V. Absch. Unmöglichkeit eines cosmol. Beweises etc.
fahrung, der Obersatz die Schlußfolge aus einer Erfah- rung überhaupt auf das Daseyn des Nothwendigen*). Also hebt der Beweis eigentlich von der Erfahrung an, mithin ist er nicht gänzlich a priori geführt, oder ontolo- gisch, und weil der Gegenstand aller möglichen Erfahrung Welt heißt, so wird er darum der cosmologische Beweis genant. Da er auch von aller besondern Eigenschaft der Gegenstände der Erfahrung, dadurch sich diese Welt von ieder möglichen unterscheiden mag, abstrahirt: so wird er schon in seiner Benennung auch vom physicotheologi- schen Beweise unterschieden, welcher Beobachtungen der besonderen Beschaffenheit dieser unserer Sinnenwelt zu Beweisgründen braucht.
Nun schließt der Beweis weiter: das nothwendige Wesen kan nur auf eine einzige Art, d. i. in Ansehung aller möglichen entgegengesezten Prädicate nur durch eines derselben bestimt werden, folglich muß es durch seinen Begriff durchgängig bestimt seyn. Nun ist nur ein ein- ziger Begriff von einem Dinge möglich, der dasselbe a priori durchgängig bestimt, nemlich der des entis realis- simi: Also ist der Begriff des allerrealesten Wesens der
einzi-
*) Diese Schlußfolge ist zu bekant, als daß es nöthig wäre, sie hier weitläuftig vorzutragen. Sie beruht auf dem vermeintlich transscendentalen Naturgesetz der Caussalität: daß alles Zufällige seine Ursache habe, die, wenn sie wie- derum zufällig ist, eben sowol eine Ursache haben muß, bis die Reihe der einander untergeordneten Ursachen sich bey einer schlechthinnothwendigen Ursache endigen muß, ohne welche sie keine Vollständigkeit haben würde.
V. Abſch. Unmoͤglichkeit eines cosmol. Beweiſes ꝛc.
fahrung, der Oberſatz die Schlußfolge aus einer Erfah- rung uͤberhaupt auf das Daſeyn des Nothwendigen*). Alſo hebt der Beweis eigentlich von der Erfahrung an, mithin iſt er nicht gaͤnzlich a priori gefuͤhrt, oder ontolo- giſch, und weil der Gegenſtand aller moͤglichen Erfahrung Welt heißt, ſo wird er darum der cosmologiſche Beweis genant. Da er auch von aller beſondern Eigenſchaft der Gegenſtaͤnde der Erfahrung, dadurch ſich dieſe Welt von ieder moͤglichen unterſcheiden mag, abſtrahirt: ſo wird er ſchon in ſeiner Benennung auch vom phyſicotheologi- ſchen Beweiſe unterſchieden, welcher Beobachtungen der beſonderen Beſchaffenheit dieſer unſerer Sinnenwelt zu Beweisgruͤnden braucht.
Nun ſchließt der Beweis weiter: das nothwendige Weſen kan nur auf eine einzige Art, d. i. in Anſehung aller moͤglichen entgegengeſezten Praͤdicate nur durch eines derſelben beſtimt werden, folglich muß es durch ſeinen Begriff durchgaͤngig beſtimt ſeyn. Nun iſt nur ein ein- ziger Begriff von einem Dinge moͤglich, der daſſelbe a priori durchgaͤngig beſtimt, nemlich der des entis realiſ- ſimi: Alſo iſt der Begriff des allerrealeſten Weſens der
einzi-
*) Dieſe Schlußfolge iſt zu bekant, als daß es noͤthig waͤre, ſie hier weitlaͤuftig vorzutragen. Sie beruht auf dem vermeintlich transſcendentalen Naturgeſetz der Cauſſalitaͤt: daß alles Zufaͤllige ſeine Urſache habe, die, wenn ſie wie- derum zufaͤllig iſt, eben ſowol eine Urſache haben muß, bis die Reihe der einander untergeordneten Urſachen ſich bey einer ſchlechthinnothwendigen Urſache endigen muß, ohne welche ſie keine Vollſtaͤndigkeit haben wuͤrde.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><p><pbfacs="#f0635"n="605"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">V.</hi> Abſch. Unmoͤglichkeit eines cosmol. Beweiſes ꝛc.</fw><lb/>
fahrung, der Oberſatz die Schlußfolge aus einer Erfah-<lb/>
