sere Dinge, als ich Selbst existire, und zwar beide auf das unmittelbare Zeugniß meines Selbstbewußtseyns, nur mit dem Unterschiede: daß die Vorstellung meiner Selbst, als des denkenden Subiects, blos auf den innern, die Vor- stellungen aber, welche ausgedehnte Wesen bezeichnen, auch auf den äussern Sinn bezogen werden. Ich habe in Ab- sicht auf die Wirklichkeit äusserer Gegenstände eben so we- nig nöthig zu schliessen, als in Ansehung der Wirklichkeit des Gegenstandes meines innern Sinnes, (meiner Gedan- ken), denn sie sind beiderseitig nichts als Vorstellungen, deren unmittelbare Wahrnehmung (Bewustseyn) zugleich ein genugsamer Beweis ihrer Wirklichkeit ist.
Also ist der transscendentale Idealist ein empirischer Realist und gestehet der Materie, als Erscheinung, eine Wirklichkeit zu, die nicht geschlossen werden darf, sondern unmittelbar wahrgenommen wird. Dagegen komt der transscendentale Realismus nothwendig in Verlegenheit, und sieht sich genöthigt, dem empirischen Idealismus Platz einzuräumen, weil er die Gegenstände äusserer Sinne vor Etwas von den Sinnen selbst unterschiedenes, und blosse Erscheinungen vor selbstständige Wesen ansieht, die sich ausser uns befinden; da denn freilich, bey unserem be- sten Bewustseyn unserer Vorstellung von diesen Dingen, noch lange nicht gewiß ist, daß, wenn die Vorstellung existirt, auch der ihr correspondirende Gegenstand existire; dahin- gegen in unserem System diese äussere Dinge, die Materie nemlich, in allen ihren Gestalten und Veränderungen,
nichts
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I. Hauptſt. V. d. Paralogismen d. r. Vernunft.
ſere Dinge, als ich Selbſt exiſtire, und zwar beide auf das unmittelbare Zeugniß meines Selbſtbewußtſeyns, nur mit dem Unterſchiede: daß die Vorſtellung meiner Selbſt, als des denkenden Subiects, blos auf den innern, die Vor- ſtellungen aber, welche ausgedehnte Weſen bezeichnen, auch auf den aͤuſſern Sinn bezogen werden. Ich habe in Ab- ſicht auf die Wirklichkeit aͤuſſerer Gegenſtaͤnde eben ſo we- nig noͤthig zu ſchlieſſen, als in Anſehung der Wirklichkeit des Gegenſtandes meines innern Sinnes, (meiner Gedan- ken), denn ſie ſind beiderſeitig nichts als Vorſtellungen, deren unmittelbare Wahrnehmung (Bewuſtſeyn) zugleich ein genugſamer Beweis ihrer Wirklichkeit iſt.
Alſo iſt der transſcendentale Idealiſt ein empiriſcher Realiſt und geſtehet der Materie, als Erſcheinung, eine Wirklichkeit zu, die nicht geſchloſſen werden darf, ſondern unmittelbar wahrgenommen wird. Dagegen komt der transſcendentale Realismus nothwendig in Verlegenheit, und ſieht ſich genoͤthigt, dem empiriſchen Idealismus Platz einzuraͤumen, weil er die Gegenſtaͤnde aͤuſſerer Sinne vor Etwas von den Sinnen ſelbſt unterſchiedenes, und bloſſe Erſcheinungen vor ſelbſtſtaͤndige Weſen anſieht, die ſich auſſer uns befinden; da denn freilich, bey unſerem be- ſten Bewuſtſeyn unſerer Vorſtellung von dieſen Dingen, noch lange nicht gewiß iſt, daß, wenn die Vorſtellung exiſtirt, auch der ihr correſpondirende Gegenſtand exiſtire; dahin- gegen in unſerem Syſtem dieſe aͤuſſere Dinge, die Materie nemlich, in allen ihren Geſtalten und Veraͤnderungen,
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I. Hauptſt. V. d. Paralogismen d. r. Vernunft.
ſere Dinge, als ich Selbſt exiſtire, und zwar beide auf
das unmittelbare Zeugniß meines Selbſtbewußtſeyns, nur
mit dem Unterſchiede: daß die Vorſtellung meiner Selbſt,
als des denkenden Subiects, blos auf den innern, die Vor-
ſtellungen aber, welche ausgedehnte Weſen bezeichnen, auch
auf den aͤuſſern Sinn bezogen werden. Ich habe in Ab-
ſicht auf die Wirklichkeit aͤuſſerer Gegenſtaͤnde eben ſo we-
nig noͤthig zu ſchlieſſen, als in Anſehung der Wirklichkeit
des Gegenſtandes meines innern Sinnes, (meiner Gedan-
ken), denn ſie ſind beiderſeitig nichts als Vorſtellungen,
deren unmittelbare Wahrnehmung (Bewuſtſeyn) zugleich
ein genugſamer Beweis ihrer Wirklichkeit iſt.
Alſo iſt der transſcendentale Idealiſt ein empiriſcher
Realiſt und geſtehet der Materie, als Erſcheinung, eine
Wirklichkeit zu, die nicht geſchloſſen werden darf, ſondern
unmittelbar wahrgenommen wird. Dagegen komt der
transſcendentale Realismus nothwendig in Verlegenheit,
und ſieht ſich genoͤthigt, dem empiriſchen Idealismus Platz
einzuraͤumen, weil er die Gegenſtaͤnde aͤuſſerer Sinne vor
Etwas von den Sinnen ſelbſt unterſchiedenes, und bloſſe
Erſcheinungen vor ſelbſtſtaͤndige Weſen anſieht, die ſich
auſſer uns befinden; da denn freilich, bey unſerem be-
ſten Bewuſtſeyn unſerer Vorſtellung von dieſen Dingen,
noch lange nicht gewiß iſt, daß, wenn die Vorſtellung exiſtirt,
auch der ihr correſpondirende Gegenſtand exiſtire; dahin-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/401>, abgerufen am 25.11.2024.
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