Seits, begränzt seyn. Da sie nun, als Erscheinung, kei- nes von beiden an sich selbst seyn kan, denn Erscheinung ist kein Ding an sich selbst, so müßte eine Wahrnehmung der Begränzung durch schlechthin leere Zeit, oder leeren Raum, möglich seyn, durch welche diese Weltenden in einer möglichen Erfahrung gegeben wären. Eine solche Erfah- rung aber, als völlig leer an Inhalt, ist unmöglich. Also ist eine absolute Weltgränze empirisch, mithin auch schlech- terdings unmöglich*).
Hieraus folgt denn zugleich die beiahende Antwort: der Regressus in der Reihe der Welterscheinungen, als eine Bestimmung der Weltgrösse, geht in indefinitum, welches eben so viel sagt, als: die Sinnenwelt hat keine absolute Grösse, sondern der empirische Regressus (wo- durch sie auf der Seite ihrer Bedingungen allein gegeben werden kan) hat seine Regel, nemlich von einem ieden Gliede der Reihe, als einem Bedingten, iederzeit zu einem noch entfernetern (es fey durch eigene Erfahrung, oder
den
*) Man wird bemerken: daß der Beweis hier auf ganz andere Art geführt worden, als der dogmatische, oben in der Antithesis der ersten Antinomie. Daselbst hatten wir die Sinnenwelt, nach der gemeinen und dogmati- schen Vorstellungsart, vor ein Ding, was an sich selbst, vor allem Regressus, seiner Totalität nach gegeben war, gelten lassen, und hatten ihr, wenn sie nicht alle Zeit und alle Räume einnähme, überhaupt irgend eine be- stimte Stelle in beiden abgesprochen. Daher war die Folgerung auch anders, als hier, nemlich es wurde auf die wirkliche Unendlichkeit derselben geschlossen.
K k 5
IX. Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc.
Seits, begraͤnzt ſeyn. Da ſie nun, als Erſcheinung, kei- nes von beiden an ſich ſelbſt ſeyn kan, denn Erſcheinung iſt kein Ding an ſich ſelbſt, ſo muͤßte eine Wahrnehmung der Begraͤnzung durch ſchlechthin leere Zeit, oder leeren Raum, moͤglich ſeyn, durch welche dieſe Weltenden in einer moͤglichen Erfahrung gegeben waͤren. Eine ſolche Erfah- rung aber, als voͤllig leer an Inhalt, iſt unmoͤglich. Alſo iſt eine abſolute Weltgraͤnze empiriſch, mithin auch ſchlech- terdings unmoͤglich*).
Hieraus folgt denn zugleich die beiahende Antwort: der Regreſſus in der Reihe der Welterſcheinungen, als eine Beſtimmung der Weltgroͤſſe, geht in indefinitum, welches eben ſo viel ſagt, als: die Sinnenwelt hat keine abſolute Groͤſſe, ſondern der empiriſche Regreſſus (wo- durch ſie auf der Seite ihrer Bedingungen allein gegeben werden kan) hat ſeine Regel, nemlich von einem ieden Gliede der Reihe, als einem Bedingten, iederzeit zu einem noch entfernetern (es fey durch eigene Erfahrung, oder
den
*) Man wird bemerken: daß der Beweis hier auf ganz andere Art gefuͤhrt worden, als der dogmatiſche, oben in der Antitheſis der erſten Antinomie. Daſelbſt hatten wir die Sinnenwelt, nach der gemeinen und dogmati- ſchen Vorſtellungsart, vor ein Ding, was an ſich ſelbſt, vor allem Regreſſus, ſeiner Totalitaͤt nach gegeben war, gelten laſſen, und hatten ihr, wenn ſie nicht alle Zeit und alle Raͤume einnaͤhme, uͤberhaupt irgend eine be- ſtimte Stelle in beiden abgeſprochen. Daher war die Folgerung auch anders, als hier, nemlich es wurde auf die wirkliche Unendlichkeit derſelben geſchloſſen.
