VIII. Absch. Regulatives Princip. d. r. Vernunft etc.
indefinitum) statt. So muß von der Theilung einer zwischen ihren Gränzen gegebenen Materie (eines Cörpers) gesagt werden: sie gehe ins Unendliche. Denn diese Ma- terie ist ganz, folglich mit allen ihren möglichen Theilen, in der empirischen Anschauung gegeben. Da nun die Be- dingung dieses Ganzen sein Theil und die Bedingung die- ses Theils der Theil vom Theile u. s. w. ist, und in die- sem Regressus der Decomposition niemals ein Unbedingtes (untheilbares) Glied dieser Reihe von Bedingungen ange- troffen wird, so ist nicht allein nirgend ein empirischer Grund, in der Theilung aufzuhören, sondern die fernere Glieder der fortzusetzenden Theilung sind selbst vor dieser weitergehenden Theilung empirisch gegeben, d. i. die Theilung geht ins Unendliche. Dagegen ist die Reihe der Voreltern zu einem gegebenen Menschen in keiner mögli- chen Erfahrung, in ihrer absoluten Totalität, gegeben, der Regressus aber geht doch von iedem Gliede dieser Zeu- gung zu einem höhern, so, daß keine empirische Gränze anzutreffen ist, die ein Glied, als schlechthin unbedingt, darstellete. Da aber gleichwol auch die Glieder, die hie- zu die Bedingung abgeben könten, nicht in der empirischen Anschauung des Ganzen schon vor dem Regressus liegen [:] so geht dieser nicht ins Unendliche (der Theilung des gege- benen), sondern in unbestimbare Weite, der Aufsuchung mehrerer Glieder zu den gegebenen, die wiederum iederzeit nur bedingt gegeben sind.
In
K k
VIII. Abſch. Regulatives Princip. d. r. Vernunft ꝛc.
indefinitum) ſtatt. So muß von der Theilung einer zwiſchen ihren Graͤnzen gegebenen Materie (eines Coͤrpers) geſagt werden: ſie gehe ins Unendliche. Denn dieſe Ma- terie iſt ganz, folglich mit allen ihren moͤglichen Theilen, in der empiriſchen Anſchauung gegeben. Da nun die Be- dingung dieſes Ganzen ſein Theil und die Bedingung die- ſes Theils der Theil vom Theile u. ſ. w. iſt, und in die- ſem Regreſſus der Decompoſition niemals ein Unbedingtes (untheilbares) Glied dieſer Reihe von Bedingungen ange- troffen wird, ſo iſt nicht allein nirgend ein empiriſcher Grund, in der Theilung aufzuhoͤren, ſondern die fernere Glieder der fortzuſetzenden Theilung ſind ſelbſt vor dieſer weitergehenden Theilung empiriſch gegeben, d. i. die Theilung geht ins Unendliche. Dagegen iſt die Reihe der Voreltern zu einem gegebenen Menſchen in keiner moͤgli- chen Erfahrung, in ihrer abſoluten Totalitaͤt, gegeben, der Regreſſus aber geht doch von iedem Gliede dieſer Zeu- gung zu einem hoͤhern, ſo, daß keine empiriſche Graͤnze anzutreffen iſt, die ein Glied, als ſchlechthin unbedingt, darſtellete. Da aber gleichwol auch die Glieder, die hie- zu die Bedingung abgeben koͤnten, nicht in der empiriſchen Anſchauung des Ganzen ſchon vor dem Regreſſus liegen [:] ſo geht dieſer nicht ins Unendliche (der Theilung des gege- benen), ſondern in unbeſtimbare Weite, der Aufſuchung mehrerer Glieder zu den gegebenen, die wiederum iederzeit nur bedingt gegeben ſind.
