noch immer allgemeine) Logik ausmacht. Der erstere ist eigentlich nur allein Wissenschaft, obzwar kurz und trocken, und wie es die schulgerechte Darstellung einer Elementar- Lehre des Verstandes erfordert. In dieser müssen also die Logiker iederzeit zwey Regeln vor Augen haben.
1) Als allgemeine Logik abstrahirt sie von allem In- halt der Verstandeserkentniß, und der Verschiedenheit ih- rer Gegenstände, und hat mit nichts, als der blossen Form des Denkens zu thun.
2) Als reine Logik hat sie keine empirische Princi- pien, mithin schöpft sie nichts, (wie man sich bisweilen überredet hat) aus der Psychologie, die also auf den Ca- non des Verstandes gar keinen Einfluß hat. Sie ist eine demonstrirte Doctrin, und alles muß in ihr völlig a priori gewiß seyn.
Was ich die angewandte Logik nenne, (wider die ge- meine Bedeutung dieses Worts, nach der sie gewisse Exer- citien, dazu die reine Logik die Regel giebt, enthalten soll) so ist sie eine Vorstellung des Verstandes und der Regeln seines nothwendigen Gebrauchs in concreto, nemlich un- ter den zufälligen Bedingungen des Subiects, die diesen Gebrauch hindern oder befördern können, und die insge- samt nur empirisch gegeben werden. Sie handelt von der Aufmerksamkeit, deren Hinderniß und Folgen, dem Ur- sprunge des Irrthums, dem Zustande des Zweifels, des Scrupels, der Ueberzeugung u. s. w. und zu ihr verhält sich die allgemeine und reine Logik, wie die reine Moral, wel-
che
Elementarlehre. II. Th. Transſc. Logik.
noch immer allgemeine) Logik ausmacht. Der erſtere iſt eigentlich nur allein Wiſſenſchaft, obzwar kurz und trocken, und wie es die ſchulgerechte Darſtellung einer Elementar- Lehre des Verſtandes erfordert. In dieſer muͤſſen alſo die Logiker iederzeit zwey Regeln vor Augen haben.
1) Als allgemeine Logik abſtrahirt ſie von allem In- halt der Verſtandeserkentniß, und der Verſchiedenheit ih- rer Gegenſtaͤnde, und hat mit nichts, als der bloſſen Form des Denkens zu thun.
2) Als reine Logik hat ſie keine empiriſche Princi- pien, mithin ſchoͤpft ſie nichts, (wie man ſich bisweilen uͤberredet hat) aus der Pſychologie, die alſo auf den Ca- non des Verſtandes gar keinen Einfluß hat. Sie iſt eine demonſtrirte Doctrin, und alles muß in ihr voͤllig a priori gewiß ſeyn.
Was ich die angewandte Logik nenne, (wider die ge- meine Bedeutung dieſes Worts, nach der ſie gewiſſe Exer- citien, dazu die reine Logik die Regel giebt, enthalten ſoll) ſo iſt ſie eine Vorſtellung des Verſtandes und der Regeln ſeines nothwendigen Gebrauchs in concreto, nemlich un- ter den zufaͤlligen Bedingungen des Subiects, die dieſen Gebrauch hindern oder befoͤrdern koͤnnen, und die insge- ſamt nur empiriſch gegeben werden. Sie handelt von der Aufmerkſamkeit, deren Hinderniß und Folgen, dem Ur- ſprunge des Irrthums, dem Zuſtande des Zweifels, des Scrupels, der Ueberzeugung u. ſ. w. und zu ihr verhaͤlt ſich die allgemeine und reine Logik, wie die reine Moral, wel-
che
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0084"n="54"/><fwplace="top"type="header">Elementarlehre. <hirendition="#aq">II.</hi> Th. Transſc. Logik.</fw><lb/>
noch immer allgemeine) Logik ausmacht. Der erſtere iſt<lb/>
eigentlich nur allein Wiſſenſchaft, obzwar kurz und trocken,<lb/>
