nur vermittelst iener Reihe möglich, seine Möglichkeit be- ruht aber nicht auf der folgenden Reihe o, p, q, r, die da- her auch nicht als gegeben, sondern nur als dabilis ange- sehen werden könne.
Ich will die Synthesis einer Reihe auf der Seite der Bedingungen, also von derienigen an, welche die näch- ste zur gegebenen Erscheinung ist, und so zu den entfernte- ren Bedingungen, die regressive, dieienige aber, die auf der Seite des Bedingten, von der nächsten Folge zu den entfernetern, fortgeht, die progressive Synthesis nennen. Die erstere geht in antecedentia, die zweite in consequen- tia. Die cosmologische Ideen also beschäftigen sich mit der Totalität der regressiven Synthesis und gehen in ante- cedentia, nicht in consequentia. Wenn dieses leztere ge- schieht, so ist es ein willkührliches und nicht nothwendiges Problem der reinen Vernunft, weil wir zur vollständigen Begreiflichkeit dessen, was in der Erscheinung gegeben ist, wol der Gründe, nicht aber der Folgen bedürfen.
Um nun nach der Tafel der Categorien die Tafel der Ideen einzurichten, so nehmen wir zuerst die zwey ur- sprüngliche quanta aller unserer Anschauung, Zeit und Raum. Die Zeit ist an sich selbst eine Reihe (und die formale Bedingung aller Reihen) und daher sind in ihr, in Ansehung einer gegebenen Gegenwart, die anteceden- tia als Bedingungen (das Vergangene) von den consequen- tibus (dem Künftigen) a priori zu unterscheiden. Folg-
lich
I. Abſch. Syſtem der cosmologiſchen Ideen.
nur vermittelſt iener Reihe moͤglich, ſeine Moͤglichkeit be- ruht aber nicht auf der folgenden Reihe o, p, q, r, die da- her auch nicht als gegeben, ſondern nur als dabilis ange- ſehen werden koͤnne.
Ich will die Syntheſis einer Reihe auf der Seite der Bedingungen, alſo von derienigen an, welche die naͤch- ſte zur gegebenen Erſcheinung iſt, und ſo zu den entfernte- ren Bedingungen, die regreſſive, dieienige aber, die auf der Seite des Bedingten, von der naͤchſten Folge zu den entfernetern, fortgeht, die progreſſive Syntheſis nennen. Die erſtere geht in antecedentia, die zweite in conſequen- tia. Die cosmologiſche Ideen alſo beſchaͤftigen ſich mit der Totalitaͤt der regreſſiven Syntheſis und gehen in ante- cedentia, nicht in conſequentia. Wenn dieſes leztere ge- ſchieht, ſo iſt es ein willkuͤhrliches und nicht nothwendiges Problem der reinen Vernunft, weil wir zur vollſtaͤndigen Begreiflichkeit deſſen, was in der Erſcheinung gegeben iſt, wol der Gruͤnde, nicht aber der Folgen beduͤrfen.
Um nun nach der Tafel der Categorien die Tafel der Ideen einzurichten, ſo nehmen wir zuerſt die zwey ur- ſpruͤngliche quanta aller unſerer Anſchauung, Zeit und Raum. Die Zeit iſt an ſich ſelbſt eine Reihe (und die formale Bedingung aller Reihen) und daher ſind in ihr, in Anſehung einer gegebenen Gegenwart, die anteceden- tia als Bedingungen (das Vergangene) von den conſequen- tibus (dem Kuͤnftigen) a priori zu unterſcheiden. Folg-
lich
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I. Abſch. Syſtem der cosmologiſchen Ideen.
nur vermittelſt iener Reihe moͤglich, ſeine Moͤglichkeit be-
ruht aber nicht auf der folgenden Reihe o, p, q, r, die da-
her auch nicht als gegeben, ſondern nur als dabilis ange-
ſehen werden koͤnne.
Ich will die Syntheſis einer Reihe auf der Seite
der Bedingungen, alſo von derienigen an, welche die naͤch-
ſte zur gegebenen Erſcheinung iſt, und ſo zu den entfernte-
ren Bedingungen, die regreſſive, dieienige aber, die auf
der Seite des Bedingten, von der naͤchſten Folge zu den
entfernetern, fortgeht, die progreſſive Syntheſis nennen.
Die erſtere geht in antecedentia, die zweite in conſequen-
tia. Die cosmologiſche Ideen alſo beſchaͤftigen ſich mit
der Totalitaͤt der regreſſiven Syntheſis und gehen in ante-
cedentia, nicht in conſequentia. Wenn dieſes leztere ge-
ſchieht, ſo iſt es ein willkuͤhrliches und nicht nothwendiges
Problem der reinen Vernunft, weil wir zur vollſtaͤndigen
Begreiflichkeit deſſen, was in der Erſcheinung gegeben iſt,
wol der Gruͤnde, nicht aber der Folgen beduͤrfen.
Um nun nach der Tafel der Categorien die Tafel der
Ideen einzurichten, ſo nehmen wir zuerſt die zwey ur-
ſpruͤngliche quanta aller unſerer Anſchauung, Zeit und
Raum. Die Zeit iſt an ſich ſelbſt eine Reihe (und die
formale Bedingung aller Reihen) und daher ſind in ihr,
in Anſehung einer gegebenen Gegenwart, die anteceden-
tia als Bedingungen (das Vergangene) von den conſequen-
tibus (dem Kuͤnftigen) a priori zu unterſcheiden. Folg-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/441>, abgerufen am 22.11.2024.
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