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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Vom Meinen, Wissen und Glauben.
allererst inne, was er vorher nicht bemerkte, daß es nemlich
doch wol möglich sey, er habe sich geirrt. Wenn man
sich in Gedanken vorstellt: man solle worauf das Glück
des ganzen Lebens verwetten, so schwindet unser trium-
phirendes Urtheil gar sehr, wir werden überaus schüchtern
und entdecken so allererst, daß unser Glaube so weit nicht
zulange. So hat der pragmatische Glaube nur einen
Grad, der nach Verschiedenheit des Interesse, das da-
bey im Spiele ist, groß oder auch klein seyn kan.

Weil aber, ob wir gleich in Beziehung auf ein Ob-
iect gar nichts unternehmen können, also das Vorwahr-
halten blos theoretisch ist, wir doch in vielen Fällen eine
Unternehmung in Gedanken fassen und uns einbilden kön-
nen, zu welcher wir hinreichende Gründe zu haben ver-
meinen, wenn es ein Mittel gäbe, die Gewißheit der Sa-
che auszumachen, so giebt es in blos theoretischen Urthei-
len ein Analogon von practischen, auf deren Vorwahr-
haltung das Wort Glauben paßt, und den wir den do-
ctrinalen Glauben nennen können. Wenn es möglich wä-
re, durch irgend eine Erfahrung auszumachen, so möchte
ich wol alles das Meinige darauf verwetten: daß es we-
nigstens in irgend einem von den Planeten, die wir sehen,
Einwohner gebe. Daher sage ich, ist es nicht blos Mei-
nung, sondern ein starker Glaube (auf dessen Richtigkeit
ich schon viele Vortheile des Lebens wagen würde), daß es
auch Bewohner anderer Welten gebe.


Nun
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Vom Meinen, Wiſſen und Glauben.
allererſt inne, was er vorher nicht bemerkte, daß es nemlich
doch wol moͤglich ſey, er habe ſich geirrt. Wenn man
ſich in Gedanken vorſtellt: man ſolle worauf das Gluͤck
des ganzen Lebens verwetten, ſo ſchwindet unſer trium-
phirendes Urtheil gar ſehr, wir werden uͤberaus ſchuͤchtern
und entdecken ſo allererſt, daß unſer Glaube ſo weit nicht
zulange. So hat der pragmatiſche Glaube nur einen
Grad, der nach Verſchiedenheit des Intereſſe, das da-
bey im Spiele iſt, groß oder auch klein ſeyn kan.

Weil aber, ob wir gleich in Beziehung auf ein Ob-
iect gar nichts unternehmen koͤnnen, alſo das Vorwahr-
halten blos theoretiſch iſt, wir doch in vielen Faͤllen eine
Unternehmung in Gedanken faſſen und uns einbilden koͤn-
nen, zu welcher wir hinreichende Gruͤnde zu haben ver-
meinen, wenn es ein Mittel gaͤbe, die Gewißheit der Sa-
che auszumachen, ſo giebt es in blos theoretiſchen Urthei-
len ein Analogon von practiſchen, auf deren Vorwahr-
haltung das Wort Glauben paßt, und den wir den do-
ctrinalen Glauben nennen koͤnnen. Wenn es moͤglich waͤ-
re, durch irgend eine Erfahrung auszumachen, ſo moͤchte
ich wol alles das Meinige darauf verwetten: daß es we-
nigſtens in irgend einem von den Planeten, die wir ſehen,
Einwohner gebe. Daher ſage ich, iſt es nicht blos Mei-
nung, ſondern ein ſtarker Glaube (auf deſſen Richtigkeit
ich ſchon viele Vortheile des Lebens wagen wuͤrde), daß es
auch Bewohner anderer Welten gebe.


Nun
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[825/0855] Vom Meinen, Wiſſen und Glauben. allererſt inne, was er vorher nicht bemerkte, daß es nemlich doch wol moͤglich ſey, er habe ſich geirrt. Wenn man ſich in Gedanken vorſtellt: man ſolle worauf das Gluͤck des ganzen Lebens verwetten, ſo ſchwindet unſer trium- phirendes Urtheil gar ſehr, wir werden uͤberaus ſchuͤchtern und entdecken ſo allererſt, daß unſer Glaube ſo weit nicht zulange. So hat der pragmatiſche Glaube nur einen Grad, der nach Verſchiedenheit des Intereſſe, das da- bey im Spiele iſt, groß oder auch klein ſeyn kan. Weil aber, ob wir gleich in Beziehung auf ein Ob- iect gar nichts unternehmen koͤnnen, alſo das Vorwahr- halten blos theoretiſch iſt, wir doch in vielen Faͤllen eine Unternehmung in Gedanken faſſen und uns einbilden koͤn- nen, zu welcher wir hinreichende Gruͤnde zu haben ver- meinen, wenn es ein Mittel gaͤbe, die Gewißheit der Sa- che auszumachen, ſo giebt es in blos theoretiſchen Urthei- len ein Analogon von practiſchen, auf deren Vorwahr- haltung das Wort Glauben paßt, und den wir den do- ctrinalen Glauben nennen koͤnnen. Wenn es moͤglich waͤ- re, durch irgend eine Erfahrung auszumachen, ſo moͤchte ich wol alles das Meinige darauf verwetten: daß es we- nigſtens in irgend einem von den Planeten, die wir ſehen, Einwohner gebe. Daher ſage ich, iſt es nicht blos Mei- nung, ſondern ein ſtarker Glaube (auf deſſen Richtigkeit ich ſchon viele Vortheile des Lebens wagen wuͤrde), daß es auch Bewohner anderer Welten gebe. Nun F f f 5

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 825. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/855>, abgerufen am 27.11.2024.