Zusammenstimmung beyder Gemüthskräfte gesetzlich, unter dem Zwange bestimmter Begriffe. Nur da, wo Einbildungskraft in ihrer Freyheit den Verstand erweckt und dieser ohne Begriffe die Einbildungskraft in ein re- gelmäßig Spiel setzt, da theilt sich die Vorstellung, nicht als Gedanke, sondern als inneres Gefühl, eines zweck- mäßigen Zustandes des Gemüths mit.
Der Geschmack ist also das Vermögen die Mittheil- barkeit der Gefühle, welche mit gegebener Vorstellung (ohne Vermittelung eines Begrifs) verbunden sind, a priori zu beurtheilen.
Wenn man annehmen dürfte, daß die bloße allge- meine Mittheilbarkeit seines Gefühls an sich schon ein Jnteresse für uns bey sich führen müsse, (welches man aber aus der Beschaffenheit einer blos reflectirenden Ur- theilskraft zu schließen nicht berechtigt ist) so würde man sich erklären können, woher das Gefühl im Geschmacks- urtheile gleichsam als Pflicht jedermann zugemuthet werde.
§. 41. Vom empirischen Jnteresse am Schönen.
Daß das Geschmacksurtheil, wodurch etwas für schön erklärt wird, kein Jnteresse zum Bestimmungs- grunde haben müsse, ist oben hinreichend dargethan worden. Aber daraus folgt nicht, daß ein solches, nach- dem es, als reines ästhetisches Urtheil, gegeben wor-
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Zuſammenſtimmung beyder Gemuͤthskraͤfte geſetzlich, unter dem Zwange beſtimmter Begriffe. Nur da, wo Einbildungskraft in ihrer Freyheit den Verſtand erweckt und dieſer ohne Begriffe die Einbildungskraft in ein re- gelmaͤßig Spiel ſetzt, da theilt ſich die Vorſtellung, nicht als Gedanke, ſondern als inneres Gefuͤhl, eines zweck- maͤßigen Zuſtandes des Gemuͤths mit.
Der Geſchmack iſt alſo das Vermoͤgen die Mittheil- barkeit der Gefuͤhle, welche mit gegebener Vorſtellung (ohne Vermittelung eines Begrifs) verbunden ſind, a priori zu beurtheilen.
Wenn man annehmen duͤrfte, daß die bloße allge- meine Mittheilbarkeit ſeines Gefuͤhls an ſich ſchon ein Jntereſſe fuͤr uns bey ſich fuͤhren muͤſſe, (welches man aber aus der Beſchaffenheit einer blos reflectirenden Ur- theilskraft zu ſchließen nicht berechtigt iſt) ſo wuͤrde man ſich erklaͤren koͤnnen, woher das Gefuͤhl im Geſchmacks- urtheile gleichſam als Pflicht jedermann zugemuthet werde.
§. 41. Vom empiriſchen Jntereſſe am Schoͤnen.
Daß das Geſchmacksurtheil, wodurch etwas fuͤr ſchoͤn erklaͤrt wird, kein Jntereſſe zum Beſtimmungs- grunde haben muͤſſe, iſt oben hinreichend dargethan worden. Aber daraus folgt nicht, daß ein ſolches, nach- dem es, als reines aͤſthetiſches Urtheil, gegeben wor-
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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Zuſammenſtimmung beyder Gemuͤthskraͤfte geſetzlich,
unter dem Zwange beſtimmter Begriffe. Nur da, wo
Einbildungskraft in ihrer Freyheit den Verſtand erweckt
und dieſer ohne Begriffe die Einbildungskraft in ein re-
gelmaͤßig Spiel ſetzt, da theilt ſich die Vorſtellung, nicht
als Gedanke, ſondern als inneres Gefuͤhl, eines zweck-
maͤßigen Zuſtandes des Gemuͤths mit.
Der Geſchmack iſt alſo das Vermoͤgen die Mittheil-
barkeit der Gefuͤhle, welche mit gegebener Vorſtellung
(ohne Vermittelung eines Begrifs) verbunden ſind,
a priori zu beurtheilen.
Wenn man annehmen duͤrfte, daß die bloße allge-
meine Mittheilbarkeit ſeines Gefuͤhls an ſich ſchon ein
Jntereſſe fuͤr uns bey ſich fuͤhren muͤſſe, (welches man
aber aus der Beſchaffenheit einer blos reflectirenden Ur-
theilskraft zu ſchließen nicht berechtigt iſt) ſo wuͤrde man
ſich erklaͤren koͤnnen, woher das Gefuͤhl im Geſchmacks-
urtheile gleichſam als Pflicht jedermann zugemuthet
werde.
§. 41.
Vom empiriſchen Jntereſſe am Schoͤnen.
Daß das Geſchmacksurtheil, wodurch etwas fuͤr
ſchoͤn erklaͤrt wird, kein Jntereſſe zum Beſtimmungs-
grunde haben muͤſſe, iſt oben hinreichend dargethan
worden. Aber daraus folgt nicht, daß ein ſolches, nach-
dem es, als reines aͤſthetiſches Urtheil, gegeben wor-
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/223>, abgerufen am 20.11.2024.
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