eines und desselben beharrlichen Wesens zu betrachten, und alle Erscheinungen im Raume, als von den Handlungen des Denkens ganz unterschieden vorzustellen. Jene Ein- fachheit der Substanz etc. solte nur das Schema zu diesem regulativen Princip seyn und wird nicht vorausgesezt, als sey sie der wirkliche Grund der Seeleneigenschaften. Denn diese können auch auf ganz anderen Gründen beruhen, die wir gar nicht kennen, wie wir denn die Seele auch durch diese angenommene Prädicate eigentlich nicht an sich selbst erkennen könten, wenn wir sie gleich von ihr schlechthin wolten gelten lassen, indem sie eine blosse Idee ausmachen, die in concreto gar nicht vorgestellet werden kan. Aus einer solchen psychologischen Idee kan nun nichts anders als Vortheil entspringen, wenn man sich nur hütet, sie vor etwas mehr als blosse Idee, d. i. blos relativisch auf den systematischen Vernunftsgebrauch in Ansehung der Er- scheinungen unserer Seele, gelten zu lassen. Denn, da mengen sich keine empirische Gesetze körperlicher Erschei- nungen, die ganz von anderer Art seyn, in die Erklärun- gen dessen, was blos vor den inneren Sinn gehöret, da werden keine windige Hypothesen, von Erzeugung, Zer- stöhrung und Palingenesie der Seelen etc. zugelassen, also die Betrachtung dieses Gegenstandes des inneren Sinnes ganz rein und unvermengt mit ungleichartigen Eigenschaf- ten angestellet, überdem die Vernunftuntersuchung darauf gerichtet, die Erklärungsgründe in diesem Subiecte, so weit es möglich ist, auf ein einziges Princip hinaus zu
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VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie.
eines und deſſelben beharrlichen Weſens zu betrachten, und alle Erſcheinungen im Raume, als von den Handlungen des Denkens ganz unterſchieden vorzuſtellen. Jene Ein- fachheit der Subſtanz ꝛc. ſolte nur das Schema zu dieſem regulativen Princip ſeyn und wird nicht vorausgeſezt, als ſey ſie der wirkliche Grund der Seeleneigenſchaften. Denn dieſe koͤnnen auch auf ganz anderen Gruͤnden beruhen, die wir gar nicht kennen, wie wir denn die Seele auch durch dieſe angenommene Praͤdicate eigentlich nicht an ſich ſelbſt erkennen koͤnten, wenn wir ſie gleich von ihr ſchlechthin wolten gelten laſſen, indem ſie eine bloſſe Idee ausmachen, die in concreto gar nicht vorgeſtellet werden kan. Aus einer ſolchen pſychologiſchen Idee kan nun nichts anders als Vortheil entſpringen, wenn man ſich nur huͤtet, ſie vor etwas mehr als bloſſe Idee, d. i. blos relativiſch auf den ſyſtematiſchen Vernunftsgebrauch in Anſehung der Er- ſcheinungen unſerer Seele, gelten zu laſſen. Denn, da mengen ſich keine empiriſche Geſetze koͤrperlicher Erſchei- nungen, die ganz von anderer Art ſeyn, in die Erklaͤrun- gen deſſen, was blos vor den inneren Sinn gehoͤret, da werden keine windige Hypotheſen, von Erzeugung, Zer- ſtoͤhrung und Palingeneſie der Seelen ꝛc. zugelaſſen, alſo die Betrachtung dieſes Gegenſtandes des inneren Sinnes ganz rein und unvermengt mit ungleichartigen Eigenſchaf- ten angeſtellet, uͤberdem die Vernunftunterſuchung darauf gerichtet, die Erklaͤrungsgruͤnde in dieſem Subiecte, ſo weit es moͤglich iſt, auf ein einziges Princip hinaus zu
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VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie.
eines und deſſelben beharrlichen Weſens zu betrachten, und
alle Erſcheinungen im Raume, als von den Handlungen
des Denkens ganz unterſchieden vorzuſtellen. Jene Ein-
fachheit der Subſtanz ꝛc. ſolte nur das Schema zu dieſem
regulativen Princip ſeyn und wird nicht vorausgeſezt, als
ſey ſie der wirkliche Grund der Seeleneigenſchaften. Denn
dieſe koͤnnen auch auf ganz anderen Gruͤnden beruhen, die
wir gar nicht kennen, wie wir denn die Seele auch durch
dieſe angenommene Praͤdicate eigentlich nicht an ſich ſelbſt
erkennen koͤnten, wenn wir ſie gleich von ihr ſchlechthin
wolten gelten laſſen, indem ſie eine bloſſe Idee ausmachen,
die in concreto gar nicht vorgeſtellet werden kan. Aus
einer ſolchen pſychologiſchen Idee kan nun nichts anders
als Vortheil entſpringen, wenn man ſich nur huͤtet, ſie
vor etwas mehr als bloſſe Idee, d. i. blos relativiſch auf
den ſyſtematiſchen Vernunftsgebrauch in Anſehung der Er-
ſcheinungen unſerer Seele, gelten zu laſſen. Denn, da
mengen ſich keine empiriſche Geſetze koͤrperlicher Erſchei-
nungen, die ganz von anderer Art ſeyn, in die Erklaͤrun-
gen deſſen, was blos vor den inneren Sinn gehoͤret, da
werden keine windige Hypotheſen, von Erzeugung, Zer-
ſtoͤhrung und Palingeneſie der Seelen ꝛc. zugelaſſen, alſo
die Betrachtung dieſes Gegenſtandes des inneren Sinnes
ganz rein und unvermengt mit ungleichartigen Eigenſchaf-
ten angeſtellet, uͤberdem die Vernunftunterſuchung darauf
gerichtet, die Erklaͤrungsgruͤnde in dieſem Subiecte, ſo
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 683. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/713>, abgerufen am 22.11.2024.
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