und wie es die ſchulgerechte Darſtellung einer Elementar-<lb/>
Lehre des Verſtandes erfordert. In dieſer muͤſſen alſo die<lb/>
Logiker iederzeit zwey Regeln vor Augen haben.</p><lb/><p>1) Als allgemeine Logik abſtrahirt ſie von allem In-<lb/>
halt der Verſtandeserkentniß, und der Verſchiedenheit ih-<lb/>
rer Gegenſtaͤnde, und hat mit nichts, als der bloſſen Form<lb/>
des Denkens zu thun.</p><lb/><p>2) Als reine Logik hat ſie keine empiriſche Princi-<lb/>
pien, mithin ſchoͤpft ſie nichts, (wie man ſich bisweilen<lb/>
uͤberredet hat) aus der Pſychologie, die alſo auf den Ca-<lb/>
non des Verſtandes gar keinen Einfluß hat. Sie iſt eine<lb/>
demonſtrirte Doctrin, und alles muß in ihr voͤllig <hirendition="#aq">a priori</hi><lb/>
gewiß ſeyn.</p><lb/><p>Was ich die angewandte Logik nenne, (wider die ge-<lb/>
meine Bedeutung dieſes Worts, nach der ſie gewiſſe Exer-<lb/>
citien, dazu die reine Logik die Regel giebt, enthalten ſoll)<lb/>ſo iſt ſie eine Vorſtellung des Verſtandes und der Regeln<lb/>ſeines nothwendigen Gebrauchs <hirendition="#aq">in concreto,</hi> nemlich un-<lb/>
ter den zufaͤlligen Bedingungen des Subiects, die dieſen<lb/>
Gebrauch hindern oder befoͤrdern koͤnnen, und die insge-<lb/>ſamt nur empiriſch gegeben werden. Sie handelt von<lb/>
der Aufmerkſamkeit, deren Hinderniß und Folgen, dem Ur-<lb/>ſprunge des Irrthums, dem Zuſtande des Zweifels, des<lb/>
Scrupels, der Ueberzeugung u. ſ. w. und zu ihr verhaͤlt ſich<lb/>
die allgemeine und reine Logik, wie die reine Moral, wel-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">che</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[54/0084]
Elementarlehre. II. Th. Transſc. Logik.
noch immer allgemeine) Logik ausmacht. Der erſtere iſt
eigentlich nur allein Wiſſenſchaft, obzwar kurz und trocken,
und wie es die ſchulgerechte Darſtellung einer Elementar-
Lehre des Verſtandes erfordert. In dieſer muͤſſen alſo die
Logiker iederzeit zwey Regeln vor Augen haben.
1) Als allgemeine Logik abſtrahirt ſie von allem In-
halt der Verſtandeserkentniß, und der Verſchiedenheit ih-
rer Gegenſtaͤnde, und hat mit nichts, als der bloſſen Form
des Denkens zu thun.
2) Als reine Logik hat ſie keine empiriſche Princi-
pien, mithin ſchoͤpft ſie nichts, (wie man ſich bisweilen
uͤberredet hat) aus der Pſychologie, die alſo auf den Ca-
non des Verſtandes gar keinen Einfluß hat. Sie iſt eine
demonſtrirte Doctrin, und alles muß in ihr voͤllig a priori
gewiß ſeyn.
Was ich die angewandte Logik nenne, (wider die ge-
meine Bedeutung dieſes Worts, nach der ſie gewiſſe Exer-
citien, dazu die reine Logik die Regel giebt, enthalten ſoll)
ſo iſt ſie eine Vorſtellung des Verſtandes und der Regeln
ſeines nothwendigen Gebrauchs in concreto, nemlich un-
ter den zufaͤlligen Bedingungen des Subiects, die dieſen
Gebrauch hindern oder befoͤrdern koͤnnen, und die insge-
ſamt nur empiriſch gegeben werden. Sie handelt von
der Aufmerkſamkeit, deren Hinderniß und Folgen, dem Ur-
ſprunge des Irrthums, dem Zuſtande des Zweifels, des
Scrupels, der Ueberzeugung u. ſ. w. und zu ihr verhaͤlt ſich
die allgemeine und reine Logik, wie die reine Moral, wel-
che
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/84>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.