he der Bedingungen zu demselben, blos ihrer Grösse nach er- wogen, und da bestand die Schwierigkeit, die durch kei- nen Vergleich, sondern durch gänzliche Abschneidung des Knotens allein gehoben werden konte, darin, daß die Ver- nunft es dem Verstande entweder zu lang oder zu kurz, machte, so, daß dieser ihrer Idee niemals gleich kom- men konte.
Wir haben aber hiebey einen wesentlichen Unter- schied übersehen, der unter den Obiecten, d. i. den Ver- standesbegriffen herrscht, welche die Vernunft zu Ideen zu erheben trachtet, da nemlich, nach unserer obigen Ta- fel der Categorien, zwey derselben mathematische, die zwey übrige aber eine dynamische Synthesis der Erschei- nungen bedeuten. Bis hieher konte dieses auch gar wol geschehen, indem, so wie wir in der allgemeinen Vorstel- lung aller transscendentalen Ideen immer nur unter Be- dingungen in der Erscheinung blieben, eben so auch in den zween mathematisch transscendentalen keinen andern Gegenstand, als den in der Erscheinung hatten. Jezt aber, da wir zu dynamischen Begriffen des Verstandes, so fern sie der Vernunftidee anpassen sollen, fortgehen, wird iene Unterscheidung wichtig und eröfnet uns eine ganz neue Aussicht in Ansehung des Streithandels, dar- in die Vernunft verflochten ist und welcher, da er vorher, als auf beiderseitige falsche Voraussetzungen gebauet, abge- wiesen worden, iezt da vielleicht in der dynamischen An-
tino-
L l
IX. Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc.
he der Bedingungen zu demſelben, blos ihrer Groͤſſe nach er- wogen, und da beſtand die Schwierigkeit, die durch kei- nen Vergleich, ſondern durch gaͤnzliche Abſchneidung des Knotens allein gehoben werden konte, darin, daß die Ver- nunft es dem Verſtande entweder zu lang oder zu kurz, machte, ſo, daß dieſer ihrer Idee niemals gleich kom- men konte.
Wir haben aber hiebey einen weſentlichen Unter- ſchied uͤberſehen, der unter den Obiecten, d. i. den Ver- ſtandesbegriffen herrſcht, welche die Vernunft zu Ideen zu erheben trachtet, da nemlich, nach unſerer obigen Ta- fel der Categorien, zwey derſelben mathematiſche, die zwey uͤbrige aber eine dynamiſche Syntheſis der Erſchei- nungen bedeuten. Bis hieher konte dieſes auch gar wol geſchehen, indem, ſo wie wir in der allgemeinen Vorſtel- lung aller transſcendentalen Ideen immer nur unter Be- dingungen in der Erſcheinung blieben, eben ſo auch in den zween mathematiſch transſcendentalen keinen andern Gegenſtand, als den in der Erſcheinung hatten. Jezt aber, da wir zu dynamiſchen Begriffen des Verſtandes, ſo fern ſie der Vernunftidee anpaſſen ſollen, fortgehen, wird iene Unterſcheidung wichtig und eroͤfnet uns eine ganz neue Ausſicht in Anſehung des Streithandels, dar- in die Vernunft verflochten iſt und welcher, da er vorher, als auf beiderſeitige falſche Vorausſetzungen gebauet, abge- wieſen worden, iezt da vielleicht in der dynamiſchen An-
tino-
L l
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><p><pbfacs="#f0559"n="529"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">IX.</hi> Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc.</fw><lb/>
he der Bedingungen zu demſelben, blos ihrer Groͤſſe nach er-<lb/>
wogen, und da beſtand die Schwierigkeit, die durch kei-<lb/>
nen Vergleich, ſondern durch gaͤnzliche Abſchneidung des<lb/>
Knotens allein gehoben werden konte, darin, daß die Ver-<lb/>
nunft es dem Verſtande entweder zu lang oder zu kurz,<lb/>
machte, ſo, daß dieſer ihrer Idee niemals gleich kom-<lb/>
men konte.</p><lb/><p>Wir haben aber hiebey einen weſentlichen Unter-<lb/>ſchied uͤberſehen, der unter den Obiecten, d. i. den Ver-<lb/>ſtandesbegriffen herrſcht, welche die Vernunft zu Ideen<lb/>
zu erheben trachtet, da nemlich, nach unſerer obigen Ta-<lb/>
fel der Categorien, zwey derſelben mathematiſche, die<lb/>
zwey uͤbrige aber eine dynamiſche Syntheſis der Erſchei-<lb/>
nungen bedeuten. Bis hieher konte dieſes auch gar wol<lb/>
geſchehen, indem, ſo wie wir in der allgemeinen Vorſtel-<lb/>
lung aller transſcendentalen Ideen immer nur unter Be-<lb/>
dingungen <hirendition="#fr">in der Erſcheinung</hi> blieben, eben ſo auch in<lb/>
den zween mathematiſch transſcendentalen keinen andern<lb/><hirendition="#fr">Gegenſtand</hi>, als den in der Erſcheinung hatten. Jezt<lb/>
aber, da wir zu dynamiſchen Begriffen des Verſtandes,<lb/>ſo fern ſie der Vernunftidee anpaſſen ſollen, fortgehen,<lb/>
wird iene Unterſcheidung wichtig und eroͤfnet uns eine<lb/>
ganz neue Ausſicht in Anſehung des Streithandels, dar-<lb/>
in die Vernunft verflochten iſt und welcher, da er vorher,<lb/>
als auf beiderſeitige falſche Vorausſetzungen gebauet, abge-<lb/>
wieſen worden, iezt da vielleicht in der dynamiſchen An-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L l</fw><fwplace="bottom"type="catch">tino-</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[529/0559]
IX. Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc.
he der Bedingungen zu demſelben, blos ihrer Groͤſſe nach er-
wogen, und da beſtand die Schwierigkeit, die durch kei-
nen Vergleich, ſondern durch gaͤnzliche Abſchneidung des
Knotens allein gehoben werden konte, darin, daß die Ver-
nunft es dem Verſtande entweder zu lang oder zu kurz,
machte, ſo, daß dieſer ihrer Idee niemals gleich kom-
men konte.
Wir haben aber hiebey einen weſentlichen Unter-
ſchied uͤberſehen, der unter den Obiecten, d. i. den Ver-
ſtandesbegriffen herrſcht, welche die Vernunft zu Ideen
zu erheben trachtet, da nemlich, nach unſerer obigen Ta-
fel der Categorien, zwey derſelben mathematiſche, die
zwey uͤbrige aber eine dynamiſche Syntheſis der Erſchei-
nungen bedeuten. Bis hieher konte dieſes auch gar wol
geſchehen, indem, ſo wie wir in der allgemeinen Vorſtel-
lung aller transſcendentalen Ideen immer nur unter Be-
dingungen in der Erſcheinung blieben, eben ſo auch in
den zween mathematiſch transſcendentalen keinen andern
Gegenſtand, als den in der Erſcheinung hatten. Jezt
aber, da wir zu dynamiſchen Begriffen des Verſtandes,
ſo fern ſie der Vernunftidee anpaſſen ſollen, fortgehen,
wird iene Unterſcheidung wichtig und eroͤfnet uns eine
ganz neue Ausſicht in Anſehung des Streithandels, dar-
in die Vernunft verflochten iſt und welcher, da er vorher,
als auf beiderſeitige falſche Vorausſetzungen gebauet, abge-
wieſen worden, iezt da vielleicht in der dynamiſchen An-
tino-
L l
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/559>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.