überhaupt, sondern eine reine Anschauung. Denn erstlich kan man sich nur einen einigen Raum vorstellen, und wenn man von vielen Räumen redet, so verstehet man darunter nur Theile eines und desselben alleinigen Raumes. Diese Theile können auch nicht vor dem einigen allbefassenden Raume gleichsam als dessen Bestandtheile, (daraus seine Zusammensetzung möglich sey) vorhergehen, sondern nur in ihm gedacht werden. Er ist wesentlich einig, das Man- nigfaltige in ihm, mithin auch der allgemeine Begriff von Räumen überhaupt beruht lediglich auf Einschränkungen. Hieraus folgt, daß in Ansehung seiner eine Anschauung a priori, (die nicht empirisch ist) allen Begriffen von den- selben zum Grunde liege. So werden auch alle geome- trische Grundsätze, z. E. daß in einem Triangel zwey Sei- ten zusammen größer seyn, als die dritte, niemals aus allgemeinen Begriffen von Linie und Triangel, sondern aus der Anschauung und zwar a priori mit apodictischer Ge- wißheit abgeleitet.
5) Der Raum wird als eine unendliche Größe ge- geben vorgestellt. Ein allgemeiner Begriff vom Raum (der so wohl in dem Fusse, als einer Elle gemein ist,) kan in Ansehung der Grösse nichts bestimmen. Wäre es nicht die Grenzenlosigkeit im Fortgange der Anschauung, so würde kein Begriff von Verhältnissen ein Principium der Unendlichkeit derselben bey sich führen.
Schlüsse
B 5
I. Abſchnitt. Von dem Raume.
uͤberhaupt, ſondern eine reine Anſchauung. Denn erſtlich kan man ſich nur einen einigen Raum vorſtellen, und wenn man von vielen Raͤumen redet, ſo verſtehet man darunter nur Theile eines und deſſelben alleinigen Raumes. Dieſe Theile koͤnnen auch nicht vor dem einigen allbefaſſenden Raume gleichſam als deſſen Beſtandtheile, (daraus ſeine Zuſammenſetzung moͤglich ſey) vorhergehen, ſondern nur in ihm gedacht werden. Er iſt weſentlich einig, das Man- nigfaltige in ihm, mithin auch der allgemeine Begriff von Raͤumen uͤberhaupt beruht lediglich auf Einſchraͤnkungen. Hieraus folgt, daß in Anſehung ſeiner eine Anſchauung a priori, (die nicht empiriſch iſt) allen Begriffen von den- ſelben zum Grunde liege. So werden auch alle geome- triſche Grundſaͤtze, z. E. daß in einem Triangel zwey Sei- ten zuſammen groͤßer ſeyn, als die dritte, niemals aus allgemeinen Begriffen von Linie und Triangel, ſondern aus der Anſchauung und zwar a priori mit apodictiſcher Ge- wißheit abgeleitet.
5) Der Raum wird als eine unendliche Groͤße ge- geben vorgeſtellt. Ein allgemeiner Begriff vom Raum (der ſo wohl in dem Fuſſe, als einer Elle gemein iſt,) kan in Anſehung der Groͤſſe nichts beſtimmen. Waͤre es nicht die Grenzenloſigkeit im Fortgange der Anſchauung, ſo wuͤrde kein Begriff von Verhaͤltniſſen ein Principium der Unendlichkeit derſelben bey ſich fuͤhren.
Schluͤſſe
B 5
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I. Abſchnitt. Von dem Raume.
uͤberhaupt, ſondern eine reine Anſchauung. Denn erſtlich
kan man ſich nur einen einigen Raum vorſtellen, und wenn
man von vielen Raͤumen redet, ſo verſtehet man darunter
nur Theile eines und deſſelben alleinigen Raumes. Dieſe
Theile koͤnnen auch nicht vor dem einigen allbefaſſenden
Raume gleichſam als deſſen Beſtandtheile, (daraus ſeine
Zuſammenſetzung moͤglich ſey) vorhergehen, ſondern nur
in ihm gedacht werden. Er iſt weſentlich einig, das Man-
nigfaltige in ihm, mithin auch der allgemeine Begriff von
Raͤumen uͤberhaupt beruht lediglich auf Einſchraͤnkungen.
Hieraus folgt, daß in Anſehung ſeiner eine Anſchauung
a priori, (die nicht empiriſch iſt) allen Begriffen von den-
ſelben zum Grunde liege. So werden auch alle geome-
triſche Grundſaͤtze, z. E. daß in einem Triangel zwey Sei-
ten zuſammen groͤßer ſeyn, als die dritte, niemals aus
allgemeinen Begriffen von Linie und Triangel, ſondern aus
der Anſchauung und zwar a priori mit apodictiſcher Ge-
wißheit abgeleitet.
5) Der Raum wird als eine unendliche Groͤße ge-
geben vorgeſtellt. Ein allgemeiner Begriff vom Raum
(der ſo wohl in dem Fuſſe, als einer Elle gemein iſt,) kan
in Anſehung der Groͤſſe nichts beſtimmen. Waͤre es nicht
die Grenzenloſigkeit im Fortgange der Anſchauung, ſo
wuͤrde kein Begriff von Verhaͤltniſſen ein Principium der
Unendlichkeit derſelben bey ſich fuͤhren.
Schluͤſſe
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/55>, abgerufen am 27.11.2024.
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