Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst.

Wenn wir nun dieser unserer Idee, indem wir sie
hypostasiren, so ferner nachgehen, so werden wir das Ur-
wesen durch den blossen Begriff der höchsten Realität als
ein einiges, einfaches, allgenugsames, ewiges etc. mit
einem Worte, es in seiner unbedingten Vollständigkeit durch
alle Prädicamente bestimmen können. Der Begriff eines
solchen Wesens ist der von Gott in transscendentalem
Verstande gedacht, und so ist das Ideal der reinen Ver-
nunf[t] der Gegenstand einer transscendentalen Theologie,
so wie ich es auch oben angeführt habe.

Indessen würde dieser Gebrauch der transscendenta-
len Idee doch schon die Gränzen ihrer Bestimmung und
Zulässigkeit überschreiten. Denn die Vernunft legte sie
nur, als den Begriff von aller Realität, der durchgän-
gigen Bestimmung der Dinge überhaupt zum Grunde,
ohne zu verlangen, daß alle diese Realität obiectiv gege-
ben sey und selbst ein Ding ausmache. Dieses leztere ist
eine blosse Erdichtung, durch welche wir das Mannigfal-
tige unserer Idee in einem Ideale, als einem besonderen
Wesen, zusammenfassen und realisiren, wozu wir keine
Befugniß haben, so gar nicht einmal die Möglichkeit einer
solchen Hypothese geradezu anzunehmen, wie denn auch
alle Folgerungen, die aus einem solchen Ideale abfliessen,
die durchgängige Bestimmung der Dinge überhaupt, als
zu deren Behuf die Idee allein nöthig war, nichts ange-
hen, und darauf nicht den mindesten Einfluß haben.


Es
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.

Wenn wir nun dieſer unſerer Idee, indem wir ſie
hypoſtaſiren, ſo ferner nachgehen, ſo werden wir das Ur-
weſen durch den bloſſen Begriff der hoͤchſten Realitaͤt als
ein einiges, einfaches, allgenugſames, ewiges ꝛc. mit
einem Worte, es in ſeiner unbedingten Vollſtaͤndigkeit durch
alle Praͤdicamente beſtimmen koͤnnen. Der Begriff eines
ſolchen Weſens iſt der von Gott in transſcendentalem
Verſtande gedacht, und ſo iſt das Ideal der reinen Ver-
nunf[t] der Gegenſtand einer transſcendentalen Theologie,
ſo wie ich es auch oben angefuͤhrt habe.

Indeſſen wuͤrde dieſer Gebrauch der transſcendenta-
len Idee doch ſchon die Graͤnzen ihrer Beſtimmung und
Zulaͤſſigkeit uͤberſchreiten. Denn die Vernunft legte ſie
nur, als den Begriff von aller Realitaͤt, der durchgaͤn-
gigen Beſtimmung der Dinge uͤberhaupt zum Grunde,
ohne zu verlangen, daß alle dieſe Realitaͤt obiectiv gege-
ben ſey und ſelbſt ein Ding ausmache. Dieſes leztere iſt
eine bloſſe Erdichtung, durch welche wir das Mannigfal-
tige unſerer Idee in einem Ideale, als einem beſonderen
Weſen, zuſammenfaſſen und realiſiren, wozu wir keine
Befugniß haben, ſo gar nicht einmal die Moͤglichkeit einer
ſolchen Hypotheſe geradezu anzunehmen, wie denn auch
alle Folgerungen, die aus einem ſolchen Ideale abflieſſen,
die durchgaͤngige Beſtimmung der Dinge uͤberhaupt, als
zu deren Behuf die Idee allein noͤthig war, nichts ange-
hen, und darauf nicht den mindeſten Einfluß haben.


Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <pb facs="#f0610" n="580"/>
                      <fw place="top" type="header">Elementarl. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II.</hi> Buch. <hi rendition="#aq">III.</hi> Haupt&#x017F;t.</fw><lb/>
                      <p>Wenn wir nun die&#x017F;er un&#x017F;erer Idee, indem wir &#x017F;ie<lb/>
hypo&#x017F;ta&#x017F;iren, &#x017F;o ferner nachgehen, &#x017F;o werden wir das Ur-<lb/>
we&#x017F;en durch den blo&#x017F;&#x017F;en Begriff der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Realita&#x0364;t als<lb/>
ein einiges, einfaches, allgenug&#x017F;ames, ewiges &#xA75B;c. mit<lb/>
einem Worte, es in &#x017F;einer unbedingten Voll&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit durch<lb/>
alle Pra&#x0364;dicamente be&#x017F;timmen ko&#x0364;nnen. Der Begriff eines<lb/>
&#x017F;olchen We&#x017F;ens i&#x017F;t der von <hi rendition="#fr">Gott</hi> in trans&#x017F;cendentalem<lb/>
Ver&#x017F;tande gedacht, und &#x017F;o i&#x017F;t das Ideal der reinen Ver-<lb/>
nunf<supplied>t</supplied> der Gegen&#x017F;tand einer trans&#x017F;cendentalen <hi rendition="#fr">Theologie</hi>,<lb/>
&#x017F;o wie ich es auch oben angefu&#x0364;hrt habe.</p><lb/>
                      <p>Inde&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde die&#x017F;er Gebrauch der trans&#x017F;cendenta-<lb/>
len Idee doch &#x017F;chon die Gra&#x0364;nzen ihrer Be&#x017F;timmung und<lb/>
Zula&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit u&#x0364;ber&#x017F;chreiten. Denn die Vernunft legte &#x017F;ie<lb/>
nur, als den <hi rendition="#fr">Begriff</hi> von aller Realita&#x0364;t, der durchga&#x0364;n-<lb/>
gigen Be&#x017F;timmung der Dinge u&#x0364;berhaupt zum Grunde,<lb/>
ohne zu verlangen, daß alle die&#x017F;e Realita&#x0364;t obiectiv gege-<lb/>
ben &#x017F;ey und &#x017F;elb&#x017F;t ein Ding ausmache. Die&#x017F;es leztere i&#x017F;t<lb/>
eine blo&#x017F;&#x017F;e Erdichtung, durch welche wir das Mannigfal-<lb/>
tige un&#x017F;erer Idee in einem Ideale, als einem be&#x017F;onderen<lb/>
We&#x017F;en, zu&#x017F;ammenfa&#x017F;&#x017F;en und reali&#x017F;iren, wozu wir keine<lb/>
Befugniß haben, &#x017F;o gar nicht einmal die Mo&#x0364;glichkeit einer<lb/>
&#x017F;olchen Hypothe&#x017F;e geradezu anzunehmen, wie denn auch<lb/>
alle Folgerungen, die aus einem &#x017F;olchen Ideale abflie&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
die durchga&#x0364;ngige Be&#x017F;timmung der Dinge u&#x0364;berhaupt, als<lb/>
zu deren Behuf die Idee allein no&#x0364;thig war, nichts ange-<lb/>
hen, und darauf nicht den minde&#x017F;ten Einfluß haben.</p><lb/>
                      <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[580/0610] Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt. Wenn wir nun dieſer unſerer Idee, indem wir ſie hypoſtaſiren, ſo ferner nachgehen, ſo werden wir das Ur- weſen durch den bloſſen Begriff der hoͤchſten Realitaͤt als ein einiges, einfaches, allgenugſames, ewiges ꝛc. mit einem Worte, es in ſeiner unbedingten Vollſtaͤndigkeit durch alle Praͤdicamente beſtimmen koͤnnen. Der Begriff eines ſolchen Weſens iſt der von Gott in transſcendentalem Verſtande gedacht, und ſo iſt das Ideal der reinen Ver- nunft der Gegenſtand einer transſcendentalen Theologie, ſo wie ich es auch oben angefuͤhrt habe. Indeſſen wuͤrde dieſer Gebrauch der transſcendenta- len Idee doch ſchon die Graͤnzen ihrer Beſtimmung und Zulaͤſſigkeit uͤberſchreiten. Denn die Vernunft legte ſie nur, als den Begriff von aller Realitaͤt, der durchgaͤn- gigen Beſtimmung der Dinge uͤberhaupt zum Grunde, ohne zu verlangen, daß alle dieſe Realitaͤt obiectiv gege- ben ſey und ſelbſt ein Ding ausmache. Dieſes leztere iſt eine bloſſe Erdichtung, durch welche wir das Mannigfal- tige unſerer Idee in einem Ideale, als einem beſonderen Weſen, zuſammenfaſſen und realiſiren, wozu wir keine Befugniß haben, ſo gar nicht einmal die Moͤglichkeit einer ſolchen Hypotheſe geradezu anzunehmen, wie denn auch alle Folgerungen, die aus einem ſolchen Ideale abflieſſen, die durchgaͤngige Beſtimmung der Dinge uͤberhaupt, als zu deren Behuf die Idee allein noͤthig war, nichts ange- hen, und darauf nicht den mindeſten Einfluß haben. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/610
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/610>, abgerufen am 16.07.2024.