Begriffe, die man nur so bey Gelegenheit auffindet, in keiner Ordnung und systematischen Einheit, sondern werden zulezt nur nach Aehnlichkeiten gepaart und nach der Grösse ihres Inhalts, von den einfachen an, zu den mehr zu- sammengesezten, in Reihen gestellt, die nichts weniger als systematisch, obgleich auf gewisse Weise methodisch zu Stande gebracht werden.
Die Transscendental-Philosophie hat den Vortheil, aber auch die Verbindlichkeit, ihre Begriffe nach einem Princip aufzusuchen; weil sie aus dem Verstande, als absoluter Einheit, rein und unvermischt entspringen und daher selbst nach einem Begriffe oder Idee, unter sich zu- sammenhängen müssen. Ein solcher Zusammenhang aber giebt eine Regel an die Hand, nach welcher iedem reinen Verstandesbegriff seine Stelle und allen insgesamt ihre Vollständigkeit a priori bestimt werden kan, welches alles sonst vom Belieben, oder dem Zufall abhängen würde.
Des Transscendentalen Leitfadens der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe Erster Abschnitt. Von dem logischen Verstandesgebrauche überhaupt.
Der Verstand wurde oben blos negativ erklärt: durch ein nichtsinnliches Erkentnißvermögen. Nun kön- nen wir, unabhängig von der Sinnlichkeit, keiner Anschau-
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I. Abſch. Vom log. Verſt. Geb. uͤberhaupr.
Begriffe, die man nur ſo bey Gelegenheit auffindet, in keiner Ordnung und ſyſtematiſchen Einheit, ſondern werden zulezt nur nach Aehnlichkeiten gepaart und nach der Groͤſſe ihres Inhalts, von den einfachen an, zu den mehr zu- ſammengeſezten, in Reihen geſtellt, die nichts weniger als ſyſtematiſch, obgleich auf gewiſſe Weiſe methodiſch zu Stande gebracht werden.
Die Transſcendental-Philoſophie hat den Vortheil, aber auch die Verbindlichkeit, ihre Begriffe nach einem Princip aufzuſuchen; weil ſie aus dem Verſtande, als abſoluter Einheit, rein und unvermiſcht entſpringen und daher ſelbſt nach einem Begriffe oder Idee, unter ſich zu- ſammenhaͤngen muͤſſen. Ein ſolcher Zuſammenhang aber giebt eine Regel an die Hand, nach welcher iedem reinen Verſtandesbegriff ſeine Stelle und allen insgeſamt ihre Vollſtaͤndigkeit a priori beſtimt werden kan, welches alles ſonſt vom Belieben, oder dem Zufall abhaͤngen wuͤrde.
Des Transſcendentalen Leitfadens der Entdeckung aller reinen Verſtandesbegriffe Erſter Abſchnitt. Von dem logiſchen Verſtandesgebrauche uͤberhaupt.
Der Verſtand wurde oben blos negativ erklaͤrt: durch ein nichtſinnliches Erkentnißvermoͤgen. Nun koͤn- nen wir, unabhaͤngig von der Sinnlichkeit, keiner Anſchau-
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I. Abſch. Vom log. Verſt. Geb. uͤberhaupr.
Begriffe, die man nur ſo bey Gelegenheit auffindet, in
keiner Ordnung und ſyſtematiſchen Einheit, ſondern werden
zulezt nur nach Aehnlichkeiten gepaart und nach der Groͤſſe
ihres Inhalts, von den einfachen an, zu den mehr zu-
ſammengeſezten, in Reihen geſtellt, die nichts weniger als
ſyſtematiſch, obgleich auf gewiſſe Weiſe methodiſch zu
Stande gebracht werden.
Die Transſcendental-Philoſophie hat den Vortheil,
aber auch die Verbindlichkeit, ihre Begriffe nach einem
Princip aufzuſuchen; weil ſie aus dem Verſtande, als
abſoluter Einheit, rein und unvermiſcht entſpringen und
daher ſelbſt nach einem Begriffe oder Idee, unter ſich zu-
ſammenhaͤngen muͤſſen. Ein ſolcher Zuſammenhang aber
giebt eine Regel an die Hand, nach welcher iedem reinen
Verſtandesbegriff ſeine Stelle und allen insgeſamt ihre
Vollſtaͤndigkeit a priori beſtimt werden kan, welches alles
ſonſt vom Belieben, oder dem Zufall abhaͤngen wuͤrde.
Des
Transſcendentalen Leitfadens der Entdeckung aller
reinen Verſtandesbegriffe
Erſter Abſchnitt.
Von dem
logiſchen Verſtandesgebrauche uͤberhaupt.
Der Verſtand wurde oben blos negativ erklaͤrt: durch
ein nichtſinnliches Erkentnißvermoͤgen. Nun koͤn-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/97>, abgerufen am 21.11.2024.
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