Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst.
strittige Interesse zu vereinigen und die Vernunft hierüber zufrieden zu stellen.
Eben so ist es mit der Behauptung, oder Anfech- tung des so berufenen, von Leibnitz in Gang gebrachten und durch Bonnet treflich aufgestutzten Gesetzes der conti- nuirlichen Stufenleiter der Geschöpfe bewandt, welche nichts als eine Befolgung des auf dem Interesse der Ver- nunft beruhenden Grundsatzes der Affinität ist; denn Beob- achtung und Einsicht in die Einrichtung der Natur konte es gar nicht als obiective Behauptung an die Hand geben. Die Sprossen einer solchen Leiter, so wie sie uns Erfah- rung angeben kan, stehen viel zu weit aus einander und unsere vermeintlichkleine Unterschiede sind gemeiniglich in der Natur selbst so weite Klüfte, daß auf solche Beobach- tungen (vornemlich bey einer grossen Mannigfaltigkeit von Dingen, da es immer leicht seyn muß, gewisse Aehnlich- keiten und Annäherungen zu finden), als Absichten der Natur gar nichts zu rechnen ist. Dagegen ist die Metho- de, nach einem solchen Princip Ordnung in der Natur auf- zusuchen, und die Maxime, eine solche, obzwar unbestimt wo, oder wie weit, in einer Natur überhaupt als gegrün- det anzusehen, allerdings ein rechtmässiges und trefliches regulatives Princip der Vernunft, welches aber, als ein solches, viel weiter geht, als daß Erfahrung oder Beobach- tung ihr gleich kommen könte, doch ohne etwas zu bestim- men, sondern ihr nur zur systematischen Einheit den Weg vorzuzeichnen.
Von
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
ſtrittige Intereſſe zu vereinigen und die Vernunft hieruͤber zufrieden zu ſtellen.
Eben ſo iſt es mit der Behauptung, oder Anfech- tung des ſo berufenen, von Leibnitz in Gang gebrachten und durch Bonnet treflich aufgeſtutzten Geſetzes der conti- nuirlichen Stufenleiter der Geſchoͤpfe bewandt, welche nichts als eine Befolgung des auf dem Intereſſe der Ver- nunft beruhenden Grundſatzes der Affinitaͤt iſt; denn Beob- achtung und Einſicht in die Einrichtung der Natur konte es gar nicht als obiective Behauptung an die Hand geben. Die Sproſſen einer ſolchen Leiter, ſo wie ſie uns Erfah- rung angeben kan, ſtehen viel zu weit aus einander und unſere vermeintlichkleine Unterſchiede ſind gemeiniglich in der Natur ſelbſt ſo weite Kluͤfte, daß auf ſolche Beobach- tungen (vornemlich bey einer groſſen Mannigfaltigkeit von Dingen, da es immer leicht ſeyn muß, gewiſſe Aehnlich- keiten und Annaͤherungen zu finden), als Abſichten der Natur gar nichts zu rechnen iſt. Dagegen iſt die Metho- de, nach einem ſolchen Princip Ordnung in der Natur auf- zuſuchen, und die Maxime, eine ſolche, obzwar unbeſtimt wo, oder wie weit, in einer Natur uͤberhaupt als gegruͤn- det anzuſehen, allerdings ein rechtmaͤſſiges und trefliches regulatives Princip der Vernunft, welches aber, als ein ſolches, viel weiter geht, als daß Erfahrung oder Beobach- tung ihr gleich kommen koͤnte, doch ohne etwas zu beſtim- men, ſondern ihr nur zur ſyſtematiſchen Einheit den Weg vorzuzeichnen.
Von
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
ſtrittige Intereſſe zu vereinigen und die Vernunft hieruͤber
zufrieden zu ſtellen.
Eben ſo iſt es mit der Behauptung, oder Anfech-
tung des ſo berufenen, von Leibnitz in Gang gebrachten
und durch Bonnet treflich aufgeſtutzten Geſetzes der conti-
nuirlichen Stufenleiter der Geſchoͤpfe bewandt, welche
nichts als eine Befolgung des auf dem Intereſſe der Ver-
nunft beruhenden Grundſatzes der Affinitaͤt iſt; denn Beob-
achtung und Einſicht in die Einrichtung der Natur konte
es gar nicht als obiective Behauptung an die Hand geben.
Die Sproſſen einer ſolchen Leiter, ſo wie ſie uns Erfah-
rung angeben kan, ſtehen viel zu weit aus einander und
unſere vermeintlichkleine Unterſchiede ſind gemeiniglich in
der Natur ſelbſt ſo weite Kluͤfte, daß auf ſolche Beobach-
tungen (vornemlich bey einer groſſen Mannigfaltigkeit von
Dingen, da es immer leicht ſeyn muß, gewiſſe Aehnlich-
keiten und Annaͤherungen zu finden), als Abſichten der
Natur gar nichts zu rechnen iſt. Dagegen iſt die Metho-
de, nach einem ſolchen Princip Ordnung in der Natur auf-
zuſuchen, und die Maxime, eine ſolche, obzwar unbeſtimt
wo, oder wie weit, in einer Natur uͤberhaupt als gegruͤn-
det anzuſehen, allerdings ein rechtmaͤſſiges und trefliches
regulatives Princip der Vernunft, welches aber, als ein
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 668. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/698>, abgerufen am 22.11.2024.
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