VII. Absch. Critische Entscheidung des cosmol. etc.
sey. Woraus denn folgt: daß Erscheinungen überhaupt ausser unseren Vorstellungen nichts sind, welches wir eben durch die transscendentale Idealität derselben sagen wolten.
Diese Anmerkung ist von Wichtigkeit. Man siehet daraus: daß die obige Beweise der vierfachen Antinomie nicht Blendwerke, sondern gründlich waren, unter der Vor- aussetzung nemlich: daß Erscheinungen oder eine Sinnen- welt, die sie insgesamt in sich begreift, Dinge an sich selbst wären. Der Widerstreit der daraus gezogenen Sätze ent- dekt aber: daß in der Voraussetzung eine Falschheit liege, und bringt uns dadurch zu einer Entdeckung der wahren Beschaffenheit der Dinge, als Gegenstände der Sinne. Die transscendentale Dialectik thut also keinesweges dem Scep- ticism einigen Vorschub, wol aber der sceptischen Metho- de, welche an ihr ein Beispiel ihres grossen Nutzens auf- weisen kan, wenn man die Argumente der Vernunft in ihrer größten Freiheit gegen einander auftreten läßt, die, ob sie gleich zuletzt nicht dasienige, was man suchte, den- noch iederzeit etwas Nüzliches und zur Berichtigung un- serer Urtheile dienliches, liefern werden.
Der
VII. Abſch. Critiſche Entſcheidung des cosmol. ꝛc.
ſey. Woraus denn folgt: daß Erſcheinungen uͤberhaupt auſſer unſeren Vorſtellungen nichts ſind, welches wir eben durch die transſcendentale Idealitaͤt derſelben ſagen wolten.
Dieſe Anmerkung iſt von Wichtigkeit. Man ſiehet daraus: daß die obige Beweiſe der vierfachen Antinomie nicht Blendwerke, ſondern gruͤndlich waren, unter der Vor- ausſetzung nemlich: daß Erſcheinungen oder eine Sinnen- welt, die ſie insgeſamt in ſich begreift, Dinge an ſich ſelbſt waͤren. Der Widerſtreit der daraus gezogenen Saͤtze ent- dekt aber: daß in der Vorausſetzung eine Falſchheit liege, und bringt uns dadurch zu einer Entdeckung der wahren Beſchaffenheit der Dinge, als Gegenſtaͤnde der Sinne. Die transſcendentale Dialectik thut alſo keinesweges dem Scep- ticism einigen Vorſchub, wol aber der ſceptiſchen Metho- de, welche an ihr ein Beiſpiel ihres groſſen Nutzens auf- weiſen kan, wenn man die Argumente der Vernunft in ihrer groͤßten Freiheit gegen einander auftreten laͤßt, die, ob ſie gleich zuletzt nicht dasienige, was man ſuchte, den- noch iederzeit etwas Nuͤzliches und zur Berichtigung un- ſerer Urtheile dienliches, liefern werden.
Der
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VII. Abſch. Critiſche Entſcheidung des cosmol. ꝛc.
ſey. Woraus denn folgt: daß Erſcheinungen uͤberhaupt
auſſer unſeren Vorſtellungen nichts ſind, welches wir eben
durch die transſcendentale Idealitaͤt derſelben ſagen wolten.
Dieſe Anmerkung iſt von Wichtigkeit. Man ſiehet
daraus: daß die obige Beweiſe der vierfachen Antinomie
nicht Blendwerke, ſondern gruͤndlich waren, unter der Vor-
ausſetzung nemlich: daß Erſcheinungen oder eine Sinnen-
welt, die ſie insgeſamt in ſich begreift, Dinge an ſich ſelbſt
waͤren. Der Widerſtreit der daraus gezogenen Saͤtze ent-
dekt aber: daß in der Vorausſetzung eine Falſchheit liege,
und bringt uns dadurch zu einer Entdeckung der wahren
Beſchaffenheit der Dinge, als Gegenſtaͤnde der Sinne. Die
transſcendentale Dialectik thut alſo keinesweges dem Scep-
ticism einigen Vorſchub, wol aber der ſceptiſchen Metho-
de, welche an ihr ein Beiſpiel ihres groſſen Nutzens auf-
weiſen kan, wenn man die Argumente der Vernunft in
ihrer groͤßten Freiheit gegen einander auftreten laͤßt, die,
ob ſie gleich zuletzt nicht dasienige, was man ſuchte, den-
noch iederzeit etwas Nuͤzliches und zur Berichtigung un-
ſerer Urtheile dienliches, liefern werden.
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/537>, abgerufen am 22.11.2024.
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