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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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I. Hauptst. V. d. Paralogismen d. r. Vernunft.
aber schließt, daß wir ihrer Wirklichkeit durch alle mög-
liche Erfahrung niemals völlig gewiß werden können.

Ehe ich nun unseren Paralogismus seinem trüglichen
Scheine nach darstelle, muß ich zuvor bemerken, daß man
nothwendig einen zweifachen Idealism unterscheiden müsse,
den transscendentalen und den empirischen. Ich verstehe
aber unter dem transscendentalen Idealism aller Erschei-
nungen den Lehrbegriff, nach welchem wir sie insgesamt
als blosse Vorstellungen, und nicht als Dinge an sich selbst,
ansehen, und dem gemäß Zeit und Raum nur sinnliche
Formen unserer Anschauung, nicht aber vor sich gegebene
Bestimmungen, oder Bedingungen der Obiecte, als Dinge
an sich selbst sind. Diesem Idealism ist ein transscenden-
taler Realism entgegengesezt, der Zeit und Raum als
etwas an sich (unabhängig von unserer Sinnlichkeit) ge-
gebenes ansieht. Der transscendentale Realist stellet sich
also äussere Erscheinungen (wenn man ihre Wirklichkeit
einräumt) als Dinge an sich selbst vor, die unabhängig
von uns und unserer Sinnlichkeit existiren, also auch nach
reinen Verstandesbegriffen ausser uns wären. Dieser
transscendentale Realist ist es eigentlich, welcher nachher
den empirischen Idealisten spielt, und nachdem er fälsch-
lich von Gegenständen der Sinne vorausgesezt hat, daß,
wenn sie äussere seyn sollen, sie an sich selbst auch ohne
Sinne ihre Existenz haben müßten, in diesem Gesichts-
puncte alle unsere Vorstellungen der Sinne unzureichend
findet, die Wirklichkeit derselben gewiß zu machen.


Der
A a

I. Hauptſt. V. d. Paralogismen d. r. Vernunft.
aber ſchließt, daß wir ihrer Wirklichkeit durch alle moͤg-
liche Erfahrung niemals voͤllig gewiß werden koͤnnen.

Ehe ich nun unſeren Paralogismus ſeinem truͤglichen
Scheine nach darſtelle, muß ich zuvor bemerken, daß man
nothwendig einen zweifachen Idealism unterſcheiden muͤſſe,
den transſcendentalen und den empiriſchen. Ich verſtehe
aber unter dem transſcendentalen Idealism aller Erſchei-
nungen den Lehrbegriff, nach welchem wir ſie insgeſamt
als bloſſe Vorſtellungen, und nicht als Dinge an ſich ſelbſt,
anſehen, und dem gemaͤß Zeit und Raum nur ſinnliche
Formen unſerer Anſchauung, nicht aber vor ſich gegebene
Beſtimmungen, oder Bedingungen der Obiecte, als Dinge
an ſich ſelbſt ſind. Dieſem Idealism iſt ein transſcenden-
taler Realism entgegengeſezt, der Zeit und Raum als
etwas an ſich (unabhaͤngig von unſerer Sinnlichkeit) ge-
gebenes anſieht. Der transſcendentale Realiſt ſtellet ſich
alſo aͤuſſere Erſcheinungen (wenn man ihre Wirklichkeit
einraͤumt) als Dinge an ſich ſelbſt vor, die unabhaͤngig
von uns und unſerer Sinnlichkeit exiſtiren, alſo auch nach
reinen Verſtandesbegriffen auſſer uns waͤren. Dieſer
transſcendentale Realiſt iſt es eigentlich, welcher nachher
den empiriſchen Idealiſten ſpielt, und nachdem er faͤlſch-
lich von Gegenſtaͤnden der Sinne vorausgeſezt hat, daß,
wenn ſie aͤuſſere ſeyn ſollen, ſie an ſich ſelbſt auch ohne
Sinne ihre Exiſtenz haben muͤßten, in dieſem Geſichts-
puncte alle unſere Vorſtellungen der Sinne unzureichend
findet, die Wirklichkeit derſelben gewiß zu machen.


Der
A a
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[369/0399] I. Hauptſt. V. d. Paralogismen d. r. Vernunft. aber ſchließt, daß wir ihrer Wirklichkeit durch alle moͤg- liche Erfahrung niemals voͤllig gewiß werden koͤnnen. Ehe ich nun unſeren Paralogismus ſeinem truͤglichen Scheine nach darſtelle, muß ich zuvor bemerken, daß man nothwendig einen zweifachen Idealism unterſcheiden muͤſſe, den transſcendentalen und den empiriſchen. Ich verſtehe aber unter dem transſcendentalen Idealism aller Erſchei- nungen den Lehrbegriff, nach welchem wir ſie insgeſamt als bloſſe Vorſtellungen, und nicht als Dinge an ſich ſelbſt, anſehen, und dem gemaͤß Zeit und Raum nur ſinnliche Formen unſerer Anſchauung, nicht aber vor ſich gegebene Beſtimmungen, oder Bedingungen der Obiecte, als Dinge an ſich ſelbſt ſind. Dieſem Idealism iſt ein transſcenden- taler Realism entgegengeſezt, der Zeit und Raum als etwas an ſich (unabhaͤngig von unſerer Sinnlichkeit) ge- gebenes anſieht. Der transſcendentale Realiſt ſtellet ſich alſo aͤuſſere Erſcheinungen (wenn man ihre Wirklichkeit einraͤumt) als Dinge an ſich ſelbſt vor, die unabhaͤngig von uns und unſerer Sinnlichkeit exiſtiren, alſo auch nach reinen Verſtandesbegriffen auſſer uns waͤren. Dieſer transſcendentale Realiſt iſt es eigentlich, welcher nachher den empiriſchen Idealiſten ſpielt, und nachdem er faͤlſch- lich von Gegenſtaͤnden der Sinne vorausgeſezt hat, daß, wenn ſie aͤuſſere ſeyn ſollen, ſie an ſich ſelbſt auch ohne Sinne ihre Exiſtenz haben muͤßten, in dieſem Geſichts- puncte alle unſere Vorſtellungen der Sinne unzureichend findet, die Wirklichkeit derſelben gewiß zu machen. Der A a

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/399>, abgerufen am 25.11.2024.