IV. Auflösung der cosmologischen Idee, von der Totalität der Abhängigkeit der Erscheinungen, ihrem Daseyn nach überhaupt.
In der vorigen Nummer betrachteten wir die Ver- änderungen der Sinnenwelt in ihrer dynamischen Reihe, da eine iede unter einer andern, als ihrer Ursache, steht. Jezt dient uns diese Reihe der Zustände nur zur Leitung, um zu einem Daseyn zu gelangen, das die höchste Bedin- gung alles Veränderlichen seyn könne, nemlich dem noth- wendigen Wesen. Es ist hier nicht um die unbedingte Caussalität, sondern die unbedingte Existenz der Substanz selbst zu thun. Also ist die Reihe, welche wir vor uns haben, eigentlich nur die, von Begriffen und nicht von Anschauungen, in so fern die eine die Bedingung der an- dern ist.
Man siehet aber leicht: daß, da alles in dem In- begriffe der Erscheinungen veränderlich, mithin im Daseyn bedingt ist, es überall in der Reihe des abhängigen Da- seyns kein unbedingtes Glied geben könne, dessen Existenz schlechthin nothwendig wäre, und daß also, wenn Er- scheinungen Dinge an sich selbst wären, eben darum aber ihre Bedingung mit dem Bedingten iederzeit zu einer und derselben Reihe der Anschauungen gehörete, ein nothwendi-
ges
IX. Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc.
IV. Aufloͤſung der cosmologiſchen Idee, von der Totalitaͤt der Abhaͤngigkeit der Erſcheinungen, ihrem Daſeyn nach uͤberhaupt.
In der vorigen Nummer betrachteten wir die Ver- aͤnderungen der Sinnenwelt in ihrer dynamiſchen Reihe, da eine iede unter einer andern, als ihrer Urſache, ſteht. Jezt dient uns dieſe Reihe der Zuſtaͤnde nur zur Leitung, um zu einem Daſeyn zu gelangen, das die hoͤchſte Bedin- gung alles Veraͤnderlichen ſeyn koͤnne, nemlich dem noth- wendigen Weſen. Es iſt hier nicht um die unbedingte Cauſſalitaͤt, ſondern die unbedingte Exiſtenz der Subſtanz ſelbſt zu thun. Alſo iſt die Reihe, welche wir vor uns haben, eigentlich nur die, von Begriffen und nicht von Anſchauungen, in ſo fern die eine die Bedingung der an- dern iſt.
Man ſiehet aber leicht: daß, da alles in dem In- begriffe der Erſcheinungen veraͤnderlich, mithin im Daſeyn bedingt iſt, es uͤberall in der Reihe des abhaͤngigen Da- ſeyns kein unbedingtes Glied geben koͤnne, deſſen Exiſtenz ſchlechthin nothwendig waͤre, und daß alſo, wenn Er- ſcheinungen Dinge an ſich ſelbſt waͤren, eben darum aber ihre Bedingung mit dem Bedingten iederzeit zu einer und derſelben Reihe der Anſchauungen gehoͤrete, ein nothwendi-
ges
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><pbfacs="#f0589"n="559"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">IX.</hi> Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc.</fw><lb/><divn="9"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi><lb/>
Aufloͤſung der cosmologiſchen Idee,<lb/>
von der<lb/><hirendition="#g">Totalitaͤt der Abhaͤngigkeit</hi><lb/>
der Erſcheinungen, ihrem Daſeyn nach</hi><lb/><hirendition="#g">uͤberhaupt</hi>.</head><lb/><p>In der vorigen Nummer betrachteten wir die Ver-<lb/>
aͤnderungen der Sinnenwelt in ihrer dynamiſchen Reihe,<lb/>
da eine iede unter einer andern, als ihrer Urſache, ſteht.<lb/>
Jezt dient uns dieſe Reihe der Zuſtaͤnde nur zur Leitung,<lb/>
um zu einem Daſeyn zu gelangen, das die hoͤchſte Bedin-<lb/>
gung alles Veraͤnderlichen ſeyn koͤnne, nemlich dem noth-<lb/>
wendigen <hirendition="#fr">Weſen</hi>. Es iſt hier nicht um die unbedingte<lb/>
Cauſſalitaͤt, ſondern die unbedingte Exiſtenz der Subſtanz<lb/>ſelbſt zu thun. Alſo iſt die Reihe, welche wir vor uns<lb/>
haben, eigentlich nur die, von Begriffen und nicht von<lb/>
Anſchauungen, in ſo fern die eine die Bedingung der an-<lb/>
dern iſt.</p><lb/><p>Man ſiehet aber leicht: daß, da alles in dem In-<lb/>
begriffe der Erſcheinungen veraͤnderlich, mithin im Daſeyn<lb/>
bedingt iſt, es uͤberall in der Reihe des abhaͤngigen Da-<lb/>ſeyns kein unbedingtes Glied geben koͤnne, deſſen Exiſtenz<lb/>ſchlechthin nothwendig waͤre, und daß alſo, wenn Er-<lb/>ſcheinungen Dinge an ſich ſelbſt waͤren, eben darum aber<lb/>
ihre Bedingung mit dem Bedingten iederzeit zu einer und<lb/>
derſelben Reihe der Anſchauungen gehoͤrete, ein nothwendi-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ges</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[559/0589]
IX. Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc.
IV.
Aufloͤſung der cosmologiſchen Idee,
von der
Totalitaͤt der Abhaͤngigkeit
der Erſcheinungen, ihrem Daſeyn nach
uͤberhaupt.
In der vorigen Nummer betrachteten wir die Ver-
aͤnderungen der Sinnenwelt in ihrer dynamiſchen Reihe,
da eine iede unter einer andern, als ihrer Urſache, ſteht.
Jezt dient uns dieſe Reihe der Zuſtaͤnde nur zur Leitung,
um zu einem Daſeyn zu gelangen, das die hoͤchſte Bedin-
gung alles Veraͤnderlichen ſeyn koͤnne, nemlich dem noth-
wendigen Weſen. Es iſt hier nicht um die unbedingte
Cauſſalitaͤt, ſondern die unbedingte Exiſtenz der Subſtanz
ſelbſt zu thun. Alſo iſt die Reihe, welche wir vor uns
haben, eigentlich nur die, von Begriffen und nicht von
Anſchauungen, in ſo fern die eine die Bedingung der an-
dern iſt.
Man ſiehet aber leicht: daß, da alles in dem In-
begriffe der Erſcheinungen veraͤnderlich, mithin im Daſeyn
bedingt iſt, es uͤberall in der Reihe des abhaͤngigen Da-
ſeyns kein unbedingtes Glied geben koͤnne, deſſen Exiſtenz
ſchlechthin nothwendig waͤre, und daß alſo, wenn Er-
ſcheinungen Dinge an ſich ſelbſt waͤren, eben darum aber
ihre Bedingung mit dem Bedingten iederzeit zu einer und
derſelben Reihe der Anſchauungen gehoͤrete, ein nothwendi-
ges
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/589>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.