§. 23. Uebergang von dem Beurtheilungsvermögen des Schönen zu dem des Erhabenen.
Das Schöne kommt darin mit dem Erhabenen überein, daß beydes für sich selbst gefällt. Ferner darin, daß bey- des kein Sinnes - noch ein logisch- bestimmendes, son- dern ein Reflexionsurtheil voraussetzt, folglich das Wohl- gefallen nicht an einer Empfindung, wie die des Ange- nehmen, noch an einem bestimmten Begriffe wie das Wohlgefallen am Guten, hängt, gleichwohl aber doch auf Begriffe, obzwar unbestimmt welche, bezogen wird, mithin das Wohlgefallen an der bloßen Darstellung oder dem Vermögen derselben geknüpft ist, wodurch das Ver- mögen der Darstellung, oder die Einbildungskraft, bey einer gegebenen Anschauung mit dem Vermögen der Begriffe des Verstandes oder der Vernunft, als Be- förderung der letzteren, in Einstimmung betrachtet wird. Daher sind auch beyderley Urtheile einzelne und doch sich für allgemeingültig in Ansehung jedes Subjects an- kündigende Urtheile, ob sie zwar blos auf das Gefühl der Lust und kein Erkenntnis des Gegenstandes Anspruch machen.
E 5
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Zweytes Buch. Analytik des Erhabenen.
§. 23. Uebergang von dem Beurtheilungsvermoͤgen des Schoͤnen zu dem des Erhabenen.
Das Schoͤne kommt darin mit dem Erhabenen uͤberein, daß beydes fuͤr ſich ſelbſt gefaͤllt. Ferner darin, daß bey- des kein Sinnes - noch ein logiſch- beſtimmendes, ſon- dern ein Reflexionsurtheil vorausſetzt, folglich das Wohl- gefallen nicht an einer Empfindung, wie die des Ange- nehmen, noch an einem beſtimmten Begriffe wie das Wohlgefallen am Guten, haͤngt, gleichwohl aber doch auf Begriffe, obzwar unbeſtimmt welche, bezogen wird, mithin das Wohlgefallen an der bloßen Darſtellung oder dem Vermoͤgen derſelben geknuͤpft iſt, wodurch das Ver- moͤgen der Darſtellung, oder die Einbildungskraft, bey einer gegebenen Anſchauung mit dem Vermoͤgen der Begriffe des Verſtandes oder der Vernunft, als Be- foͤrderung der letzteren, in Einſtimmung betrachtet wird. Daher ſind auch beyderley Urtheile einzelne und doch ſich fuͤr allgemeinguͤltig in Anſehung jedes Subjects an- kuͤndigende Urtheile, ob ſie zwar blos auf das Gefuͤhl der Luſt und kein Erkenntnis des Gegenſtandes Anſpruch machen.
E 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0137"n="73"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">I.</hi> Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Zweytes Buch.<lb/>
Analytik des Erhabenen.</hi></hi></head><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">§. 23.<lb/>
Uebergang von dem Beurtheilungsvermoͤgen<lb/>
des Schoͤnen zu dem des Erhabenen.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>as Schoͤne kommt darin mit dem Erhabenen uͤberein,<lb/>
daß beydes fuͤr ſich ſelbſt gefaͤllt. Ferner darin, daß bey-<lb/>
des kein Sinnes - noch ein logiſch- beſtimmendes, ſon-<lb/>
dern ein Reflexionsurtheil vorausſetzt, folglich das Wohl-<lb/>
gefallen nicht an einer Empfindung, wie die des Ange-<lb/>
nehmen, noch an einem beſtimmten Begriffe wie das<lb/>
Wohlgefallen am Guten, haͤngt, gleichwohl aber doch<lb/>
auf Begriffe, obzwar unbeſtimmt welche, bezogen wird,<lb/>
mithin das Wohlgefallen an der bloßen Darſtellung oder<lb/>
dem Vermoͤgen derſelben geknuͤpft iſt, wodurch das Ver-<lb/>
moͤgen der Darſtellung, oder die Einbildungskraft, bey<lb/>
einer gegebenen Anſchauung mit dem <hirendition="#fr">Vermoͤgen der<lb/>
Begriffe</hi> des Verſtandes oder der Vernunft, als Be-<lb/>
foͤrderung der letzteren, in Einſtimmung betrachtet wird.<lb/>
Daher ſind auch beyderley Urtheile <hirendition="#fr">einzelne</hi> und doch<lb/>ſich fuͤr allgemeinguͤltig in Anſehung jedes Subjects an-<lb/>
kuͤndigende Urtheile, ob ſie zwar blos auf das Gefuͤhl<lb/>
der Luſt und kein Erkenntnis des Gegenſtandes Anſpruch<lb/>
machen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">E 5</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[73/0137]
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Zweytes Buch.
Analytik des Erhabenen.
§. 23.
Uebergang von dem Beurtheilungsvermoͤgen
des Schoͤnen zu dem des Erhabenen.
Das Schoͤne kommt darin mit dem Erhabenen uͤberein,
daß beydes fuͤr ſich ſelbſt gefaͤllt. Ferner darin, daß bey-
des kein Sinnes - noch ein logiſch- beſtimmendes, ſon-
dern ein Reflexionsurtheil vorausſetzt, folglich das Wohl-
gefallen nicht an einer Empfindung, wie die des Ange-
nehmen, noch an einem beſtimmten Begriffe wie das
Wohlgefallen am Guten, haͤngt, gleichwohl aber doch
auf Begriffe, obzwar unbeſtimmt welche, bezogen wird,
mithin das Wohlgefallen an der bloßen Darſtellung oder
dem Vermoͤgen derſelben geknuͤpft iſt, wodurch das Ver-
moͤgen der Darſtellung, oder die Einbildungskraft, bey
einer gegebenen Anſchauung mit dem Vermoͤgen der
Begriffe des Verſtandes oder der Vernunft, als Be-
foͤrderung der letzteren, in Einſtimmung betrachtet wird.
Daher ſind auch beyderley Urtheile einzelne und doch
ſich fuͤr allgemeinguͤltig in Anſehung jedes Subjects an-
kuͤndigende Urtheile, ob ſie zwar blos auf das Gefuͤhl
der Luſt und kein Erkenntnis des Gegenſtandes Anſpruch
machen.
E 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/137>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.