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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Die Architectonik der reinen Vernunft.
Quellen der Vernunft, woraus auch die Critik, ia selbst
die Verwerfung des Gelerneten entspringen kan, d. i. aus
Principien geschöpft worden.

Alle Vernunfterkentniß ist nun entweder die aus
Begriffen, oder aus der Construction der Begriffe, die
erstere heißt philosophisch, die zweite mathematisch. Von
dem inneren Unterschiede beider habe ich schon im ersten
Hauptstücke gehandelt. Ein Erkentniß demnach kan ob-
iectiv philosophisch seyn und ist doch subiectiv historisch, wie
bey den meisten Lehrlingen und bey allen, die über die
Schule niemals hinaussehen und zeitlebens Lehrlinge blei-
ben. Es ist aber doch sonderbar: daß das mathematische
Erkentniß, so wie man es erlernet hat, doch auch subiectiv
vor Vernunfterkentniß gelten kan, und ein solcher Unter-
schied bey ihr nicht so, wie bey dem philosophischen statt
findet. Die Ursache ist, weil die Erkentnißquellen, aus
denen der Lehrer allein schöpfen kan, nirgend anders als
in den wesentlichen und ächten Principien der Vernunft
liegen und mithin von dem Lehrlinge nirgend anders her-
genommen, noch etwa gestritten werden können, und die-
ses zwar darum, weil der Gebrauch der Vernunft hier
nur in concreto, obzwar dennoch a priori, nemlich
an der reinen und, eben deswegen, fehlerfreien Anschauung
geschieht und alle Täuschung und Irrthum ausschließt.
Man kan also unter allen Vernunftwissenschaften (a priori)
nur allein Mathematik, niemals aber Philosophie (es sey
denn historisch), sondern, was die Vernunft betrift, höch-
stens nur philosophiren lernen.


Das
G g g 3

Die Architectonik der reinen Vernunft.
Quellen der Vernunft, woraus auch die Critik, ia ſelbſt
die Verwerfung des Gelerneten entſpringen kan, d. i. aus
Principien geſchoͤpft worden.

Alle Vernunfterkentniß iſt nun entweder die aus
Begriffen, oder aus der Conſtruction der Begriffe, die
erſtere heißt philoſophiſch, die zweite mathematiſch. Von
dem inneren Unterſchiede beider habe ich ſchon im erſten
Hauptſtuͤcke gehandelt. Ein Erkentniß demnach kan ob-
iectiv philoſophiſch ſeyn und iſt doch ſubiectiv hiſtoriſch, wie
bey den meiſten Lehrlingen und bey allen, die uͤber die
Schule niemals hinausſehen und zeitlebens Lehrlinge blei-
ben. Es iſt aber doch ſonderbar: daß das mathematiſche
Erkentniß, ſo wie man es erlernet hat, doch auch ſubiectiv
vor Vernunfterkentniß gelten kan, und ein ſolcher Unter-
ſchied bey ihr nicht ſo, wie bey dem philoſophiſchen ſtatt
findet. Die Urſache iſt, weil die Erkentnißquellen, aus
denen der Lehrer allein ſchoͤpfen kan, nirgend anders als
in den weſentlichen und aͤchten Principien der Vernunft
liegen und mithin von dem Lehrlinge nirgend anders her-
genommen, noch etwa geſtritten werden koͤnnen, und die-
ſes zwar darum, weil der Gebrauch der Vernunft hier
nur in concreto, obzwar dennoch a priori, nemlich
an der reinen und, eben deswegen, fehlerfreien Anſchauung
geſchieht und alle Taͤuſchung und Irrthum ausſchließt.
Man kan alſo unter allen Vernunftwiſſenſchaften (a priori)
nur allein Mathematik, niemals aber Philoſophie (es ſey
denn hiſtoriſch), ſondern, was die Vernunft betrift, hoͤch-
ſtens nur philoſophiren lernen.


Das
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[837/0867] Die Architectonik der reinen Vernunft. Quellen der Vernunft, woraus auch die Critik, ia ſelbſt die Verwerfung des Gelerneten entſpringen kan, d. i. aus Principien geſchoͤpft worden. Alle Vernunfterkentniß iſt nun entweder die aus Begriffen, oder aus der Conſtruction der Begriffe, die erſtere heißt philoſophiſch, die zweite mathematiſch. Von dem inneren Unterſchiede beider habe ich ſchon im erſten Hauptſtuͤcke gehandelt. Ein Erkentniß demnach kan ob- iectiv philoſophiſch ſeyn und iſt doch ſubiectiv hiſtoriſch, wie bey den meiſten Lehrlingen und bey allen, die uͤber die Schule niemals hinausſehen und zeitlebens Lehrlinge blei- ben. Es iſt aber doch ſonderbar: daß das mathematiſche Erkentniß, ſo wie man es erlernet hat, doch auch ſubiectiv vor Vernunfterkentniß gelten kan, und ein ſolcher Unter- ſchied bey ihr nicht ſo, wie bey dem philoſophiſchen ſtatt findet. Die Urſache iſt, weil die Erkentnißquellen, aus denen der Lehrer allein ſchoͤpfen kan, nirgend anders als in den weſentlichen und aͤchten Principien der Vernunft liegen und mithin von dem Lehrlinge nirgend anders her- genommen, noch etwa geſtritten werden koͤnnen, und die- ſes zwar darum, weil der Gebrauch der Vernunft hier nur in concreto, obzwar dennoch a priori, nemlich an der reinen und, eben deswegen, fehlerfreien Anſchauung geſchieht und alle Taͤuſchung und Irrthum ausſchließt. Man kan alſo unter allen Vernunftwiſſenſchaften (a priori) nur allein Mathematik, niemals aber Philoſophie (es ſey denn hiſtoriſch), ſondern, was die Vernunft betrift, hoͤch- ſtens nur philoſophiren lernen. Das G g g 3

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 837. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/867>, abgerufen am 24.11.2024.