Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst.
Nothwendigkeit seiner Natur, oder durch Freiheit, bleibt
unentschieden), diesen einen Welturheber vor.

Die transscendentale Theologie ist entweder dieienige,
welche das Daseyn des Urwesens von einer Erfahrung über-
haupt (ohne über die Welt, wozu sie gehöret, etwas nä-
her zu bestimmen), abzuleiten gedenkt und heißt Cosmo-
theologie
, oder glaubt durch blosse Begriffe, ohne Beihülfe
der mindesten Erfahrung, sein Daseyn zu erkennen und
wird Ontotheologie genant.

Die natürliche Theologie schließt auf die Eigen-
schaften und das Daseyn eines Welturhebers, aus der
Beschaffenheit, der Ordnung und Einheit, die in dieser
Welt angetroffen wird, in welcher zweierley Caussalität
und deren Regel angenommen werden muß, nemlich Na-
tur und Freiheit. Daher steigt sie von dieser Welt zur
höchsten Intelligenz auf, entweder als dem Princip aller
natürlichen, oder aller sittlichen Ordnung und Vollkom-
menheit. Im ersteren Falle heißt sie Physicotheologie,
im lezten Moraltheologie*).

Da man unter dem Begriffe von Gott nicht etwa
blos eine blindwirkende ewige Natur, als die Wurzel der
Dinge, sondern ein höchstes Wesen, das durch Verstand

und
*) Nicht theologische Moral; denn die enthält sittliche Ge-
setze, welche das Daseyn eines höchsten Weltregierers
voraussetzen, dahingegen die Moraltheologie eine Ueber-
zeugung vom Daseyn eines höchsten Wesens ist, welche
auf sittliche Gesetze gegründet ist.

Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
Nothwendigkeit ſeiner Natur, oder durch Freiheit, bleibt
unentſchieden), dieſen einen Welturheber vor.

Die transſcendentale Theologie iſt entweder dieienige,
welche das Daſeyn des Urweſens von einer Erfahrung uͤber-
haupt (ohne uͤber die Welt, wozu ſie gehoͤret, etwas naͤ-
her zu beſtimmen), abzuleiten gedenkt und heißt Cosmo-
theologie
, oder glaubt durch bloſſe Begriffe, ohne Beihuͤlfe
der mindeſten Erfahrung, ſein Daſeyn zu erkennen und
wird Ontotheologie genant.

Die natuͤrliche Theologie ſchließt auf die Eigen-
ſchaften und das Daſeyn eines Welturhebers, aus der
Beſchaffenheit, der Ordnung und Einheit, die in dieſer
Welt angetroffen wird, in welcher zweierley Cauſſalitaͤt
und deren Regel angenommen werden muß, nemlich Na-
tur und Freiheit. Daher ſteigt ſie von dieſer Welt zur
hoͤchſten Intelligenz auf, entweder als dem Princip aller
natuͤrlichen, oder aller ſittlichen Ordnung und Vollkom-
menheit. Im erſteren Falle heißt ſie Phyſicotheologie,
im lezten Moraltheologie*).

Da man unter dem Begriffe von Gott nicht etwa
blos eine blindwirkende ewige Natur, als die Wurzel der
Dinge, ſondern ein hoͤchſtes Weſen, das durch Verſtand

