theil (seines Zustandes) ist zu einer andern Zeit wirklich, mithin auch möglich, mithin ist dieses nicht das contradi- ctorische Gegentheil des vorigen Zustandes, wozu erfodert wird, daß in derselben Zeit, da der vorige Zustand war, an die Stelle desselben sein Gegentheil hätte seyn können, welches aus der Veränderung gar nicht geschlossen werden kan. Ein Cörper, der in Bewegung war = A, kömt in Ruhe = non A. Daraus nun, daß ein entgegenge- sezter Zustand vom Zustande A auf diesen folgt, kan gar nicht geschlossen werden, daß das contradictorische Gegen- theil von A möglich,[ ]mithin A zufällig sey; denn dazu würde erfordert werden, daß in derselben Zeit, da die Bewegung war, anstatt derselben die Ruhe habe seyn können. Nun wissen wir nichts weiter, als daß die Ruhe in der folgenden Zeit wirklich, mithin auch möglich war. Bewegung aber zu einer Zeit, und Ruhe zu einer anderen Zeit sind einan- der nicht contradictorisch entgegengesezt. Also beweiset die Succession entgegengesezter Bestimmungen, d. i. die Ver- änderung, keinesweges die Zufälligkeit nach Begriffen des reinen Verstandes, und kan also auch nicht auf das Da- seyn eines nothwendigen Wesens nach reinen Verstandes- begriffen, führen. Die Veränderung beweiset nur die empirische Zufälligkeit, d. i. daß der neue Zustand vor sich selbst, ohne eine Ursache, die zur vorigen Zeit gehört, gar nicht hätte statt finden können, zu Folge dem Gesetze der Caussalität. Diese Ursache, und wenn sie auch als schlechthin nothwendig angenommen wird, muß auf diese Art doch in der Zeit angetroffen werden, und zur Reihe der Erscheinungen gehören.
Der
theil (ſeines Zuſtandes) iſt zu einer andern Zeit wirklich, mithin auch moͤglich, mithin iſt dieſes nicht das contradi- ctoriſche Gegentheil des vorigen Zuſtandes, wozu erfodert wird, daß in derſelben Zeit, da der vorige Zuſtand war, an die Stelle deſſelben ſein Gegentheil haͤtte ſeyn koͤnnen, welches aus der Veraͤnderung gar nicht geſchloſſen werden kan. Ein Coͤrper, der in Bewegung war = A, koͤmt in Ruhe = non A. Daraus nun, daß ein entgegenge- ſezter Zuſtand vom Zuſtande A auf dieſen folgt, kan gar nicht geſchloſſen werden, daß das contradictoriſche Gegen- theil von A moͤglich,[ ]mithin A zufaͤllig ſey; denn dazu wuͤrde erfordert werden, daß in derſelben Zeit, da die Bewegung war, anſtatt derſelben die Ruhe habe ſeyn koͤnnen. Nun wiſſen wir nichts weiter, als daß die Ruhe in der folgenden Zeit wirklich, mithin auch moͤglich war. Bewegung aber zu einer Zeit, und Ruhe zu einer anderen Zeit ſind einan- der nicht contradictoriſch entgegengeſezt. Alſo beweiſet die Succeſſion entgegengeſezter Beſtimmungen, d. i. die Ver- aͤnderung, keinesweges die Zufaͤlligkeit nach Begriffen des reinen Verſtandes, und kan alſo auch nicht auf das Da- ſeyn eines nothwendigen Weſens nach reinen Verſtandes- begriffen, fuͤhren. Die Veraͤnderung beweiſet nur die empiriſche Zufaͤlligkeit, d. i. daß der neue Zuſtand vor ſich ſelbſt, ohne eine Urſache, die zur vorigen Zeit gehoͤrt, gar nicht haͤtte ſtatt finden koͤnnen, zu Folge dem Geſetze der Cauſſalitaͤt. Dieſe Urſache, und wenn ſie auch als ſchlechthin nothwendig angenommen wird, muß auf dieſe Art doch in der Zeit angetroffen werden, und zur Reihe der Erſcheinungen gehoͤren.
Der
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theil (ſeines Zuſtandes) iſt zu einer andern Zeit wirklich,
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wird, daß in derſelben Zeit, da der vorige Zuſtand war,
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welches aus der Veraͤnderung gar nicht geſchloſſen werden
kan. Ein Coͤrper, der in Bewegung war = A, koͤmt in
Ruhe = non A. Daraus nun, daß ein entgegenge-
ſezter Zuſtand vom Zuſtande A auf dieſen folgt, kan gar
nicht geſchloſſen werden, daß das contradictoriſche Gegen-
theil von A moͤglich, mithin A zufaͤllig ſey; denn dazu wuͤrde
erfordert werden, daß in derſelben Zeit, da die Bewegung
war, anſtatt derſelben die Ruhe habe ſeyn koͤnnen. Nun
wiſſen wir nichts weiter, als daß die Ruhe in der folgenden
Zeit wirklich, mithin auch moͤglich war. Bewegung aber
zu einer Zeit, und Ruhe zu einer anderen Zeit ſind einan-
der nicht contradictoriſch entgegengeſezt. Alſo beweiſet die
Succeſſion entgegengeſezter Beſtimmungen, d. i. die Ver-
aͤnderung, keinesweges die Zufaͤlligkeit nach Begriffen des
reinen Verſtandes, und kan alſo auch nicht auf das Da-
ſeyn eines nothwendigen Weſens nach reinen Verſtandes-
begriffen, fuͤhren. Die Veraͤnderung beweiſet nur die
empiriſche Zufaͤlligkeit, d. i. daß der neue Zuſtand vor
ſich ſelbſt, ohne eine Urſache, die zur vorigen Zeit gehoͤrt,
gar nicht haͤtte ſtatt finden koͤnnen, zu Folge dem Geſetze
der Cauſſalitaͤt. Dieſe Urſache, und wenn ſie auch als
ſchlechthin nothwendig angenommen wird, muß auf dieſe
Art doch in der Zeit angetroffen werden, und zur Reihe
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. [460]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/490>, abgerufen am 21.11.2024.
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