Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

VII. Absch. Critische Entscheidung des cosmol. rc
siven Regressus möglich sind, der nur dadurch gegeben ist,
daß man ihn wirklich vollführt.

Nach der Ueberweisung eines solchen Fehltritts, des
gemeinschaftlich zum Grunde (der cosmologischen Behaup-
tungen) gelegten Arguments, können beide streitende Theile
mit Recht, als solche, die ihre Foderung auf keinen gründ-
lichen Titel gründen, abgewiesen werden. Dadurch aber
ist ihr Zwist noch nicht in so fern geendigt, daß sie über-
führt worden wären, sie, oder einer von beiden, hätte
in der Sache selbst, die er behauptet, (im Schlußsatze)
Unrecht, wenn er sie gleich nicht auf tüchtige Beweisgrün-
de zu bauen wußte. Es scheinet doch nichts klärer, als
daß von zween, deren der eine behauptet: die Welt
hat einen Anfang, der andere: die Welt hat keinen An-
fang, sondern sie ist von Ewigkeit her, doch einer Recht
haben müsse. Ist aber dieses: so ist es, weil die Klar-
heit auf beiden Seiten gleich ist, doch unmöglich, iemals
auszumitteln, auf welcher Seite das Recht sey und der
Streit dauert nach wie vor, wenn die Partheyen gleich
bey dem Gerichtshofe der Vernunft zur Ruhe verwiesen
worden. Es bleibt also kein Mittel übrig, den Streit
gründlich und zur Zufriedenheit beider Theile zu endigen,
als daß, da sie einander doch so schön widerlegen können,
endlich überführt werden, daß sie um Nichts streiten, und
ein gewisser transscendentaler Schein ihnen da eine Wirk-
lichkeit vorgemahlt habe, wo keine anzutreffen ist. Die-

sen
I i 3

VII. Abſch. Critiſche Entſcheidung des cosmol. ꝛc
ſiven Regreſſus moͤglich ſind, der nur dadurch gegeben iſt,
daß man ihn wirklich vollfuͤhrt.

Nach der Ueberweiſung eines ſolchen Fehltritts, des
gemeinſchaftlich zum Grunde (der cosmologiſchen Behaup-
tungen) gelegten Arguments, koͤnnen beide ſtreitende Theile
mit Recht, als ſolche, die ihre Foderung auf keinen gruͤnd-
lichen Titel gruͤnden, abgewieſen werden. Dadurch aber
iſt ihr Zwiſt noch nicht in ſo fern geendigt, daß ſie uͤber-
fuͤhrt worden waͤren, ſie, oder einer von beiden, haͤtte
in der Sache ſelbſt, die er behauptet, (im Schlußſatze)
Unrecht, wenn er ſie gleich nicht auf tuͤchtige Beweisgruͤn-
de zu bauen wußte. Es ſcheinet doch nichts klaͤrer, als
daß von zween, deren der eine behauptet: die Welt
hat einen Anfang, der andere: die Welt hat keinen An-
fang, ſondern ſie iſt von Ewigkeit her, doch einer Recht
haben muͤſſe. Iſt aber dieſes: ſo iſt es, weil die Klar-
heit auf beiden Seiten gleich iſt, doch unmoͤglich, iemals
auszumitteln, auf welcher Seite das Recht ſey und der
Streit dauert nach wie vor, wenn die Partheyen gleich
bey dem Gerichtshofe der Vernunft zur Ruhe verwieſen
worden. Es bleibt alſo kein Mittel uͤbrig, den Streit
gruͤndlich und zur Zufriedenheit beider Theile zu endigen,
als daß, da ſie einander doch ſo ſchoͤn widerlegen koͤnnen,
endlich uͤberfuͤhrt werden, daß ſie um Nichts ſtreiten, und
ein gewiſſer transſcendentaler Schein ihnen da eine Wirk-
lichkeit vorgemahlt habe, wo keine anzutreffen iſt. Die-

