durch keine Critik will mässigen lassen, ansieht, so ist doch wirklich kein anderer Rath, als der Großsprecherey auf einer Seite, eine andere, welche auf eben dieselbe Rechte fusset, entgegen zu setzen, damit die Vernunft durch den Widerstand eines Feindes wenigstens nur stutzig gemacht werde, um in ihre Anmassungen einigen Zweifel zu setzen, und der Critik Gehör zu geben. Allein es bey diesen Zweifeln gänzlich bewenden zu lassen und es darauf aus- zusetzen, die Ueberzeugung und das Geständniß seiner Un- wissenheit, nicht blos als ein Heilmittel wider den dogma- tischen Eigendünkel, sondern zugleich als die Art, den Streit der Vernunft mit sich selbst zu beendigen, empfeh- len zu wollen, ist ein ganz vergeblicher Anschlag und kan keinesweges dazu tauglich seyn, der Vernunft einen Ru- hestand zu verschaffen, sondern ist höchstens nur ein Mit- tel, sie aus ihrem süssen dogmatischen Traume zu erwecken, um ihren Zustand in sorgfältigere Prüfung zu ziehen. Da indessen diese sceptische Manier, sich aus einem verdrieß- lichen Handel der Vernunft zu ziehen, gleichsam der kurze Weg zu seyn scheint, zu einer beharrlichen philosophischen Ru- he zu gelangen, wenigstens die Heeresstrasse, welche dieienige gern einschlagen, die sich in einer spöttischen Verachtung aller Nachforschungen dieser Art ein philosophisches Anse- hen zu geben meinen, so finde ich es nöthig, diese Den- kungsart in ihrem eigenthümlichen Lichte darzustellen.
Von
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Die Diſciplin der reinen Vernunft im polem. ꝛc.
durch keine Critik will maͤſſigen laſſen, anſieht, ſo iſt doch wirklich kein anderer Rath, als der Großſprecherey auf einer Seite, eine andere, welche auf eben dieſelbe Rechte fuſſet, entgegen zu ſetzen, damit die Vernunft durch den Widerſtand eines Feindes wenigſtens nur ſtutzig gemacht werde, um in ihre Anmaſſungen einigen Zweifel zu ſetzen, und der Critik Gehoͤr zu geben. Allein es bey dieſen Zweifeln gaͤnzlich bewenden zu laſſen und es darauf aus- zuſetzen, die Ueberzeugung und das Geſtaͤndniß ſeiner Un- wiſſenheit, nicht blos als ein Heilmittel wider den dogma- tiſchen Eigenduͤnkel, ſondern zugleich als die Art, den Streit der Vernunft mit ſich ſelbſt zu beendigen, empfeh- len zu wollen, iſt ein ganz vergeblicher Anſchlag und kan keinesweges dazu tauglich ſeyn, der Vernunft einen Ru- heſtand zu verſchaffen, ſondern iſt hoͤchſtens nur ein Mit- tel, ſie aus ihrem ſuͤſſen dogmatiſchen Traume zu erwecken, um ihren Zuſtand in ſorgfaͤltigere Pruͤfung zu ziehen. Da indeſſen dieſe ſceptiſche Manier, ſich aus einem verdrieß- lichen Handel der Vernunft zu ziehen, gleichſam der kurze Weg zu ſeyn ſcheint, zu einer beharrlichen philoſophiſchen Ru- he zu gelangen, wenigſtens die Heeresſtraſſe, welche dieienige gern einſchlagen, die ſich in einer ſpoͤttiſchen Verachtung aller Nachforſchungen dieſer Art ein philoſophiſches Anſe- hen zu geben meinen, ſo finde ich es noͤthig, dieſe Den- kungsart in ihrem eigenthuͤmlichen Lichte darzuſtellen.
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Die Diſciplin der reinen Vernunft im polem. ꝛc.
durch keine Critik will maͤſſigen laſſen, anſieht, ſo iſt doch
wirklich kein anderer Rath, als der Großſprecherey auf
einer Seite, eine andere, welche auf eben dieſelbe Rechte
fuſſet, entgegen zu ſetzen, damit die Vernunft durch den
Widerſtand eines Feindes wenigſtens nur ſtutzig gemacht
werde, um in ihre Anmaſſungen einigen Zweifel zu ſetzen,
und der Critik Gehoͤr zu geben. Allein es bey dieſen
Zweifeln gaͤnzlich bewenden zu laſſen und es darauf aus-
zuſetzen, die Ueberzeugung und das Geſtaͤndniß ſeiner Un-
wiſſenheit, nicht blos als ein Heilmittel wider den dogma-
tiſchen Eigenduͤnkel, ſondern zugleich als die Art, den
Streit der Vernunft mit ſich ſelbſt zu beendigen, empfeh-
len zu wollen, iſt ein ganz vergeblicher Anſchlag und kan
keinesweges dazu tauglich ſeyn, der Vernunft einen Ru-
heſtand zu verſchaffen, ſondern iſt hoͤchſtens nur ein Mit-
tel, ſie aus ihrem ſuͤſſen dogmatiſchen Traume zu erwecken,
um ihren Zuſtand in ſorgfaͤltigere Pruͤfung zu ziehen. Da
indeſſen dieſe ſceptiſche Manier, ſich aus einem verdrieß-
lichen Handel der Vernunft zu ziehen, gleichſam der kurze
Weg zu ſeyn ſcheint, zu einer beharrlichen philoſophiſchen Ru-
he zu gelangen, wenigſtens die Heeresſtraſſe, welche dieienige
gern einſchlagen, die ſich in einer ſpoͤttiſchen Verachtung
aller Nachforſchungen dieſer Art ein philoſophiſches Anſe-
hen zu geben meinen, ſo finde ich es noͤthig, dieſe Den-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 757. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/787>, abgerufen am 23.11.2024.
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