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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
welche die Ursache von den Erscheinungen unserer Sinnen-
welt enthalten, haben darthun wollen. Denn ausser,
daß dieses gar keine transscendentale Betrachtung, die
blos mit Begriffen zu thun hat, gewesen seyn würde: so
könte es auch nicht gelingen, indem wir aus der Erfahrung
niemals auf etwas, was gar nicht nach Erfahrungsgesetzen
gedacht werden muß, schliessen können. Ferner haben
wir auch gar nicht einmal die Möglichkeit der Freiheit
beweisen wollen; denn dieses wäre auch nicht gelungen,
weil wir überhaupt von keinem Realgrunde und keiner
Caussalität, aus blossen Begriffen a priori, die Möglich-
keit erkennen können. Die Freiheit wird hier nur als
transscendentale Idee behandelt, wodurch die Vernunft
die Reihe der Bedingungen in der Erscheinung durch das
Sinnlichunbedingte schlechthin anzuheben denkt, dabey sich
aber in eine Antinomie mit ihren eigenen Gesetzen, welche
sie dem empirischen Gebrauche des Verstandes vorschreibt,
verwikelt. Daß nun diese Antinomie auf einem blossen
Scheine beruhe und, daß Natur der Caussalität aus Frei-
heit wenigstens nicht widerstreite, das war das einzige,
was wir leisten konten und woran es uns auch einzig und
allein gelegen war.


IV. Auf-

Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
welche die Urſache von den Erſcheinungen unſerer Sinnen-
welt enthalten, haben darthun wollen. Denn auſſer,
daß dieſes gar keine transſcendentale Betrachtung, die
blos mit Begriffen zu thun hat, geweſen ſeyn wuͤrde: ſo
koͤnte es auch nicht gelingen, indem wir aus der Erfahrung
niemals auf etwas, was gar nicht nach Erfahrungsgeſetzen
gedacht werden muß, ſchlieſſen koͤnnen. Ferner haben
wir auch gar nicht einmal die Moͤglichkeit der Freiheit
beweiſen wollen; denn dieſes waͤre auch nicht gelungen,
weil wir uͤberhaupt von keinem Realgrunde und keiner
Cauſſalitaͤt, aus bloſſen Begriffen a priori, die Moͤglich-
keit erkennen koͤnnen. Die Freiheit wird hier nur als
transſcendentale Idee behandelt, wodurch die Vernunft
die Reihe der Bedingungen in der Erſcheinung durch das
Sinnlichunbedingte ſchlechthin anzuheben denkt, dabey ſich
aber in eine Antinomie mit ihren eigenen Geſetzen, welche
ſie dem empiriſchen Gebrauche des Verſtandes vorſchreibt,
verwikelt. Daß nun dieſe Antinomie auf einem bloſſen
Scheine beruhe und, daß Natur der Cauſſalitaͤt aus Frei-
heit wenigſtens nicht widerſtreite, das war das einzige,
was wir leiſten konten und woran es uns auch einzig und
allein gelegen war.


IV. Auf-
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[558/0588] Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptſt. welche die Urſache von den Erſcheinungen unſerer Sinnen- welt enthalten, haben darthun wollen. Denn auſſer, daß dieſes gar keine transſcendentale Betrachtung, die blos mit Begriffen zu thun hat, geweſen ſeyn wuͤrde: ſo koͤnte es auch nicht gelingen, indem wir aus der Erfahrung niemals auf etwas, was gar nicht nach Erfahrungsgeſetzen gedacht werden muß, ſchlieſſen koͤnnen. Ferner haben wir auch gar nicht einmal die Moͤglichkeit der Freiheit beweiſen wollen; denn dieſes waͤre auch nicht gelungen, weil wir uͤberhaupt von keinem Realgrunde und keiner Cauſſalitaͤt, aus bloſſen Begriffen a priori, die Moͤglich- keit erkennen koͤnnen. Die Freiheit wird hier nur als transſcendentale Idee behandelt, wodurch die Vernunft die Reihe der Bedingungen in der Erſcheinung durch das Sinnlichunbedingte ſchlechthin anzuheben denkt, dabey ſich aber in eine Antinomie mit ihren eigenen Geſetzen, welche ſie dem empiriſchen Gebrauche des Verſtandes vorſchreibt, verwikelt. Daß nun dieſe Antinomie auf einem bloſſen Scheine beruhe und, daß Natur der Cauſſalitaͤt aus Frei- heit wenigſtens nicht widerſtreite, das war das einzige, was wir leiſten konten und woran es uns auch einzig und allein gelegen war. IV. Auf-

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/588>, abgerufen am 22.11.2024.