Ganze betrachtet wird, und man nicht auf die Aggrega- tion im Raume oder der Zeit, um sie als eine Grösse zu Stande zu bringen, sondern auf die Einheit im Daseyn der Erscheinungen siehet. Da heißt nun die Bedingung von dem, was geschieht, die Ursache, und die unbedingte Caussalität der Ursache in der Erscheinung, die Freiheit, die bedingte dagegen heißt im engeren Verstande, Natur- ursache. Das Bedingte im Daseyn überhaupt, heißt zu- fällig, und das Unbedingte nothwendig. Die unbedingte Nothwendigkeit der Erscheinungen kan Naturnothwen- digkeit heissen.
Die Ideen, mit denen wir uns iezt beschäftigen, ha- be ich oben cosmologische Ideen genant, theils darum, weil unter Welt der Inbegriff aller Erscheinungen verstan- den wird, und unsere Ideen auch nur auf das Unbedingte unter den Erscheinungen gerichtet sind, theils auch, weil das Wort Welt, im transscendentalen Verstande, die ab- solute Totalität des Inbegriffs existirender Dinge bedeutet, und wir auf die Vollständigkeit der Synthesis (wiewol
nur
einem innern Princip der Caussalität. Dagegen versteht man unter Natur, substantiue (materialiter), den In- begriff der Erscheinungen, so fern diese, vermöge eines innern Princips der Caussalität, durchgängig zusammen- hängen. Im ersteren Verstande spricht man von der Natur der flüssigen Materie, des Feuers etc. und bedient sich dieses Worts nur adiectiue; dagegen wenn man von den Dingen der Natur redet, so hat man ein bestehendes Ganze in Gedanken.
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I. Abſch. Syſtem der cosmologiſchen Ideen.
Ganze betrachtet wird, und man nicht auf die Aggrega- tion im Raume oder der Zeit, um ſie als eine Groͤſſe zu Stande zu bringen, ſondern auf die Einheit im Daſeyn der Erſcheinungen ſiehet. Da heißt nun die Bedingung von dem, was geſchieht, die Urſache, und die unbedingte Cauſſalitaͤt der Urſache in der Erſcheinung, die Freiheit, die bedingte dagegen heißt im engeren Verſtande, Natur- urſache. Das Bedingte im Daſeyn uͤberhaupt, heißt zu- faͤllig, und das Unbedingte nothwendig. Die unbedingte Nothwendigkeit der Erſcheinungen kan Naturnothwen- digkeit heiſſen.
Die Ideen, mit denen wir uns iezt beſchaͤftigen, ha- be ich oben cosmologiſche Ideen genant, theils darum, weil unter Welt der Inbegriff aller Erſcheinungen verſtan- den wird, und unſere Ideen auch nur auf das Unbedingte unter den Erſcheinungen gerichtet ſind, theils auch, weil das Wort Welt, im transſcendentalen Verſtande, die ab- ſolute Totalitaͤt des Inbegriffs exiſtirender Dinge bedeutet, und wir auf die Vollſtaͤndigkeit der Syntheſis (wiewol
nur
einem innern Princip der Cauſſalitaͤt. Dagegen verſteht man unter Natur, ſubſtantiue (materialiter), den In- begriff der Erſcheinungen, ſo fern dieſe, vermoͤge eines innern Princips der Cauſſalitaͤt, durchgaͤngig zuſammen- haͤngen. Im erſteren Verſtande ſpricht man von der Natur der fluͤſſigen Materie, des Feuers ꝛc. und bedient ſich dieſes Worts nur adiectiue; dagegen wenn man von den Dingen der Natur redet, ſo hat man ein beſtehendes Ganze in Gedanken.
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I. Abſch. Syſtem der cosmologiſchen Ideen.
Ganze betrachtet wird, und man nicht auf die Aggrega-
tion im Raume oder der Zeit, um ſie als eine Groͤſſe zu
Stande zu bringen, ſondern auf die Einheit im Daſeyn
der Erſcheinungen ſiehet. Da heißt nun die Bedingung
von dem, was geſchieht, die Urſache, und die unbedingte
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die bedingte dagegen heißt im engeren Verſtande, Natur-
urſache. Das Bedingte im Daſeyn uͤberhaupt, heißt zu-
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Nothwendigkeit der Erſcheinungen kan Naturnothwen-
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Die Ideen, mit denen wir uns iezt beſchaͤftigen, ha-
be ich oben cosmologiſche Ideen genant, theils darum,
weil unter Welt der Inbegriff aller Erſcheinungen verſtan-
den wird, und unſere Ideen auch nur auf das Unbedingte
unter den Erſcheinungen gerichtet ſind, theils auch, weil
das Wort Welt, im transſcendentalen Verſtande, die ab-
ſolute Totalitaͤt des Inbegriffs exiſtirender Dinge bedeutet,
und wir auf die Vollſtaͤndigkeit der Syntheſis (wiewol
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*) einem innern Princip der Cauſſalitaͤt. Dagegen verſteht
man unter Natur, ſubſtantiue (materialiter), den In-
begriff der Erſcheinungen, ſo fern dieſe, vermoͤge eines
innern Princips der Cauſſalitaͤt, durchgaͤngig zuſammen-
haͤngen. Im erſteren Verſtande ſpricht man von der
Natur der fluͤſſigen Materie, des Feuers ꝛc. und bedient
ſich dieſes Worts nur adiectiue; dagegen wenn man von
den Dingen der Natur redet, ſo hat man ein beſtehendes
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/449>, abgerufen am 22.11.2024.
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