Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
nicht an sich Etwas, sondern blosse Vorstellungen sind, die, wenn sie nicht in uns, (in der Wahrnehmung) gege- ben sind, überall nirgend angetroffen werden.
Das sinnliche Anschauungsvermögen ist eigentlich nur eine Receptivität, auf gewisse Weise mit Vorstellun- gen afficirt zu werden, deren Verhältniß zu einander eine reine Anschauung des Raumes und der Zeit ist, (lauter Formen unserer Sinnlichkeit) und welche, so fern sie in diesem Verhältnisse (dem Raume und der Zeit) nach Ge- setzen der Einheit der Erfahrung verknüpft und bestimbar sind, Gegenstände heissen. Die nichtsinnliche Ursache dieser Vorstellungen ist uns gänzlich unbekant, und diese können wir daher nicht als Obiect anschauen; denn der- gleichen Gegenstand würde weder im Raume, noch der Zeit (als blossen Bedingungen der sinnlichen Vorstellung) vorgestellt werden müssen, ohne welche Bedingungen wir uns gar keine Anschauung denken können. Indessen kön- nen wir die blos intelligibele Ursache der Erscheinungen überhaupt, das transscendentale Obiect nennen, blos, da- mit wir etwas haben, was der Sinnlichkeit als einer Re- ceptivität correspondirt. Diesem transscendentalen Obiect können wir allen Umfang und Zusammenhang unserer möglichen Wahrnehmungen zuschreiben und sagen: daß es vor aller Erfahrung an sich selbst gegeben sey. Die Erscheinungen aber sind, ihm gemäß, nicht an sich, son- dern nur in dieser Erfahrung gegeben, weil sie blosse Vor- stellungen sind, die nur als Wahrnehmungen einen wirk-
lichen
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
nicht an ſich Etwas, ſondern bloſſe Vorſtellungen ſind, die, wenn ſie nicht in uns, (in der Wahrnehmung) gege- ben ſind, uͤberall nirgend angetroffen werden.
Das ſinnliche Anſchauungsvermoͤgen iſt eigentlich nur eine Receptivitaͤt, auf gewiſſe Weiſe mit Vorſtellun- gen afficirt zu werden, deren Verhaͤltniß zu einander eine reine Anſchauung des Raumes und der Zeit iſt, (lauter Formen unſerer Sinnlichkeit) und welche, ſo fern ſie in dieſem Verhaͤltniſſe (dem Raume und der Zeit) nach Ge- ſetzen der Einheit der Erfahrung verknuͤpft und beſtimbar ſind, Gegenſtaͤnde heiſſen. Die nichtſinnliche Urſache dieſer Vorſtellungen iſt uns gaͤnzlich unbekant, und dieſe koͤnnen wir daher nicht als Obiect anſchauen; denn der- gleichen Gegenſtand wuͤrde weder im Raume, noch der Zeit (als bloſſen Bedingungen der ſinnlichen Vorſtellung) vorgeſtellt werden muͤſſen, ohne welche Bedingungen wir uns gar keine Anſchauung denken koͤnnen. Indeſſen koͤn- nen wir die blos intelligibele Urſache der Erſcheinungen uͤberhaupt, das transſcendentale Obiect nennen, blos, da- mit wir etwas haben, was der Sinnlichkeit als einer Re- ceptivitaͤt correſpondirt. Dieſem transſcendentalen Obiect koͤnnen wir allen Umfang und Zuſammenhang unſerer moͤglichen Wahrnehmungen zuſchreiben und ſagen: daß es vor aller Erfahrung an ſich ſelbſt gegeben ſey. Die Erſcheinungen aber ſind, ihm gemaͤß, nicht an ſich, ſon- dern nur in dieſer Erfahrung gegeben, weil ſie bloſſe Vor- ſtellungen ſind, die nur als Wahrnehmungen einen wirk-
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
nicht an ſich Etwas, ſondern bloſſe Vorſtellungen ſind,
die, wenn ſie nicht in uns, (in der Wahrnehmung) gege-
ben ſind, uͤberall nirgend angetroffen werden.
Das ſinnliche Anſchauungsvermoͤgen iſt eigentlich
nur eine Receptivitaͤt, auf gewiſſe Weiſe mit Vorſtellun-
gen afficirt zu werden, deren Verhaͤltniß zu einander eine
reine Anſchauung des Raumes und der Zeit iſt, (lauter
Formen unſerer Sinnlichkeit) und welche, ſo fern ſie in
dieſem Verhaͤltniſſe (dem Raume und der Zeit) nach Ge-
ſetzen der Einheit der Erfahrung verknuͤpft und beſtimbar
ſind, Gegenſtaͤnde heiſſen. Die nichtſinnliche Urſache
dieſer Vorſtellungen iſt uns gaͤnzlich unbekant, und dieſe
koͤnnen wir daher nicht als Obiect anſchauen; denn der-
gleichen Gegenſtand wuͤrde weder im Raume, noch der
Zeit (als bloſſen Bedingungen der ſinnlichen Vorſtellung)
vorgeſtellt werden muͤſſen, ohne welche Bedingungen wir
uns gar keine Anſchauung denken koͤnnen. Indeſſen koͤn-
nen wir die blos intelligibele Urſache der Erſcheinungen
uͤberhaupt, das transſcendentale Obiect nennen, blos, da-
mit wir etwas haben, was der Sinnlichkeit als einer Re-
ceptivitaͤt correſpondirt. Dieſem transſcendentalen Obiect
koͤnnen wir allen Umfang und Zuſammenhang unſerer
moͤglichen Wahrnehmungen zuſchreiben und ſagen: daß
es vor aller Erfahrung an ſich ſelbſt gegeben ſey. Die
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/524>, abgerufen am 22.11.2024.
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