dadurch gar nicht bestimmt wird, wie gros der Gegen- stand sey. Ob aber gleich der Maasstab der Vergleichung blos subjectiv ist, so macht das Urtheil nichts desto we- niger auf allgemeine Bestimmung Anspruch; die Ur- theile: der Mann ist schön und er ist groß, schränken sich nicht blos aufs urtheilende Subject ein, sondern verlan- gen, gleich theoretischen Urtheilen, jedermanns Bey- stimmung.
Weil aber in einem Urtheile, dadurch etwas schlecht- weg als gros bezeichnet wird, nicht blos gesagt werden will, daß der Gegenstand eine Größe habe, sondern diese ihm zugleich vorzugsweise vor vielen andern gleicher Art beygelegt wird, ohne doch diesen Vorzug bestimmt anzu- geben, so wird demselben allerdings ein Maasstab zum Grunde gelegt, den man für jedermann, als eben den- selben, annehmen zu können voraussetzt, der aber zu keiner logischen (mathematisch-bestimmten), sondern nur ästhetischen Beurtheilung der Größe brauchbar ist, weil er ein blos subjectiv dem reflectirenden Urtheile über Größe zum Grunde liegender Maasstab ist (er mag nun empirisch seyn, wie etwa die mittlere Größe der uns be- kannten Menschen, Thiere von gewisser Art, Bäume, Häuser, Berge u. d. gl.; oder ein a priori gegebener Maasstab, der durch die Mängel des Subjects auf sub- jective Bedingungen der Darstellung in concreto einge- schränkt ist, als im Practischen: die Größe einer gewissen Tugend, oder der öffentlichen Freyheit und Gerechtigkeit
Kants Crit. d. Urtheilskr. F
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
dadurch gar nicht beſtimmt wird, wie gros der Gegen- ſtand ſey. Ob aber gleich der Maasſtab der Vergleichung blos ſubjectiv iſt, ſo macht das Urtheil nichts deſto we- niger auf allgemeine Beſtimmung Anſpruch; die Ur- theile: der Mann iſt ſchoͤn und er iſt groß, ſchraͤnken ſich nicht blos aufs urtheilende Subject ein, ſondern verlan- gen, gleich theoretiſchen Urtheilen, jedermanns Bey- ſtimmung.
Weil aber in einem Urtheile, dadurch etwas ſchlecht- weg als gros bezeichnet wird, nicht blos geſagt werden will, daß der Gegenſtand eine Groͤße habe, ſondern dieſe ihm zugleich vorzugsweiſe vor vielen andern gleicher Art beygelegt wird, ohne doch dieſen Vorzug beſtimmt anzu- geben, ſo wird demſelben allerdings ein Maasſtab zum Grunde gelegt, den man fuͤr jedermann, als eben den- ſelben, annehmen zu koͤnnen vorausſetzt, der aber zu keiner logiſchen (mathematiſch-beſtimmten), ſondern nur aͤſthetiſchen Beurtheilung der Groͤße brauchbar iſt, weil er ein blos ſubjectiv dem reflectirenden Urtheile uͤber Groͤße zum Grunde liegender Maasſtab iſt (er mag nun empiriſch ſeyn, wie etwa die mittlere Groͤße der uns be- kannten Menſchen, Thiere von gewiſſer Art, Baͤume, Haͤuſer, Berge u. d. gl.; oder ein a priori gegebener Maasſtab, der durch die Maͤngel des Subjects auf ſub- jective Bedingungen der Darſtellung in concreto einge- ſchraͤnkt iſt, als im Practiſchen: die Groͤße einer gewiſſen Tugend, oder der oͤffentlichen Freyheit und Gerechtigkeit
Kants Crit. d. Urtheilskr. F
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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
dadurch gar nicht beſtimmt wird, wie gros der Gegen-
ſtand ſey. Ob aber gleich der Maasſtab der Vergleichung
blos ſubjectiv iſt, ſo macht das Urtheil nichts deſto we-
niger auf allgemeine Beſtimmung Anſpruch; die Ur-
theile: der Mann iſt ſchoͤn und er iſt groß, ſchraͤnken ſich
nicht blos aufs urtheilende Subject ein, ſondern verlan-
gen, gleich theoretiſchen Urtheilen, jedermanns Bey-
ſtimmung.
Weil aber in einem Urtheile, dadurch etwas ſchlecht-
weg als gros bezeichnet wird, nicht blos geſagt werden
will, daß der Gegenſtand eine Groͤße habe, ſondern dieſe
ihm zugleich vorzugsweiſe vor vielen andern gleicher Art
beygelegt wird, ohne doch dieſen Vorzug beſtimmt anzu-
geben, ſo wird demſelben allerdings ein Maasſtab zum
Grunde gelegt, den man fuͤr jedermann, als eben den-
ſelben, annehmen zu koͤnnen vorausſetzt, der aber zu
keiner logiſchen (mathematiſch-beſtimmten), ſondern
nur aͤſthetiſchen Beurtheilung der Groͤße brauchbar iſt,
weil er ein blos ſubjectiv dem reflectirenden Urtheile uͤber
Groͤße zum Grunde liegender Maasſtab iſt (er mag nun
empiriſch ſeyn, wie etwa die mittlere Groͤße der uns be-
kannten Menſchen, Thiere von gewiſſer Art, Baͤume,
Haͤuſer, Berge u. d. gl.; oder ein a priori gegebener
Maasſtab, der durch die Maͤngel des Subjects auf ſub-
jective Bedingungen der Darſtellung in concreto einge-
ſchraͤnkt iſt, als im Practiſchen: die Groͤße einer gewiſſen
Tugend, oder der oͤffentlichen Freyheit und Gerechtigkeit
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/145>, abgerufen am 05.12.2024.
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