und
*) Nicht theologiſche Moral; denn die enthaͤlt ſittliche Ge-
ſetze, welche das Daſeyn eines hoͤchſten Weltregierers
vorausſetzen, dahingegen die Moraltheologie eine Ueber-
zeugung vom Daſeyn eines hoͤchſten Weſens iſt, welche
auf ſittliche Geſetze gegruͤndet iſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0662" n="632"/><fw place="top" type="header">Elementarl. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II.</hi> Buch. <hi rendition="#aq">III.</hi> Haupt&#x017F;t.</fw><lb/>
Nothwendigkeit &#x017F;einer Natur, oder durch Freiheit, bleibt<lb/>
unent&#x017F;chieden), die&#x017F;en einen <hi rendition="#fr">Welturheber</hi> vor.</p><lb/>
                      <p>Die trans&#x017F;cendentale Theologie i&#x017F;t entweder dieienige,<lb/>
welche das Da&#x017F;eyn des Urwe&#x017F;ens von einer Erfahrung u&#x0364;ber-<lb/>
haupt (ohne u&#x0364;ber die Welt, wozu &#x017F;ie geho&#x0364;ret, etwas na&#x0364;-<lb/>
her zu be&#x017F;timmen), abzuleiten gedenkt und heißt <hi rendition="#fr">Cosmo-<lb/>
theologie</hi>, oder glaubt durch blo&#x017F;&#x017F;e Begriffe, ohne Beihu&#x0364;lfe<lb/>
der minde&#x017F;ten Erfahrung, &#x017F;ein Da&#x017F;eyn zu erkennen und<lb/>
wird <hi rendition="#fr">Ontotheologie</hi> genant.</p><lb/>
                      <p>Die <hi rendition="#fr">natu&#x0364;rliche Theologie</hi> &#x017F;chließt auf die Eigen-<lb/>
&#x017F;chaften und das Da&#x017F;eyn eines Welturhebers, aus der<lb/>
Be&#x017F;chaffenheit, der Ordnung und Einheit, die in die&#x017F;er<lb/>
Welt angetroffen wird, in welcher zweierley Cau&#x017F;&#x017F;alita&#x0364;t<lb/>
und deren Regel angenommen werden muß, nemlich Na-<lb/>
tur und Freiheit. Daher &#x017F;teigt &#x017F;ie von die&#x017F;er Welt zur<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Intelligenz auf, entweder als dem Princip aller<lb/>
natu&#x0364;rlichen, oder aller &#x017F;ittlichen Ordnung und Vollkom-<lb/>
menheit. Im er&#x017F;teren Falle heißt &#x017F;ie <hi rendition="#fr">Phy&#x017F;icotheologie</hi>,<lb/>
im lezten <hi rendition="#fr">Moraltheologie</hi><note place="foot" n="*)">Nicht theologi&#x017F;che Moral; denn die entha&#x0364;lt &#x017F;ittliche Ge-<lb/>
&#x017F;etze, welche das Da&#x017F;eyn eines ho&#x0364;ch&#x017F;ten Weltregierers<lb/>
voraus&#x017F;etzen, dahingegen die Moraltheologie eine Ueber-<lb/>
zeugung vom Da&#x017F;eyn eines ho&#x0364;ch&#x017F;ten We&#x017F;ens i&#x017F;t, welche<lb/>
auf &#x017F;ittliche Ge&#x017F;etze gegru&#x0364;ndet i&#x017F;t.</note>.</p><lb/>
                      <p>Da man unter dem Begriffe von Gott nicht etwa<lb/>
blos eine blindwirkende ewige Natur, als die Wurzel der<lb/>
Dinge, &#x017F;ondern ein ho&#x0364;ch&#x017F;tes We&#x017F;en, das durch Ver&#x017F;tand<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[632/0662] Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt. Nothwendigkeit ſeiner Natur, oder durch Freiheit, bleibt unentſchieden), dieſen einen Welturheber vor. Die transſcendentale Theologie iſt entweder dieienige, welche das Daſeyn des Urweſens von einer Erfahrung uͤber- haupt (ohne uͤber die Welt, wozu ſie gehoͤret, etwas naͤ- her zu beſtimmen), abzuleiten gedenkt und heißt Cosmo- theologie, oder glaubt durch bloſſe Begriffe, ohne Beihuͤlfe der mindeſten Erfahrung, ſein Daſeyn zu erkennen und wird Ontotheologie genant. Die natuͤrliche Theologie ſchließt auf die Eigen- ſchaften und das Daſeyn eines Welturhebers, aus der Beſchaffenheit, der Ordnung und Einheit, die in dieſer Welt angetroffen wird, in welcher zweierley Cauſſalitaͤt und deren Regel angenommen werden muß, nemlich Na- tur und Freiheit. Daher ſteigt ſie von dieſer Welt zur hoͤchſten Intelligenz auf, entweder als dem Princip aller natuͤrlichen, oder aller ſittlichen Ordnung und Vollkom- menheit. Im erſteren Falle heißt ſie Phyſicotheologie, im lezten Moraltheologie *). Da man unter dem Begriffe von Gott nicht etwa blos eine blindwirkende ewige Natur, als die Wurzel der Dinge, ſondern ein hoͤchſtes Weſen, das durch Verſtand und *) Nicht theologiſche Moral; denn die enthaͤlt ſittliche Ge- ſetze, welche das Daſeyn eines hoͤchſten Weltregierers vorausſetzen, dahingegen die Moraltheologie eine Ueber- zeugung vom Daſeyn eines hoͤchſten Weſens iſt, welche auf ſittliche Geſetze gegruͤndet iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/662
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/662>, abgerufen am 22.11.2024.