zweite betrift, so könte sie als eine den Dingen selbst an- hangende Bestimmung oder Ordnung nicht vor den Ge- genständen, als ihre Bedingung vorhergehen, und a priori durch synthetische Sätze erkant und angeschaut werden. Diese letztere findet dagegen sehr wohl statt, wenn die Zeit nichts als die subiective Bedingung ist, unter der alle An- schauungen in uns statt finden können. Denn da kan diese Form der innern Anschauung vor den Gegenständen, mithin a priori vorgestellt werden.
b) Die Zeit ist nichts anders, als die Form des in- nern Sinnes, d. i. des Anschauens unserer selbst und unsers innern Zustandes. Denn die Zeit kan keine Bestimmung äusserer Erscheinungen seyn; Sie gehöret weder zu einer Gestalt, oder Lage etc. dagegen bestimmt sie das Verhält- niß der Vorstellungen in unserm innern Zustande. Und, eben weil diese innre Anschauung keine Gestalt giebt, suchen wir auch diesen Mangel durch Analogien zu ersetzen, und stellen die Zeitfolge durch eine ins unendliche fortgehende Linie vor, in welcher das Mannigfaltige eine Reihe aus- macht, die nur von einer Dimension ist, und schliessen aus den Eigenschaften dieser Linie auf alle Eigenschaften der Zeit, ausser dem einigen, daß die Theile der erstern zugleich, die der letztern aber iederzeit nach einander sind. Hieraus erhellet auch, daß die Vorstellung der Zeit selbst Anschauung sey, weil alle ihre Verhältnisse sich an einer äussern Anschauung ausdrücken lassen.
c) Die
C
II. Abſchnitt. Von der Zeit.
zweite betrift, ſo koͤnte ſie als eine den Dingen ſelbſt an- hangende Beſtimmung oder Ordnung nicht vor den Ge- genſtaͤnden, als ihre Bedingung vorhergehen, und a priori durch ſynthetiſche Saͤtze erkant und angeſchaut werden. Dieſe letztere findet dagegen ſehr wohl ſtatt, wenn die Zeit nichts als die ſubiective Bedingung iſt, unter der alle An- ſchauungen in uns ſtatt finden koͤnnen. Denn da kan dieſe Form der innern Anſchauung vor den Gegenſtaͤnden, mithin a priori vorgeſtellt werden.
b) Die Zeit iſt nichts anders, als die Form des in- nern Sinnes, d. i. des Anſchauens unſerer ſelbſt und unſers innern Zuſtandes. Denn die Zeit kan keine Beſtimmung aͤuſſerer Erſcheinungen ſeyn; Sie gehoͤret weder zu einer Geſtalt, oder Lage ꝛc. dagegen beſtimmt ſie das Verhaͤlt- niß der Vorſtellungen in unſerm innern Zuſtande. Und, eben weil dieſe innre Anſchauung keine Geſtalt giebt, ſuchen wir auch dieſen Mangel durch Analogien zu erſetzen, und ſtellen die Zeitfolge durch eine ins unendliche fortgehende Linie vor, in welcher das Mannigfaltige eine Reihe aus- macht, die nur von einer Dimenſion iſt, und ſchlieſſen aus den Eigenſchaften dieſer Linie auf alle Eigenſchaften der Zeit, auſſer dem einigen, daß die Theile der erſtern zugleich, die der letztern aber iederzeit nach einander ſind. Hieraus erhellet auch, daß die Vorſtellung der Zeit ſelbſt Anſchauung ſey, weil alle ihre Verhaͤltniſſe ſich an einer aͤuſſern Anſchauung ausdruͤcken laſſen.
c) Die
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II. Abſchnitt. Von der Zeit.
zweite betrift, ſo koͤnte ſie als eine den Dingen ſelbſt an-
hangende Beſtimmung oder Ordnung nicht vor den Ge-
genſtaͤnden, als ihre Bedingung vorhergehen, und a priori
durch ſynthetiſche Saͤtze erkant und angeſchaut werden.
Dieſe letztere findet dagegen ſehr wohl ſtatt, wenn die Zeit
nichts als die ſubiective Bedingung iſt, unter der alle An-
ſchauungen in uns ſtatt finden koͤnnen. Denn da kan
dieſe Form der innern Anſchauung vor den Gegenſtaͤnden,
mithin a priori vorgeſtellt werden.
b) Die Zeit iſt nichts anders, als die Form des in-
nern Sinnes, d. i. des Anſchauens unſerer ſelbſt und unſers
innern Zuſtandes. Denn die Zeit kan keine Beſtimmung
aͤuſſerer Erſcheinungen ſeyn; Sie gehoͤret weder zu einer
Geſtalt, oder Lage ꝛc. dagegen beſtimmt ſie das Verhaͤlt-
niß der Vorſtellungen in unſerm innern Zuſtande. Und,
eben weil dieſe innre Anſchauung keine Geſtalt giebt, ſuchen
wir auch dieſen Mangel durch Analogien zu erſetzen, und
ſtellen die Zeitfolge durch eine ins unendliche fortgehende
Linie vor, in welcher das Mannigfaltige eine Reihe aus-
macht, die nur von einer Dimenſion iſt, und ſchlieſſen
aus den Eigenſchaften dieſer Linie auf alle Eigenſchaften
der Zeit, auſſer dem einigen, daß die Theile der erſtern
zugleich, die der letztern aber iederzeit nach einander ſind.
Hieraus erhellet auch, daß die Vorſtellung der Zeit ſelbſt
Anſchauung ſey, weil alle ihre Verhaͤltniſſe ſich an einer
aͤuſſern Anſchauung ausdruͤcken laſſen.
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/63>, abgerufen am 27.11.2024.
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