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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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IX. Absch. Vom empir. Gebrauche des regul. etc.

Hieraus folgt auch ganz natürlich die zweite An-
wendung, auf eine in ihren Gränzen eingeschlossene äussere
Erscheinung (Cörper). Die Theilbarkeit desselben gründet
sich auf die Theilbarkeit des Raumes, der die Möglich-
keit des Cörpers, als eines ausgedehnten Ganzen, aus-
macht. Dieser ist also ins Unendliche theilbar, ohne doch
darum aus unendlich viel Theilen zu bestehen.

Es scheinet zwar: daß, da ein Cörper als Substanz
im Raume vorgestellet werden muß, er, was das Gesetz
der Theilbarkeit des Raumes betrift, hierin von diesem
unterschieden seyn werde: denn man kan es allenfalls wol
zugeben: daß die Decomposition im lezteren niemals alle
Zusammensetzung wegschaffen könne, indem alsdenn so gar
aller Raum, der sonst nichts Selbstständiges hat, aufhö-
ren würde (welches unmöglich ist); allein daß, wenn alle
Zusammensetzung der Materie in Gedanken aufgehoben wür-
de, gar nichts übrig bleiben solle, scheint sich nicht mit
dem Begriffe einer Substanz vereinigen zu lassen, die ei-
gentlich das Subiect aller Zusammensetzung seyn solte, und
in ihren Elementen übrig bleiben müßte, wenn gleich die
Verknüpfung derselben im Raume, dadurch sie einen Cör-
per ausmachen, aufgehoben wäre. Allein mit dem, was
in der Erscheinung Substanz heißt, ist es nicht so be-
wandt, als man es wol von einem Dinge an sich selbst
durch reinen Verstandesbegriff denken würde. Jenes ist
nicht absolutes Subiect, sondern beharrliches Bild der

Sinn-
IX. Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc.

Hieraus folgt auch ganz natuͤrlich die zweite An-
wendung, auf eine in ihren Graͤnzen eingeſchloſſene aͤuſſere
Erſcheinung (Coͤrper). Die Theilbarkeit deſſelben gruͤndet
ſich auf die Theilbarkeit des Raumes, der die Moͤglich-
keit des Coͤrpers, als eines ausgedehnten Ganzen, aus-
macht. Dieſer iſt alſo ins Unendliche theilbar, ohne doch
darum aus unendlich viel Theilen zu beſtehen.

Es ſcheinet zwar: daß, da ein Coͤrper als Subſtanz
im Raume vorgeſtellet werden muß, er, was das Geſetz
der Theilbarkeit des Raumes betrift, hierin von dieſem
unterſchieden ſeyn werde: denn man kan es allenfalls wol
zugeben: daß die Decompoſition im lezteren niemals alle
Zuſammenſetzung wegſchaffen koͤnne, indem alsdenn ſo gar
aller Raum, der ſonſt nichts Selbſtſtaͤndiges hat, aufhoͤ-
ren wuͤrde (welches unmoͤglich iſt); allein daß, wenn alle
Zuſammenſetzung der Materie in Gedanken aufgehoben wuͤr-
de, gar nichts uͤbrig bleiben ſolle, ſcheint ſich nicht mit
dem Begriffe einer Subſtanz vereinigen zu laſſen, die ei-
gentlich das Subiect aller Zuſammenſetzung ſeyn ſolte, und
in ihren Elementen uͤbrig bleiben muͤßte, wenn gleich die
Verknuͤpfung derſelben im Raume, dadurch ſie einen Coͤr-
per ausmachen, aufgehoben waͤre. Allein mit dem, was
in der Erſcheinung Subſtanz heißt, iſt es nicht ſo be-
wandt, als man es wol von einem Dinge an ſich ſelbſt
durch reinen Verſtandesbegriff denken wuͤrde. Jenes iſt
nicht abſolutes Subiect, ſondern beharrliches Bild der

Sinn-
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[525/0555] IX. Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc. Hieraus folgt auch ganz natuͤrlich die zweite An- wendung, auf eine in ihren Graͤnzen eingeſchloſſene aͤuſſere Erſcheinung (Coͤrper). Die Theilbarkeit deſſelben gruͤndet ſich auf die Theilbarkeit des Raumes, der die Moͤglich- keit des Coͤrpers, als eines ausgedehnten Ganzen, aus- macht. Dieſer iſt alſo ins Unendliche theilbar, ohne doch darum aus unendlich viel Theilen zu beſtehen. Es ſcheinet zwar: daß, da ein Coͤrper als Subſtanz im Raume vorgeſtellet werden muß, er, was das Geſetz der Theilbarkeit des Raumes betrift, hierin von dieſem unterſchieden ſeyn werde: denn man kan es allenfalls wol zugeben: daß die Decompoſition im lezteren niemals alle Zuſammenſetzung wegſchaffen koͤnne, indem alsdenn ſo gar aller Raum, der ſonſt nichts Selbſtſtaͤndiges hat, aufhoͤ- ren wuͤrde (welches unmoͤglich iſt); allein daß, wenn alle Zuſammenſetzung der Materie in Gedanken aufgehoben wuͤr- de, gar nichts uͤbrig bleiben ſolle, ſcheint ſich nicht mit dem Begriffe einer Subſtanz vereinigen zu laſſen, die ei- gentlich das Subiect aller Zuſammenſetzung ſeyn ſolte, und in ihren Elementen uͤbrig bleiben muͤßte, wenn gleich die Verknuͤpfung derſelben im Raume, dadurch ſie einen Coͤr- per ausmachen, aufgehoben waͤre. Allein mit dem, was in der Erſcheinung Subſtanz heißt, iſt es nicht ſo be- wandt, als man es wol von einem Dinge an ſich ſelbſt durch reinen Verſtandesbegriff denken wuͤrde. Jenes iſt nicht abſolutes Subiect, ſondern beharrliches Bild der Sinn-

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/555>, abgerufen am 22.11.2024.