VI. Absch. Schlüssel der Auflösung der cosmol. etc.
blosse Vorstellungen sind, die, so wie sie vorgestellt werden, als ausgedehnte Wesen, oder Reihen von Veränderungen, ausser unseren Gedanken keine an sich gegründete Existenz haben. Diesen Lehrbegriff nenne ich den transscenden- talen Idealism. Der Realist in transscendentaler Be- deutung macht aus diesen Modificationen unserer Sinnlich- keit an sich subsistirende Dinge, und daher blosse Vor- stellungen zu Sachen an sich selbst.
Man würde uns Unrecht thun, wenn man uns den schon längst so verschrieenen empirischen Idealismus zumu- then wolte, der, indem er die eigene Wirklichkeit des Rau- mes annimt, das Daseyn der ausgedehnten Wesen in den- selben läugnet, wenigstens zweifelhaft findet, und zwischen Traum und Wahrheit in diesem Stücke keinen genugsam erweislichen Unterschied einräumet. Was die Erschei- nungen des innern Sinnes in der Zeit betrift, an denen, als wirklichen Dingen, findet er keine Schwierigkeit, ia er behauptet so gar: daß diese innere Erfahrung das wirk- liche Daseyn ihres Obiects (an sich selbst), (mit aller die- ser Zeitbestimmung), einzig und allein hinreichend be- weise.
Unser transscendentale Idealism erlaubt es dagegen: daß die Gegenstände äusserer Anschauung, eben so wie sie im Raume angeschauet werden, auch wirklich seyn, und in der Zeit alle Veränderungen, so wie sie der innere Sinn vorstellt. Denn, da der Raum schon eine Form derienigen Anschauung ist, die wir die äussere nennen,
und
VI. Abſch. Schluͤſſel der Aufloͤſung der cosmol. ꝛc.
bloſſe Vorſtellungen ſind, die, ſo wie ſie vorgeſtellt werden, als ausgedehnte Weſen, oder Reihen von Veraͤnderungen, auſſer unſeren Gedanken keine an ſich gegruͤndete Exiſtenz haben. Dieſen Lehrbegriff nenne ich den transſcenden- talen Idealism. Der Realiſt in transſcendentaler Be- deutung macht aus dieſen Modificationen unſerer Sinnlich- keit an ſich ſubſiſtirende Dinge, und daher bloſſe Vor- ſtellungen zu Sachen an ſich ſelbſt.
Man wuͤrde uns Unrecht thun, wenn man uns den ſchon laͤngſt ſo verſchrieenen empiriſchen Idealismus zumu- then wolte, der, indem er die eigene Wirklichkeit des Rau- mes annimt, das Daſeyn der ausgedehnten Weſen in den- ſelben laͤugnet, wenigſtens zweifelhaft findet, und zwiſchen Traum und Wahrheit in dieſem Stuͤcke keinen genugſam erweislichen Unterſchied einraͤumet. Was die Erſchei- nungen des innern Sinnes in der Zeit betrift, an denen, als wirklichen Dingen, findet er keine Schwierigkeit, ia er behauptet ſo gar: daß dieſe innere Erfahrung das wirk- liche Daſeyn ihres Obiects (an ſich ſelbſt), (mit aller die- ſer Zeitbeſtimmung), einzig und allein hinreichend be- weiſe.
Unſer transſcendentale Idealism erlaubt es dagegen: daß die Gegenſtaͤnde aͤuſſerer Anſchauung, eben ſo wie ſie im Raume angeſchauet werden, auch wirklich ſeyn, und in der Zeit alle Veraͤnderungen, ſo wie ſie der innere Sinn vorſtellt. Denn, da der Raum ſchon eine Form derienigen Anſchauung iſt, die wir die aͤuſſere nennen,
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VI. Abſch. Schluͤſſel der Aufloͤſung der cosmol. ꝛc.
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als ausgedehnte Weſen, oder Reihen von Veraͤnderungen,
auſſer unſeren Gedanken keine an ſich gegruͤndete Exiſtenz
haben. Dieſen Lehrbegriff nenne ich den transſcenden-
talen Idealism. Der Realiſt in transſcendentaler Be-
deutung macht aus dieſen Modificationen unſerer Sinnlich-
keit an ſich ſubſiſtirende Dinge, und daher bloſſe Vor-
ſtellungen zu Sachen an ſich ſelbſt.
Man wuͤrde uns Unrecht thun, wenn man uns den
ſchon laͤngſt ſo verſchrieenen empiriſchen Idealismus zumu-
then wolte, der, indem er die eigene Wirklichkeit des Rau-
mes annimt, das Daſeyn der ausgedehnten Weſen in den-
ſelben laͤugnet, wenigſtens zweifelhaft findet, und zwiſchen
Traum und Wahrheit in dieſem Stuͤcke keinen genugſam
erweislichen Unterſchied einraͤumet. Was die Erſchei-
nungen des innern Sinnes in der Zeit betrift, an denen,
als wirklichen Dingen, findet er keine Schwierigkeit, ia
er behauptet ſo gar: daß dieſe innere Erfahrung das wirk-
liche Daſeyn ihres Obiects (an ſich ſelbſt), (mit aller die-
ſer Zeitbeſtimmung), einzig und allein hinreichend be-
weiſe.
Unſer transſcendentale Idealism erlaubt es dagegen:
daß die Gegenſtaͤnde aͤuſſerer Anſchauung, eben ſo wie
ſie im Raume angeſchauet werden, auch wirklich ſeyn,
und in der Zeit alle Veraͤnderungen, ſo wie ſie der innere
Sinn vorſtellt. Denn, da der Raum ſchon eine Form
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/521>, abgerufen am 22.11.2024.
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