In
K k
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><p><pbfacs="#f0543"n="513"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">VIII.</hi> Abſch. Regulatives Princip. d. r. Vernunft ꝛc.</fw><lb/><hirendition="#aq">indefinitum</hi>) ſtatt. So muß von der Theilung einer<lb/>
zwiſchen ihren Graͤnzen gegebenen Materie (eines Coͤrpers)<lb/>
geſagt werden: ſie gehe ins Unendliche. Denn dieſe Ma-<lb/>
terie iſt ganz, folglich mit allen ihren moͤglichen Theilen,<lb/>
in der empiriſchen Anſchauung gegeben. Da nun die Be-<lb/>
dingung dieſes Ganzen ſein Theil und die Bedingung die-<lb/>ſes Theils der Theil vom Theile u. ſ. w. iſt, und in die-<lb/>ſem Regreſſus der Decompoſition niemals ein Unbedingtes<lb/>
(untheilbares) Glied dieſer Reihe von Bedingungen ange-<lb/>
troffen wird, ſo iſt nicht allein nirgend ein empiriſcher<lb/>
Grund, in der Theilung aufzuhoͤren, ſondern die fernere<lb/>
Glieder der fortzuſetzenden Theilung ſind ſelbſt vor dieſer<lb/>
weitergehenden Theilung empiriſch gegeben, d. i. die<lb/>
Theilung geht ins Unendliche. Dagegen iſt die Reihe der<lb/>
Voreltern zu einem gegebenen Menſchen in keiner moͤgli-<lb/>
chen Erfahrung, in ihrer abſoluten Totalitaͤt, gegeben,<lb/>
der Regreſſus aber geht doch von iedem Gliede dieſer Zeu-<lb/>
gung zu einem hoͤhern, ſo, daß keine empiriſche Graͤnze<lb/>
anzutreffen iſt, die ein Glied, als ſchlechthin unbedingt,<lb/>
darſtellete. Da aber gleichwol auch die Glieder, die hie-<lb/>
zu die Bedingung abgeben koͤnten, nicht in der empiriſchen<lb/>
Anſchauung des Ganzen ſchon vor dem Regreſſus liegen <supplied>:</supplied><lb/>ſo geht dieſer nicht ins Unendliche (der Theilung des gege-<lb/>
benen), ſondern in unbeſtimbare Weite, der Aufſuchung<lb/>
mehrerer Glieder zu den gegebenen, die wiederum iederzeit<lb/>
nur bedingt gegeben ſind.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">K k</fw><fwplace="bottom"type="catch">In</fw><lb/></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[513/0543]
VIII. Abſch. Regulatives Princip. d. r. Vernunft ꝛc.
indefinitum) ſtatt. So muß von der Theilung einer
zwiſchen ihren Graͤnzen gegebenen Materie (eines Coͤrpers)
geſagt werden: ſie gehe ins Unendliche. Denn dieſe Ma-
terie iſt ganz, folglich mit allen ihren moͤglichen Theilen,
in der empiriſchen Anſchauung gegeben. Da nun die Be-
dingung dieſes Ganzen ſein Theil und die Bedingung die-
ſes Theils der Theil vom Theile u. ſ. w. iſt, und in die-
ſem Regreſſus der Decompoſition niemals ein Unbedingtes
(untheilbares) Glied dieſer Reihe von Bedingungen ange-
troffen wird, ſo iſt nicht allein nirgend ein empiriſcher
Grund, in der Theilung aufzuhoͤren, ſondern die fernere
Glieder der fortzuſetzenden Theilung ſind ſelbſt vor dieſer
weitergehenden Theilung empiriſch gegeben, d. i. die
Theilung geht ins Unendliche. Dagegen iſt die Reihe der
Voreltern zu einem gegebenen Menſchen in keiner moͤgli-
chen Erfahrung, in ihrer abſoluten Totalitaͤt, gegeben,
der Regreſſus aber geht doch von iedem Gliede dieſer Zeu-
gung zu einem hoͤhern, ſo, daß keine empiriſche Graͤnze
anzutreffen iſt, die ein Glied, als ſchlechthin unbedingt,
darſtellete. Da aber gleichwol auch die Glieder, die hie-
zu die Bedingung abgeben koͤnten, nicht in der empiriſchen
Anſchauung des Ganzen ſchon vor dem Regreſſus liegen :
ſo geht dieſer nicht ins Unendliche (der Theilung des gege-
benen), ſondern in unbeſtimbare Weite, der Aufſuchung
mehrerer Glieder zu den gegebenen, die wiederum iederzeit
nur bedingt gegeben ſind.
In
K k
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/543>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.