Gegenständen selbst, sondern blos am Subiecte, welches sie anschauet.
Die Ursache aber, weswegen dieser Einwurff so ein- stimmig gemacht wird, und zwar von denen, die gleichwol gegen die Lehre von der Idealität des Raumes nichts Ein- leuchtendes einzuwenden wissen, ist diese. Die absolute Realität des Raumes hoffeten sie nicht apodictisch darthun zu können, weil ihnen der Idealismus entgegen steht, nach welchem die Wirklichkeit äusserer Gegenstände keines strengen Beweises fähig ist: Dagegen die des Gegenstandes unserer innern Sinnen (meiner selbst und meines Zustan- des) unmittelbar durchs Bewußtseyn klar ist. Jene kon- ten ein blosser Schein seyn, dieser aber ist, ihrer Meinung nach, unleugbar etwas wirkliches. Sie bedachten aber nicht, daß beyde, ohne daß man ihre Wirklichkeit als Vorstellungen bestreiten darf, gleichwol nur zur Erschei- nung gehören, welche iederzeit zwey Seiten hat, die eine, da das Obiect an sich selbst betrachtet wird, (unangesehen der Art, dasselbe anzuschauen, dessen Beschaffenheit aber eben darum iederzeit problematisch bleibt) die andere, da auf die Form der Anschauung dieses Gegenstandes gesehen wird, welche nicht in dem Gegenstande an sich selbst, son- dern im Subiecte, dem derselbe erscheint, gesucht werden muß, gleichwohl aber der Erscheinung dieses Gegenstandes wirklich und nothwendig zukommt.
Zeit und Raum sind demnach zwey Erkenntnißquellen, aus denen a priori verschiedene synthetische Erkenntnisse
ge-
Elementarlehre. I. Th. Transſc. Aeſthetik.
Gegenſtaͤnden ſelbſt, ſondern blos am Subiecte, welches ſie anſchauet.
Die Urſache aber, weswegen dieſer Einwurff ſo ein- ſtimmig gemacht wird, und zwar von denen, die gleichwol gegen die Lehre von der Idealitaͤt des Raumes nichts Ein- leuchtendes einzuwenden wiſſen, iſt dieſe. Die abſolute Realitaͤt des Raumes hoffeten ſie nicht apodictiſch darthun zu koͤnnen, weil ihnen der Idealismus entgegen ſteht, nach welchem die Wirklichkeit aͤuſſerer Gegenſtaͤnde keines ſtrengen Beweiſes faͤhig iſt: Dagegen die des Gegenſtandes unſerer innern Sinnen (meiner ſelbſt und meines Zuſtan- des) unmittelbar durchs Bewußtſeyn klar iſt. Jene kon- ten ein bloſſer Schein ſeyn, dieſer aber iſt, ihrer Meinung nach, unleugbar etwas wirkliches. Sie bedachten aber nicht, daß beyde, ohne daß man ihre Wirklichkeit als Vorſtellungen beſtreiten darf, gleichwol nur zur Erſchei- nung gehoͤren, welche iederzeit zwey Seiten hat, die eine, da das Obiect an ſich ſelbſt betrachtet wird, (unangeſehen der Art, daſſelbe anzuſchauen, deſſen Beſchaffenheit aber eben darum iederzeit problematiſch bleibt) die andere, da auf die Form der Anſchauung dieſes Gegenſtandes geſehen wird, welche nicht in dem Gegenſtande an ſich ſelbſt, ſon- dern im Subiecte, dem derſelbe erſcheint, geſucht werden muß, gleichwohl aber der Erſcheinung dieſes Gegenſtandes wirklich und nothwendig zukommt.
Zeit und Raum ſind demnach zwey Erkenntnißquellen, aus denen a priori verſchiedene ſynthetiſche Erkenntniſſe
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Elementarlehre. I. Th. Transſc. Aeſthetik.
Gegenſtaͤnden ſelbſt, ſondern blos am Subiecte, welches
ſie anſchauet.
Die Urſache aber, weswegen dieſer Einwurff ſo ein-
ſtimmig gemacht wird, und zwar von denen, die gleichwol
gegen die Lehre von der Idealitaͤt des Raumes nichts Ein-
leuchtendes einzuwenden wiſſen, iſt dieſe. Die abſolute
Realitaͤt des Raumes hoffeten ſie nicht apodictiſch darthun
zu koͤnnen, weil ihnen der Idealismus entgegen ſteht,
nach welchem die Wirklichkeit aͤuſſerer Gegenſtaͤnde keines
ſtrengen Beweiſes faͤhig iſt: Dagegen die des Gegenſtandes
unſerer innern Sinnen (meiner ſelbſt und meines Zuſtan-
des) unmittelbar durchs Bewußtſeyn klar iſt. Jene kon-
ten ein bloſſer Schein ſeyn, dieſer aber iſt, ihrer Meinung
nach, unleugbar etwas wirkliches. Sie bedachten aber
nicht, daß beyde, ohne daß man ihre Wirklichkeit als
Vorſtellungen beſtreiten darf, gleichwol nur zur Erſchei-
nung gehoͤren, welche iederzeit zwey Seiten hat, die eine,
da das Obiect an ſich ſelbſt betrachtet wird, (unangeſehen
der Art, daſſelbe anzuſchauen, deſſen Beſchaffenheit aber
eben darum iederzeit problematiſch bleibt) die andere, da
auf die Form der Anſchauung dieſes Gegenſtandes geſehen
wird, welche nicht in dem Gegenſtande an ſich ſelbſt, ſon-
dern im Subiecte, dem derſelbe erſcheint, geſucht werden
muß, gleichwohl aber der Erſcheinung dieſes Gegenſtandes
wirklich und nothwendig zukommt.
Zeit und Raum ſind demnach zwey Erkenntnißquellen,
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/68>, abgerufen am 23.11.2024.
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