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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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VII. Absch. Critik aller speculativen Theologie.
theologie) in die Augen. Denn da dienen alle sich in der
Natur zeigende, oft nur von uns selbst dazu gemachte
Zwecke dazu, es uns in der Erforschung der Ursachen recht
bequem zu machen, nemlich, anstatt sie in den allgemeinen
Gesetzen des Mechanismus der Materie zu suchen, sich ge-
radezu auf den unerforschlichen Rathschluß der höchsten
Weisheit zu berufen, und die Vernunftbemühung alsdenn
vor vollendet anzusehen, wenn man sich ihres Gebrauchs
überhebt, der doch nirgend einen Leitfaden findet, als wo
ihn uns die Ordnung der Natur und die Reihe der Ver-
änderungen, nach ihren inneren und allgemeinern Gese-
tzen, an die Hand giebt. Dieser Fehler kan vermieden
werden, wenn wir nicht blos einige Naturstücke, als z. B.
die Vertheilung des festen Landes, das Bauwerk desselben
und die Beschaffenheit und Lage der Gebirge, oder wol
gar nur die Organisation im Gewächs- und Thierreiche
aus dem Gesichtspuncte der Zwecke betrachten, sondern
diese systematische Einheit der Natur, in Beziehung auf
die Idee einer höchsten Intelligenz, ganz allgemein ma-
chen. Denn alsdenn legen wir eine Zweckmässigkeit nach
allgemeinen Gesetzen der Natur zum Grunde, von denen
keine besondere Einrichtung ausgenommen, sondern nur
mehr oder weniger kentlich vor uns ausgezeichnet worden,
und haben ein regulatives Princip der systematischen Ein-
heit einer teleologischen Verknüpfung, die wir aber nicht
zum voraus bestimmen, sondern nur in Erwartung dersel-

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VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie.
theologie) in die Augen. Denn da dienen alle ſich in der
Natur zeigende, oft nur von uns ſelbſt dazu gemachte
Zwecke dazu, es uns in der Erforſchung der Urſachen recht
bequem zu machen, nemlich, anſtatt ſie in den allgemeinen
Geſetzen des Mechanismus der Materie zu ſuchen, ſich ge-
radezu auf den unerforſchlichen Rathſchluß der hoͤchſten
Weisheit zu berufen, und die Vernunftbemuͤhung alsdenn
vor vollendet anzuſehen, wenn man ſich ihres Gebrauchs
uͤberhebt, der doch nirgend einen Leitfaden findet, als wo
ihn uns die Ordnung der Natur und die Reihe der Ver-
aͤnderungen, nach ihren inneren und allgemeinern Geſe-
tzen, an die Hand giebt. Dieſer Fehler kan vermieden
werden, wenn wir nicht blos einige Naturſtuͤcke, als z. B.
die Vertheilung des feſten Landes, das Bauwerk deſſelben
und die Beſchaffenheit und Lage der Gebirge, oder wol
gar nur die Organiſation im Gewaͤchs- und Thierreiche
aus dem Geſichtspuncte der Zwecke betrachten, ſondern
dieſe ſyſtematiſche Einheit der Natur, in Beziehung auf
die Idee einer hoͤchſten Intelligenz, ganz allgemein ma-
chen. Denn alsdenn legen wir eine Zweckmaͤſſigkeit nach
allgemeinen Geſetzen der Natur zum Grunde, von denen
keine beſondere Einrichtung ausgenommen, ſondern nur
mehr oder weniger kentlich vor uns ausgezeichnet worden,
und haben ein regulatives Princip der ſyſtematiſchen Ein-
heit einer teleologiſchen Verknuͤpfung, die wir aber nicht
zum voraus beſtimmen, ſondern nur in Erwartung derſel-

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[691/0721] VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie. theologie) in die Augen. Denn da dienen alle ſich in der Natur zeigende, oft nur von uns ſelbſt dazu gemachte Zwecke dazu, es uns in der Erforſchung der Urſachen recht bequem zu machen, nemlich, anſtatt ſie in den allgemeinen Geſetzen des Mechanismus der Materie zu ſuchen, ſich ge- radezu auf den unerforſchlichen Rathſchluß der hoͤchſten Weisheit zu berufen, und die Vernunftbemuͤhung alsdenn vor vollendet anzuſehen, wenn man ſich ihres Gebrauchs uͤberhebt, der doch nirgend einen Leitfaden findet, als wo ihn uns die Ordnung der Natur und die Reihe der Ver- aͤnderungen, nach ihren inneren und allgemeinern Geſe- tzen, an die Hand giebt. Dieſer Fehler kan vermieden werden, wenn wir nicht blos einige Naturſtuͤcke, als z. B. die Vertheilung des feſten Landes, das Bauwerk deſſelben und die Beſchaffenheit und Lage der Gebirge, oder wol gar nur die Organiſation im Gewaͤchs- und Thierreiche aus dem Geſichtspuncte der Zwecke betrachten, ſondern dieſe ſyſtematiſche Einheit der Natur, in Beziehung auf die Idee einer hoͤchſten Intelligenz, ganz allgemein ma- chen. Denn alsdenn legen wir eine Zweckmaͤſſigkeit nach allgemeinen Geſetzen der Natur zum Grunde, von denen keine beſondere Einrichtung ausgenommen, ſondern nur mehr oder weniger kentlich vor uns ausgezeichnet worden, und haben ein regulatives Princip der ſyſtematiſchen Ein- heit einer teleologiſchen Verknuͤpfung, die wir aber nicht zum voraus beſtimmen, ſondern nur in Erwartung derſel- ben X x 2

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/721>, abgerufen am 22.11.2024.