tische, aber empirische Sätze an die Hand geben werden. Den mathematischen Begriff eines Triangels würde ich con- struiren, d. i. a priori in der Anschauung geben und auf diesem Wege eine synthetische, aber rationale Erkentniß bekommen. Aber, wenn mir der transscendentale Be- griff einer Realität, Substanz, Kraft etc. gegeben ist, so bezeichnet er weder eine empirische, noch reine Anschauung, sondern lediglich die Synthesis der empirischen Anschauun- gen (die also a priori nicht gegeben werden können), und es kan also aus ihm, weil die Synthesis nicht a priori zu der Anschauung, die ihm correspondirt, hinausgehen kan, auch kein bestimmender synthetischer Satz, sondern nur ein Grundsatz der Synthesis*) möglicher empirischer An- schauungen entspringen. Also ist ein transscendentaler Satz ein synthetisches Vernunfterkentniß nach blossen Be- griffen und mithin discursiv, indem dadurch alle syntheti- sche Einheit der empirischen Erkentniß allererst möglich, keine Anschauung aber dadurch a priori gegeben wird.
So
*) Vermittelst des Begriffs der Ursache gehe ich wirklich aus dem empirischen Begriffe von einer Begebenheit (da etwas geschieht) heraus, aber nicht zu der Anschauung, die den Begriff der Ursache in concreto darstellt, sondern zu den Zeitbedingungen überhaupt, die in der Erfahrung dem Begriffe der Ursache gemäß gefunden werden möch- ten. Ich verfahre also blos nach Begriffen und kan nicht durch Construction der Begriffe verfahren, weil der Be- griff eine Regel der Synthesis der Wahrnehmungen ist, die keine reine Anschauungen sind, und sich also a priori nicht geben lassen.
Methodenlehre I. Hauptſt. I. Abſch.
tiſche, aber empiriſche Saͤtze an die Hand geben werden. Den mathematiſchen Begriff eines Triangels wuͤrde ich con- ſtruiren, d. i. a priori in der Anſchauung geben und auf dieſem Wege eine ſynthetiſche, aber rationale Erkentniß bekommen. Aber, wenn mir der transſcendentale Be- griff einer Realitaͤt, Subſtanz, Kraft ꝛc. gegeben iſt, ſo bezeichnet er weder eine empiriſche, noch reine Anſchauung, ſondern lediglich die Syntheſis der empiriſchen Anſchauun- gen (die alſo a priori nicht gegeben werden koͤnnen), und es kan alſo aus ihm, weil die Syntheſis nicht a priori zu der Anſchauung, die ihm correſpondirt, hinausgehen kan, auch kein beſtimmender ſynthetiſcher Satz, ſondern nur ein Grundſatz der Syntheſis*) moͤglicher empiriſcher An- ſchauungen entſpringen. Alſo iſt ein transſcendentaler Satz ein ſynthetiſches Vernunfterkentniß nach bloſſen Be- griffen und mithin discurſiv, indem dadurch alle ſyntheti- ſche Einheit der empiriſchen Erkentniß allererſt moͤglich, keine Anſchauung aber dadurch a priori gegeben wird.
So
*) Vermittelſt des Begriffs der Urſache gehe ich wirklich aus dem empiriſchen Begriffe von einer Begebenheit (da etwas geſchieht) heraus, aber nicht zu der Anſchauung, die den Begriff der Urſache in concreto darſtellt, ſondern zu den Zeitbedingungen uͤberhaupt, die in der Erfahrung dem Begriffe der Urſache gemaͤß gefunden werden moͤch- ten. Ich verfahre alſo blos nach Begriffen und kan nicht durch Conſtruction der Begriffe verfahren, weil der Be- griff eine Regel der Syntheſis der Wahrnehmungen iſt, die keine reine Anſchauungen ſind, und ſich alſo a priori nicht geben laſſen.
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Methodenlehre I. Hauptſt. I. Abſch.
tiſche, aber empiriſche Saͤtze an die Hand geben werden.
Den mathematiſchen Begriff eines Triangels wuͤrde ich con-
ſtruiren, d. i. a priori in der Anſchauung geben und auf
dieſem Wege eine ſynthetiſche, aber rationale Erkentniß
bekommen. Aber, wenn mir der transſcendentale Be-
griff einer Realitaͤt, Subſtanz, Kraft ꝛc. gegeben iſt, ſo
bezeichnet er weder eine empiriſche, noch reine Anſchauung,
ſondern lediglich die Syntheſis der empiriſchen Anſchauun-
gen (die alſo a priori nicht gegeben werden koͤnnen), und
es kan alſo aus ihm, weil die Syntheſis nicht a priori
zu der Anſchauung, die ihm correſpondirt, hinausgehen kan,
auch kein beſtimmender ſynthetiſcher Satz, ſondern nur
ein Grundſatz der Syntheſis *) moͤglicher empiriſcher An-
ſchauungen entſpringen. Alſo iſt ein transſcendentaler
Satz ein ſynthetiſches Vernunfterkentniß nach bloſſen Be-
griffen und mithin discurſiv, indem dadurch alle ſyntheti-
ſche Einheit der empiriſchen Erkentniß allererſt moͤglich,
keine Anſchauung aber dadurch a priori gegeben wird.
So
*) Vermittelſt des Begriffs der Urſache gehe ich wirklich
aus dem empiriſchen Begriffe von einer Begebenheit (da
etwas geſchieht) heraus, aber nicht zu der Anſchauung,
die den Begriff der Urſache in concreto darſtellt, ſondern
zu den Zeitbedingungen uͤberhaupt, die in der Erfahrung
dem Begriffe der Urſache gemaͤß gefunden werden moͤch-
ten. Ich verfahre alſo blos nach Begriffen und kan nicht
durch Conſtruction der Begriffe verfahren, weil der Be-
griff eine Regel der Syntheſis der Wahrnehmungen iſt, die
keine reine Anſchauungen ſind, und ſich alſo a priori nicht
geben laſſen.
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 722. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/752>, abgerufen am 29.06.2024.
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