IV. Absch. Unmöglichkeit eines ontolog. Beweises etc.
Wesens bewandt. Wenn ihr das Daseyn desselben auf- hebt, so hebt ihr das Ding selbst mit allen seinen Prädi- caten auf, wo soll alsdenn der Widerspruch herkommen? Aeusserlich ist nichts dem widersprochen würde; denn das Ding soll nicht äusserlich nothwendig seyn, innerlich auch nichts, denn ihr habt, durch Aufhebung des Dinges selbst, alles Innere zugleich aufgehoben. Gott ist allmächtig; das ist ein nothwendiges Urtheil. Die Allmacht kan nicht aufgehoben werden, wenn ihr eine Gottheit, d. i. ein unendlich Wesen, sezt, mit dessen Begriff iener identisch ist. Wenn ihr aber sagt: Gott ist nicht, so ist weder die Allmacht, noch irgend ein anderes seiner Prädicate ge- geben, denn sie sind alle zusamt dem Subiecte aufgehoben und es zeigt sich in diesem Gedanken nicht der mindeste Widerspruch.
Ihr habt also gesehen: daß, wenn ich das Prädi- cat eines Urtheils zusamt dem Subiecte aufhebe, niemals ein innerer Widerspruch entspringen könne, das Prädicat mag auch seyn, welches es wolle. Nun bleibt euch keine Ausflucht übrig, als ihr müßt sagen: es giebt Subiecte, die gar nicht aufgehoben werden können, die also bleiben müssen. Das würde aber eben so viel sagen, als: es giebt schlechterdingsnothwendige Subiecte, eine Voraus- setzung, an deren Richtigkeit ich eben gezweifelt habe und deren Möglichkeit ihr mir zeigen woltet. Denn ich kan mir nicht den geringsten Begriff von einem Dinge machen, welches, wenn es mit allen seinen Prädicaten aufgehoben
würde,
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IV. Abſch. Unmoͤglichkeit eines ontolog. Beweiſes ꝛc.
Weſens bewandt. Wenn ihr das Daſeyn deſſelben auf- hebt, ſo hebt ihr das Ding ſelbſt mit allen ſeinen Praͤdi- caten auf, wo ſoll alsdenn der Widerſpruch herkommen? Aeuſſerlich iſt nichts dem widerſprochen wuͤrde; denn das Ding ſoll nicht aͤuſſerlich nothwendig ſeyn, innerlich auch nichts, denn ihr habt, durch Aufhebung des Dinges ſelbſt, alles Innere zugleich aufgehoben. Gott iſt allmaͤchtig; das iſt ein nothwendiges Urtheil. Die Allmacht kan nicht aufgehoben werden, wenn ihr eine Gottheit, d. i. ein unendlich Weſen, ſezt, mit deſſen Begriff iener identiſch iſt. Wenn ihr aber ſagt: Gott iſt nicht, ſo iſt weder die Allmacht, noch irgend ein anderes ſeiner Praͤdicate ge- geben, denn ſie ſind alle zuſamt dem Subiecte aufgehoben und es zeigt ſich in dieſem Gedanken nicht der mindeſte Widerſpruch.
Ihr habt alſo geſehen: daß, wenn ich das Praͤdi- cat eines Urtheils zuſamt dem Subiecte aufhebe, niemals ein innerer Widerſpruch entſpringen koͤnne, das Praͤdicat mag auch ſeyn, welches es wolle. Nun bleibt euch keine Ausflucht uͤbrig, als ihr muͤßt ſagen: es giebt Subiecte, die gar nicht aufgehoben werden koͤnnen, die alſo bleiben muͤſſen. Das wuͤrde aber eben ſo viel ſagen, als: es giebt ſchlechterdingsnothwendige Subiecte, eine Voraus- ſetzung, an deren Richtigkeit ich eben gezweifelt habe und deren Moͤglichkeit ihr mir zeigen woltet. Denn ich kan mir nicht den geringſten Begriff von einem Dinge machen, welches, wenn es mit allen ſeinen Praͤdicaten aufgehoben
wuͤrde,
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IV. Abſch. Unmoͤglichkeit eines ontolog. Beweiſes ꝛc.
Weſens bewandt. Wenn ihr das Daſeyn deſſelben auf-
hebt, ſo hebt ihr das Ding ſelbſt mit allen ſeinen Praͤdi-
caten auf, wo ſoll alsdenn der Widerſpruch herkommen?
Aeuſſerlich iſt nichts dem widerſprochen wuͤrde; denn das
Ding ſoll nicht aͤuſſerlich nothwendig ſeyn, innerlich auch
nichts, denn ihr habt, durch Aufhebung des Dinges ſelbſt,
alles Innere zugleich aufgehoben. Gott iſt allmaͤchtig;
das iſt ein nothwendiges Urtheil. Die Allmacht kan nicht
aufgehoben werden, wenn ihr eine Gottheit, d. i. ein
unendlich Weſen, ſezt, mit deſſen Begriff iener identiſch
iſt. Wenn ihr aber ſagt: Gott iſt nicht, ſo iſt weder
die Allmacht, noch irgend ein anderes ſeiner Praͤdicate ge-
geben, denn ſie ſind alle zuſamt dem Subiecte aufgehoben
und es zeigt ſich in dieſem Gedanken nicht der mindeſte
Widerſpruch.
Ihr habt alſo geſehen: daß, wenn ich das Praͤdi-
cat eines Urtheils zuſamt dem Subiecte aufhebe, niemals
ein innerer Widerſpruch entſpringen koͤnne, das Praͤdicat
mag auch ſeyn, welches es wolle. Nun bleibt euch keine
Ausflucht uͤbrig, als ihr muͤßt ſagen: es giebt Subiecte,
die gar nicht aufgehoben werden koͤnnen, die alſo bleiben
muͤſſen. Das wuͤrde aber eben ſo viel ſagen, als: es
giebt ſchlechterdingsnothwendige Subiecte, eine Voraus-
ſetzung, an deren Richtigkeit ich eben gezweifelt habe und
deren Moͤglichkeit ihr mir zeigen woltet. Denn ich kan
mir nicht den geringſten Begriff von einem Dinge machen,
welches, wenn es mit allen ſeinen Praͤdicaten aufgehoben
wuͤrde,
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/625>, abgerufen am 22.11.2024.
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