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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

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I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft.
wenden und critisirt die Producte der schönen Kunst, so
wie jene das Vermögen selbst sie zu beurtheilen.

§. 35.
Das Princip des Geschmacks ist das subje-
ctive Princip der Urtheilskraft überhaupt
.

Das Geschmacksurtheil unterscheidet sich darin von
dem logischen; daß das letztere eine Vorstellung unter
Begriffe vom Object, das erstere aber gar nicht unter
einem Begriffe subsumirt, weil sonst der nothwendige
allgemeine Beyfall durch Beweise würde erzwungen wer-
den können. Gleichwohl aber ist es darin dem letztern
ähnlich, daß es eine Allgemeinheit und Nothwendigkeit,
aber nicht nach Begriffen vom Object, folglich eine blos
subjective vorgiebt. Weil nun die Begriffe in einem
Urtheile den Jnhalt derselben (zum Erkenntnis des Ob-
jects gehörige) ausmachen, das Geschmacksurtheil aber
nicht durch Begriffe bestimmbar ist, so gründet es sich
nur auf der subjectiven formalen Bedingung eines Ur-
theils überhaupt. Die subjective Bedingung aller Ur-
theile ist das Vermögen zn urtheilen selbst, oder die Ur-
theilskraft. Diese, in Ansehung einer Vorstellung, da-
durch ein Gegenstand gegeben wird, gebraucht, erfordert
zweyer Vorstellungskräfte Zusammenstimmung, nämlich
der Einbildungskraft (für die Anschauung und die Zu-
sammensetzung des Mannigfaltigen derselben) und den
Verstand (für den Begrif als Vorstellung der Einheit

I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
wenden und critiſirt die Producte der ſchoͤnen Kunſt, ſo
wie jene das Vermoͤgen ſelbſt ſie zu beurtheilen.

§. 35.
Das Princip des Geſchmacks iſt das ſubje-
ctive Princip der Urtheilskraft uͤberhaupt
.

Das Geſchmacksurtheil unterſcheidet ſich darin von
dem logiſchen; daß das letztere eine Vorſtellung unter
Begriffe vom Object, das erſtere aber gar nicht unter
einem Begriffe ſubſumirt, weil ſonſt der nothwendige
allgemeine Beyfall durch Beweiſe wuͤrde erzwungen wer-
den koͤnnen. Gleichwohl aber iſt es darin dem letztern
aͤhnlich, daß es eine Allgemeinheit und Nothwendigkeit,
aber nicht nach Begriffen vom Object, folglich eine blos
ſubjective vorgiebt. Weil nun die Begriffe in einem
Urtheile den Jnhalt derſelben (zum Erkenntnis des Ob-
jects gehoͤrige) ausmachen, das Geſchmacksurtheil aber
nicht durch Begriffe beſtimmbar iſt, ſo gruͤndet es ſich
nur auf der ſubjectiven formalen Bedingung eines Ur-
theils uͤberhaupt. Die ſubjective Bedingung aller Ur-
theile iſt das Vermoͤgen zn urtheilen ſelbſt, oder die Ur-
theilskraft. Dieſe, in Anſehung einer Vorſtellung, da-
durch ein Gegenſtand gegeben wird, gebraucht, erfordert
zweyer Vorſtellungskraͤfte Zuſammenſtimmung, naͤmlich
der Einbildungskraft (fuͤr die Anſchauung und die Zu-
ſammenſetzung des Mannigfaltigen derſelben) und den
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[143/0207] I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. wenden und critiſirt die Producte der ſchoͤnen Kunſt, ſo wie jene das Vermoͤgen ſelbſt ſie zu beurtheilen. §. 35. Das Princip des Geſchmacks iſt das ſubje- ctive Princip der Urtheilskraft uͤberhaupt. Das Geſchmacksurtheil unterſcheidet ſich darin von dem logiſchen; daß das letztere eine Vorſtellung unter Begriffe vom Object, das erſtere aber gar nicht unter einem Begriffe ſubſumirt, weil ſonſt der nothwendige allgemeine Beyfall durch Beweiſe wuͤrde erzwungen wer- den koͤnnen. Gleichwohl aber iſt es darin dem letztern aͤhnlich, daß es eine Allgemeinheit und Nothwendigkeit, aber nicht nach Begriffen vom Object, folglich eine blos ſubjective vorgiebt. Weil nun die Begriffe in einem Urtheile den Jnhalt derſelben (zum Erkenntnis des Ob- jects gehoͤrige) ausmachen, das Geſchmacksurtheil aber nicht durch Begriffe beſtimmbar iſt, ſo gruͤndet es ſich nur auf der ſubjectiven formalen Bedingung eines Ur- theils uͤberhaupt. Die ſubjective Bedingung aller Ur- theile iſt das Vermoͤgen zn urtheilen ſelbſt, oder die Ur- theilskraft. Dieſe, in Anſehung einer Vorſtellung, da- durch ein Gegenſtand gegeben wird, gebraucht, erfordert zweyer Vorſtellungskraͤfte Zuſammenſtimmung, naͤmlich der Einbildungskraft (fuͤr die Anſchauung und die Zu- ſammenſetzung des Mannigfaltigen derſelben) und den Verſtand (fuͤr den Begrif als Vorſtellung der Einheit

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/207>, abgerufen am 20.11.2024.