vergnuͤgen, d. i. Wohlgefallen des Genuſſes bey ſich fuͤhren, in der Geſellſchaft wichtig und mit großem Jntereſſe verbunden, bis endlich die auf den hoͤchſten Punct gekommene Civiliſirung daraus beynahe das Hauptwerk der verfeinerten Neigung macht und Empfin-
Rants Crit. d. Urtheilskr. L
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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
theilen kann, mithin als Befoͤrderungsmittel deſſen,
was eines jeden natuͤrliche Neigung verlangt, anſe-
hen ſollte.
Fuͤr ſich allein wuͤrde ein verlaſſener Menſch auf ei-
ner wuͤſten Jnſel weder ſeine Huͤtte, noch ſich ſelbſt aus-
putzen, oder Blumen aufſuchen, noch weniger ſie pflan-
zen, um ſich damit auszuſchmuͤcken; ſondern nur in Ge-
ſellſchaft kommt es ihm ein, nicht blos Menſch, ſondern
auch nach ſeiner Art ein feiner Menſch zu ſeyn (der An-
fang der Civiliſirung): denn als einen ſolchen beurtheilt
man denjenigen, der ſeine Luſt andern mitzutheilen ge-
neigt und geſchickt iſt und den ein Object nicht befriedigt,
wenn er das Wohlgefallen an demſelben nicht in Gemein-
ſchaft mit andern fuͤhlen kann. Auch erwartet und for-
dert ein jeder die Ruͤckſicht auf allgemeine Mittheilung
von jedermann, gleichſam als aus einem urſpruͤnglichen
Vertrage, der durch die Menſchheit ſelbſt dictirt iſt und
ſo werden freylich anfangs nur Reize, z. B. Farben, um
ſich zu bemahlen, (Rocou bey den Caraiben und Zinno-
ber bey den Jrokeſen) oder Blumen, Muſchelſchaalen,
ſchoͤnfarbige Vogelfedern, mit der Zeit aber auch ſchoͤne
Formen (als an Canots, Kleidern u. ſ. w.), die gar
kein Vergnuͤgen, d. i. Wohlgefallen des Genuſſes bey
ſich fuͤhren, in der Geſellſchaft wichtig und mit großem
Jntereſſe verbunden, bis endlich die auf den hoͤchſten
Punct gekommene Civiliſirung daraus beynahe das
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/225>, abgerufen am 05.12.2024.
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