rung uͤberhaupt auf das Daſeyn des Nothwendigen<noteplace="foot"n="*)">Dieſe Schlußfolge iſt zu bekant, als daß es noͤthig waͤre,<lb/>ſie hier weitlaͤuftig vorzutragen. Sie beruht auf dem<lb/>
vermeintlich transſcendentalen Naturgeſetz der Cauſſalitaͤt:<lb/>
daß alles <hirendition="#fr">Zufaͤllige</hi>ſeine Urſache habe, die, wenn ſie wie-<lb/>
derum zufaͤllig iſt, eben ſowol eine Urſache haben muß,<lb/>
bis die Reihe der einander untergeordneten Urſachen ſich<lb/>
bey einer ſchlechthinnothwendigen Urſache endigen muß,<lb/>
ohne welche ſie keine Vollſtaͤndigkeit haben wuͤrde.</note>.<lb/>
Alſo hebt der Beweis eigentlich von der Erfahrung an,<lb/>
mithin iſt er nicht gaͤnzlich <hirendition="#aq">a priori</hi> gefuͤhrt, oder ontolo-<lb/>
giſch, und weil der Gegenſtand aller moͤglichen Erfahrung<lb/>
Welt heißt, ſo wird er darum der cosmologiſche Beweis<lb/>
genant. Da er auch von aller beſondern Eigenſchaft der<lb/>
Gegenſtaͤnde der Erfahrung, dadurch ſich dieſe Welt von<lb/>
ieder moͤglichen unterſcheiden mag, abſtrahirt: ſo wird<lb/>
er ſchon in ſeiner Benennung auch vom phyſicotheologi-<lb/>ſchen Beweiſe unterſchieden, welcher Beobachtungen der<lb/>
beſonderen Beſchaffenheit dieſer unſerer Sinnenwelt zu<lb/>
Beweisgruͤnden braucht.</p><lb/><p>Nun ſchließt der Beweis weiter: das nothwendige<lb/>
Weſen kan nur auf eine einzige Art, d. i. in Anſehung<lb/>
aller moͤglichen entgegengeſezten Praͤdicate nur durch eines<lb/>
derſelben beſtimt werden, folglich muß es durch ſeinen<lb/>
Begriff <hirendition="#fr">durchgaͤngig</hi> beſtimt ſeyn. Nun iſt nur ein ein-<lb/>
ziger Begriff von einem Dinge moͤglich, der daſſelbe <hirendition="#aq">a<lb/>
priori</hi> durchgaͤngig beſtimt, nemlich der des <hirendition="#aq">entis realiſ-<lb/>ſimi</hi>: Alſo iſt der Begriff des allerrealeſten Weſens der<lb/><fwplace="bottom"type="catch">einzi-</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[605/0635]
V. Abſch. Unmoͤglichkeit eines cosmol. Beweiſes ꝛc.
fahrung, der Oberſatz die Schlußfolge aus einer Erfah-
rung uͤberhaupt auf das Daſeyn des Nothwendigen *).
Alſo hebt der Beweis eigentlich von der Erfahrung an,
mithin iſt er nicht gaͤnzlich a priori gefuͤhrt, oder ontolo-
giſch, und weil der Gegenſtand aller moͤglichen Erfahrung
Welt heißt, ſo wird er darum der cosmologiſche Beweis
genant. Da er auch von aller beſondern Eigenſchaft der
Gegenſtaͤnde der Erfahrung, dadurch ſich dieſe Welt von
ieder moͤglichen unterſcheiden mag, abſtrahirt: ſo wird
er ſchon in ſeiner Benennung auch vom phyſicotheologi-
ſchen Beweiſe unterſchieden, welcher Beobachtungen der
beſonderen Beſchaffenheit dieſer unſerer Sinnenwelt zu
Beweisgruͤnden braucht.
Nun ſchließt der Beweis weiter: das nothwendige
Weſen kan nur auf eine einzige Art, d. i. in Anſehung
aller moͤglichen entgegengeſezten Praͤdicate nur durch eines
derſelben beſtimt werden, folglich muß es durch ſeinen
Begriff durchgaͤngig beſtimt ſeyn. Nun iſt nur ein ein-
ziger Begriff von einem Dinge moͤglich, der daſſelbe a
priori durchgaͤngig beſtimt, nemlich der des entis realiſ-
ſimi: Alſo iſt der Begriff des allerrealeſten Weſens der
einzi-
*) Dieſe Schlußfolge iſt zu bekant, als daß es noͤthig waͤre,
ſie hier weitlaͤuftig vorzutragen. Sie beruht auf dem
vermeintlich transſcendentalen Naturgeſetz der Cauſſalitaͤt:
daß alles Zufaͤllige ſeine Urſache habe, die, wenn ſie wie-
derum zufaͤllig iſt, eben ſowol eine Urſache haben muß,
bis die Reihe der einander untergeordneten Urſachen ſich
bey einer ſchlechthinnothwendigen Urſache endigen muß,
ohne welche ſie keine Vollſtaͤndigkeit haben wuͤrde.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/635>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.