V. Absch. Unmöglichkeit eines cosmol. Beweises etc.
erkennen wolte, gleichwol aber seinen Schlüssen, obzwar verstekter Weise, unterlegte.
So ist denn der zweite Weg, den die speculative Vernunft nimt, um das Daseyn des höchsten Wesens zu beweisen, nicht allein mit dem ersten gleich trüglich, son- dern hat noch dieses tadelhafte an sich, daß er eine igno- ratio elenchi begeht, indem er uns verheißt, einen neuen Fußsteig zu führen, aber, nach einem kleinen Umschweif, uns wiederum auf den alten zurück bringt, den wir seinet- wegen verlassen hatten.
Ich habe kurz vorher gesagt: daß in diesem cosmo- logischen Argumente sich ein ganzes Nest von dialectischen Anmassungen verborgen halte, welches die transscenden- tale Critik leicht entdecken und zerstöhren kan. Ich will sie iezt nur anführen und es dem schon geübten Leser über- lassen, den trüglichen Grundsätzen weiter nachzuforschen und sie aufzuheben.
Da befindet sich denn z. B. 1. der transscendentale Grundsatz: vom Zufälligen auf eine Ursache zu schliessen, welcher nur in der Sinnenwelt von Bedeutung ist, ausser- halb derselben aber auch nicht einmal einen Sinn hat. Denn der blos intellectuelle Begriff des Zufälligen kan gar keinen synthetischen Satz, wie den der Caussalität, her- vorbringen, und der Grundsatz der lezteren hat gar keine Bedeutung und kein Merkmal seines Gebrauchs, als nur in der Sinnenwelt; hier aber solte er gerade dazu dienen, um über die Sinnenwelt hinaus zu kommen. 2. Der
Schluß,
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V. Abſch. Unmoͤglichkeit eines cosmol. Beweiſes ꝛc.
erkennen wolte, gleichwol aber ſeinen Schluͤſſen, obzwar verſtekter Weiſe, unterlegte.
So iſt denn der zweite Weg, den die ſpeculative Vernunft nimt, um das Daſeyn des hoͤchſten Weſens zu beweiſen, nicht allein mit dem erſten gleich truͤglich, ſon- dern hat noch dieſes tadelhafte an ſich, daß er eine igno- ratio elenchi begeht, indem er uns verheißt, einen neuen Fußſteig zu fuͤhren, aber, nach einem kleinen Umſchweif, uns wiederum auf den alten zuruͤck bringt, den wir ſeinet- wegen verlaſſen hatten.
Ich habe kurz vorher geſagt: daß in dieſem cosmo- logiſchen Argumente ſich ein ganzes Neſt von dialectiſchen Anmaſſungen verborgen halte, welches die transſcenden- tale Critik leicht entdecken und zerſtoͤhren kan. Ich will ſie iezt nur anfuͤhren und es dem ſchon geuͤbten Leſer uͤber- laſſen, den truͤglichen Grundſaͤtzen weiter nachzuforſchen und ſie aufzuheben.
Da befindet ſich denn z. B. 1. der transſcendentale Grundſatz: vom Zufaͤlligen auf eine Urſache zu ſchlieſſen, welcher nur in der Sinnenwelt von Bedeutung iſt, auſſer- halb derſelben aber auch nicht einmal einen Sinn hat. Denn der blos intellectuelle Begriff des Zufaͤlligen kan gar keinen ſynthetiſchen Satz, wie den der Cauſſalitaͤt, her- vorbringen, und der Grundſatz der lezteren hat gar keine Bedeutung und kein Merkmal ſeines Gebrauchs, als nur in der Sinnenwelt; hier aber ſolte er gerade dazu dienen, um uͤber die Sinnenwelt hinaus zu kommen. 2. Der
Schluß,
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V. Abſch. Unmoͤglichkeit eines cosmol. Beweiſes ꝛc.
erkennen wolte, gleichwol aber ſeinen Schluͤſſen, obzwar
verſtekter Weiſe, unterlegte.
So iſt denn der zweite Weg, den die ſpeculative
Vernunft nimt, um das Daſeyn des hoͤchſten Weſens zu
beweiſen, nicht allein mit dem erſten gleich truͤglich, ſon-
dern hat noch dieſes tadelhafte an ſich, daß er eine igno-
ratio elenchi begeht, indem er uns verheißt, einen neuen
Fußſteig zu fuͤhren, aber, nach einem kleinen Umſchweif,
uns wiederum auf den alten zuruͤck bringt, den wir ſeinet-
wegen verlaſſen hatten.
Ich habe kurz vorher geſagt: daß in dieſem cosmo-
logiſchen Argumente ſich ein ganzes Neſt von dialectiſchen
Anmaſſungen verborgen halte, welches die transſcenden-
tale Critik leicht entdecken und zerſtoͤhren kan. Ich will
ſie iezt nur anfuͤhren und es dem ſchon geuͤbten Leſer uͤber-
laſſen, den truͤglichen Grundſaͤtzen weiter nachzuforſchen
und ſie aufzuheben.
Da befindet ſich denn z. B. 1. der transſcendentale
Grundſatz: vom Zufaͤlligen auf eine Urſache zu ſchlieſſen,
welcher nur in der Sinnenwelt von Bedeutung iſt, auſſer-
halb derſelben aber auch nicht einmal einen Sinn hat.
Denn der blos intellectuelle Begriff des Zufaͤlligen kan gar
keinen ſynthetiſchen Satz, wie den der Cauſſalitaͤt, her-
vorbringen, und der Grundſatz der lezteren hat gar keine
Bedeutung und kein Merkmal ſeines Gebrauchs, als nur
in der Sinnenwelt; hier aber ſolte er gerade dazu dienen,
um uͤber die Sinnenwelt hinaus zu kommen. 2. Der
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/639>, abgerufen am 22.11.2024.
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