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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Anmerkung zur dritten Antinomie
I. zur Thesis.

Die transscendentale Idee der Freiheit macht zwar
bey weitem nicht den ganzen Inhalt des psychologischen
Begriffs dieses Nahmens aus, welcher grossen Theils em-
pirisch ist, sondern nur den der absoluten Spontaneität
der Handlung, als den eigentlichen Grund der Imputabi-
lität derselben, ist aber dennoch der eigentliche Stein des
Anstosses vor die Philosophie, welche unüberwindliche
Schwierigkeiten findet, dergleichen Art von unbedingter
Caussalität einzuräumen. Dasienige also in der Frage
über die Freiheit des Willens, was die speculative Ver-
nunft von ieher in so grosse Verlegenheit gesezt hat, ist ei-
gentlich nur transscendental und gehet lediglich darauf:
ob ein Vermögen angenommen werden müsse, eine Reihe
von successiven Dingen oder Zuständen von selbst anzu-
fangen. Wie ein solches möglich sey, ist nicht eben so
nothwendig beantworten zu können, da wir uns eben so
wol bey der Caussalität nach Naturgesetzen damit begnü-
gen müssen, a priori zu erkennen, daß eine solche vorausge-
sezt werden müsse, ob wir gleich die Möglichkeit, wie
durch ein gewisses Daseyn das Daseyn eines andern gesezt
werde, auf keine Weise begreifen, und uns desfalls le-
diglich an die Erfahrung halten müssen. Nun haben wir
diese Nothwendigkeit eines ersten Anfangs einer Reihe
von Erscheinungen aus Freiheit, zwar nur eigentlich in so
fern dargethan, als zur Begreiflichkeit eines Ursprungs
der Welt erfoderlich ist, indessen daß man alle nachfol-
gende Zustände vor eine Abfolge nach blossen Naturgesetzen

nehmen
Anmerkung zur dritten Antinomie
I. zur Theſis.

Die transſcendentale Idee der Freiheit macht zwar
bey weitem nicht den ganzen Inhalt des pſychologiſchen
Begriffs dieſes Nahmens aus, welcher groſſen Theils em-
piriſch iſt, ſondern nur den der abſoluten Spontaneitaͤt
der Handlung, als den eigentlichen Grund der Imputabi-
litaͤt derſelben, iſt aber dennoch der eigentliche Stein des
Anſtoſſes vor die Philoſophie, welche unuͤberwindliche
Schwierigkeiten findet, dergleichen Art von unbedingter
Cauſſalitaͤt einzuraͤumen. Dasienige alſo in der Frage
uͤber die Freiheit des Willens, was die ſpeculative Ver-
nunft von ieher in ſo groſſe Verlegenheit geſezt hat, iſt ei-
gentlich nur transſcendental und gehet lediglich darauf:
ob ein Vermoͤgen angenommen werden muͤſſe, eine Reihe
von ſucceſſiven Dingen oder Zuſtaͤnden von ſelbſt anzu-
fangen. Wie ein ſolches moͤglich ſey, iſt nicht eben ſo
nothwendig beantworten zu koͤnnen, da wir uns eben ſo
wol bey der Cauſſalitaͤt nach Naturgeſetzen damit begnuͤ-
gen muͤſſen, a priori zu erkennen, daß eine ſolche vorausge-
ſezt werden muͤſſe, ob wir gleich die Moͤglichkeit, wie
durch ein gewiſſes Daſeyn das Daſeyn eines andern geſezt
werde, auf keine Weiſe begreifen, und uns desfalls le-
diglich an die Erfahrung halten muͤſſen. Nun haben wir
dieſe Nothwendigkeit eines erſten Anfangs einer Reihe
von Erſcheinungen aus Freiheit, zwar nur eigentlich in ſo
fern dargethan, als zur Begreiflichkeit eines Urſprungs
der Welt erfoderlich iſt, indeſſen daß man alle nachfol-
gende Zuſtaͤnde vor eine Abfolge nach bloſſen Naturgeſetzen

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[[448]/0478] Anmerkung zur dritten Antinomie I. zur Theſis. Die transſcendentale Idee der Freiheit macht zwar bey weitem nicht den ganzen Inhalt des pſychologiſchen Begriffs dieſes Nahmens aus, welcher groſſen Theils em- piriſch iſt, ſondern nur den der abſoluten Spontaneitaͤt der Handlung, als den eigentlichen Grund der Imputabi- litaͤt derſelben, iſt aber dennoch der eigentliche Stein des Anſtoſſes vor die Philoſophie, welche unuͤberwindliche Schwierigkeiten findet, dergleichen Art von unbedingter Cauſſalitaͤt einzuraͤumen. Dasienige alſo in der Frage uͤber die Freiheit des Willens, was die ſpeculative Ver- nunft von ieher in ſo groſſe Verlegenheit geſezt hat, iſt ei- gentlich nur transſcendental und gehet lediglich darauf: ob ein Vermoͤgen angenommen werden muͤſſe, eine Reihe von ſucceſſiven Dingen oder Zuſtaͤnden von ſelbſt anzu- fangen. Wie ein ſolches moͤglich ſey, iſt nicht eben ſo nothwendig beantworten zu koͤnnen, da wir uns eben ſo wol bey der Cauſſalitaͤt nach Naturgeſetzen damit begnuͤ- gen muͤſſen, a priori zu erkennen, daß eine ſolche vorausge- ſezt werden muͤſſe, ob wir gleich die Moͤglichkeit, wie durch ein gewiſſes Daſeyn das Daſeyn eines andern geſezt werde, auf keine Weiſe begreifen, und uns desfalls le- diglich an die Erfahrung halten muͤſſen. Nun haben wir dieſe Nothwendigkeit eines erſten Anfangs einer Reihe von Erſcheinungen aus Freiheit, zwar nur eigentlich in ſo fern dargethan, als zur Begreiflichkeit eines Urſprungs der Welt erfoderlich iſt, indeſſen daß man alle nachfol- gende Zuſtaͤnde vor eine Abfolge nach bloſſen Naturgeſetzen nehmen

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. [448]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/478>, abgerufen am 24.11.2024.