ſen
I i 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0531" n="501"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Ab&#x017F;ch. Criti&#x017F;che Ent&#x017F;cheidung des cosmol. &#xA75B;c</fw><lb/>
&#x017F;iven Regre&#x017F;&#x017F;us mo&#x0364;glich &#x017F;ind, der nur dadurch gegeben i&#x017F;t,<lb/>
daß man ihn wirklich vollfu&#x0364;hrt.</p><lb/>
                      <p>Nach der Ueberwei&#x017F;ung eines &#x017F;olchen Fehltritts, des<lb/>
gemein&#x017F;chaftlich zum Grunde (der cosmologi&#x017F;chen Behaup-<lb/>
tungen) gelegten Arguments, ko&#x0364;nnen beide &#x017F;treitende Theile<lb/>
mit Recht, als &#x017F;olche, die ihre Foderung auf keinen gru&#x0364;nd-<lb/>
lichen Titel gru&#x0364;nden, abgewie&#x017F;en werden. Dadurch aber<lb/>
i&#x017F;t ihr Zwi&#x017F;t noch nicht in &#x017F;o fern geendigt, daß &#x017F;ie u&#x0364;ber-<lb/>
fu&#x0364;hrt worden wa&#x0364;ren, &#x017F;ie, oder einer von beiden, ha&#x0364;tte<lb/>
in der Sache &#x017F;elb&#x017F;t, die er behauptet, (im Schluß&#x017F;atze)<lb/>
Unrecht, wenn er &#x017F;ie gleich nicht auf tu&#x0364;chtige Beweisgru&#x0364;n-<lb/>
de zu bauen wußte. Es &#x017F;cheinet doch nichts kla&#x0364;rer, als<lb/>
daß von zween, deren der eine behauptet: die Welt<lb/>
hat einen Anfang, der andere: die Welt hat keinen An-<lb/>
fang, &#x017F;ondern &#x017F;ie i&#x017F;t von Ewigkeit her, doch einer Recht<lb/>
haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. I&#x017F;t aber die&#x017F;es: &#x017F;o i&#x017F;t es, weil die Klar-<lb/>
heit auf beiden Seiten gleich i&#x017F;t, doch unmo&#x0364;glich, iemals<lb/>
auszumitteln, auf welcher Seite das Recht &#x017F;ey und der<lb/>
Streit dauert nach wie vor, wenn die Partheyen gleich<lb/>
bey dem Gerichtshofe der Vernunft zur Ruhe verwie&#x017F;en<lb/>
worden. Es bleibt al&#x017F;o kein Mittel u&#x0364;brig, den Streit<lb/>
gru&#x0364;ndlich und zur Zufriedenheit beider Theile zu endigen,<lb/>
als daß, da &#x017F;ie einander doch &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n widerlegen ko&#x0364;nnen,<lb/>
endlich u&#x0364;berfu&#x0364;hrt werden, daß &#x017F;ie um Nichts &#x017F;treiten, und<lb/>
ein gewi&#x017F;&#x017F;er trans&#x017F;cendentaler Schein ihnen da eine Wirk-<lb/>
lichkeit vorgemahlt habe, wo keine anzutreffen i&#x017F;t. Die-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">I i 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;en</fw><lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[501/0531] VII. Abſch. Critiſche Entſcheidung des cosmol. ꝛc ſiven Regreſſus moͤglich ſind, der nur dadurch gegeben iſt, daß man ihn wirklich vollfuͤhrt. Nach der Ueberweiſung eines ſolchen Fehltritts, des gemeinſchaftlich zum Grunde (der cosmologiſchen Behaup- tungen) gelegten Arguments, koͤnnen beide ſtreitende Theile mit Recht, als ſolche, die ihre Foderung auf keinen gruͤnd- lichen Titel gruͤnden, abgewieſen werden. Dadurch aber iſt ihr Zwiſt noch nicht in ſo fern geendigt, daß ſie uͤber- fuͤhrt worden waͤren, ſie, oder einer von beiden, haͤtte in der Sache ſelbſt, die er behauptet, (im Schlußſatze) Unrecht, wenn er ſie gleich nicht auf tuͤchtige Beweisgruͤn- de zu bauen wußte. Es ſcheinet doch nichts klaͤrer, als daß von zween, deren der eine behauptet: die Welt hat einen Anfang, der andere: die Welt hat keinen An- fang, ſondern ſie iſt von Ewigkeit her, doch einer Recht haben muͤſſe. Iſt aber dieſes: ſo iſt es, weil die Klar- heit auf beiden Seiten gleich iſt, doch unmoͤglich, iemals auszumitteln, auf welcher Seite das Recht ſey und der Streit dauert nach wie vor, wenn die Partheyen gleich bey dem Gerichtshofe der Vernunft zur Ruhe verwieſen worden. Es bleibt alſo kein Mittel uͤbrig, den Streit gruͤndlich und zur Zufriedenheit beider Theile zu endigen, als daß, da ſie einander doch ſo ſchoͤn widerlegen koͤnnen, endlich uͤberfuͤhrt werden, daß ſie um Nichts ſtreiten, und ein gewiſſer transſcendentaler Schein ihnen da eine Wirk- lichkeit vorgemahlt habe, wo keine anzutreffen iſt. Die- ſen I i 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/531
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/531>, abgerufen am 25.11.2024.