K k 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><p><pbfacs="#f0551"n="521"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">IX.</hi> Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc.</fw><lb/>
Seits, begraͤnzt ſeyn. Da ſie nun, als Erſcheinung, kei-<lb/>
nes von beiden an ſich ſelbſt ſeyn kan, denn Erſcheinung<lb/>
iſt kein Ding an ſich ſelbſt, ſo muͤßte eine Wahrnehmung<lb/>
der Begraͤnzung durch ſchlechthin leere Zeit, oder leeren<lb/>
Raum, moͤglich ſeyn, durch welche dieſe Weltenden in einer<lb/>
moͤglichen Erfahrung gegeben waͤren. Eine ſolche Erfah-<lb/>
rung aber, als voͤllig leer an Inhalt, iſt unmoͤglich. Alſo<lb/>
iſt eine abſolute Weltgraͤnze empiriſch, mithin auch ſchlech-<lb/>
terdings unmoͤglich<noteplace="foot"n="*)">Man wird bemerken: daß der Beweis hier auf ganz<lb/>
andere Art gefuͤhrt worden, als der dogmatiſche, oben in<lb/>
der Antitheſis der erſten Antinomie. Daſelbſt hatten<lb/>
wir die Sinnenwelt, nach der gemeinen und dogmati-<lb/>ſchen Vorſtellungsart, vor ein Ding, was an ſich ſelbſt,<lb/>
vor allem Regreſſus, ſeiner Totalitaͤt nach gegeben war,<lb/>
gelten laſſen, und hatten ihr, wenn ſie nicht alle Zeit<lb/>
und alle Raͤume einnaͤhme, uͤberhaupt irgend eine be-<lb/>ſtimte Stelle in beiden abgeſprochen. Daher war die<lb/>
Folgerung auch anders, als hier, nemlich es wurde auf<lb/>
die wirkliche Unendlichkeit derſelben geſchloſſen.</note>.</p><lb/><p>Hieraus folgt denn zugleich die beiahende Antwort:<lb/>
der Regreſſus in der Reihe der Welterſcheinungen, als<lb/>
eine Beſtimmung der Weltgroͤſſe, geht <hirendition="#aq">in indefinitum,</hi><lb/>
welches eben ſo viel ſagt, als: die Sinnenwelt hat keine<lb/>
abſolute Groͤſſe, ſondern der empiriſche Regreſſus (wo-<lb/>
durch ſie auf der Seite ihrer Bedingungen allein gegeben<lb/>
werden kan) hat ſeine Regel, nemlich von einem ieden<lb/>
Gliede der Reihe, als einem Bedingten, iederzeit zu einem<lb/>
noch entfernetern (es fey durch eigene Erfahrung, oder<lb/><fwplace="bottom"type="sig">K k 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[521/0551]
IX. Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc.
Seits, begraͤnzt ſeyn. Da ſie nun, als Erſcheinung, kei-
nes von beiden an ſich ſelbſt ſeyn kan, denn Erſcheinung
iſt kein Ding an ſich ſelbſt, ſo muͤßte eine Wahrnehmung
der Begraͤnzung durch ſchlechthin leere Zeit, oder leeren
Raum, moͤglich ſeyn, durch welche dieſe Weltenden in einer
moͤglichen Erfahrung gegeben waͤren. Eine ſolche Erfah-
rung aber, als voͤllig leer an Inhalt, iſt unmoͤglich. Alſo
iſt eine abſolute Weltgraͤnze empiriſch, mithin auch ſchlech-
terdings unmoͤglich *).
Hieraus folgt denn zugleich die beiahende Antwort:
der Regreſſus in der Reihe der Welterſcheinungen, als
eine Beſtimmung der Weltgroͤſſe, geht in indefinitum,
welches eben ſo viel ſagt, als: die Sinnenwelt hat keine
abſolute Groͤſſe, ſondern der empiriſche Regreſſus (wo-
durch ſie auf der Seite ihrer Bedingungen allein gegeben
werden kan) hat ſeine Regel, nemlich von einem ieden
Gliede der Reihe, als einem Bedingten, iederzeit zu einem
noch entfernetern (es fey durch eigene Erfahrung, oder
den
*) Man wird bemerken: daß der Beweis hier auf ganz
andere Art gefuͤhrt worden, als der dogmatiſche, oben in
der Antitheſis der erſten Antinomie. Daſelbſt hatten
wir die Sinnenwelt, nach der gemeinen und dogmati-
ſchen Vorſtellungsart, vor ein Ding, was an ſich ſelbſt,
vor allem Regreſſus, ſeiner Totalitaͤt nach gegeben war,
gelten laſſen, und hatten ihr, wenn ſie nicht alle Zeit
und alle Raͤume einnaͤhme, uͤberhaupt irgend eine be-
ſtimte Stelle in beiden abgeſprochen. Daher war die
Folgerung auch anders, als hier, nemlich es wurde auf
die wirkliche Unendlichkeit derſelben geſchloſſen.
K k 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/551>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.