denkend Wesen) bin. Es ist nemlich klar: daß, da das äussere nicht in mir ist, ich es nicht in meiner Apperception, mithin auch in keiner Wahrnehmung, welche eigentlich nur die Bestimmung der Apperception ist, antreffen könne.
Ich kan also äussere Dinge eigentlich nicht wahrneh- men, sondern nur aus meiner inneren Wahrnehmung auf ihr Daseyn schließen, indem ich diese als die Wirkung an- sehe, wozu Etwas äusseres die nächste Ursache ist. Nun ist aber der Schluß von einer gegebenen Wirkung auf eine bestimte Ursache iederzeit unsicher; weil die Wirkung aus mehr als einer Ursache entsprungen seyn kan. Demnach b[l]eibt es in der Beziehung der Wahrnehmung auf ihre Ur- sache iederzeit zweifelhaft: ob diese innerlich, oder äus- serlich sey, ob also alle sogenante äussere Wahrnehmungen nicht ein blosses Spiel unseres innern Sinnes seyn, oder ob sie sich auf äussere wirkliche Gegenstände, als ihre Ur- sache beziehen. Wenigstens ist das Daseyn der lezteren nur geschlossen, und läuft die Gefahr aller Schlüsse, da hingegen der Gegenstand des inneren Sinnes (Ich selbst mit allen meinen Vorstellungen) unmittelbar wahrgenom- men wird, und die Existenz desselben gar keinen Zweifel leidet.
Unter einem Idealisten muß man also nicht denie- nigen verstehen, der das Daseyn äusserer Gegenstände der Sinne läugnet, sondern der nur nicht einräumt: daß es durch unmittelbare Wahrnehmung erkant werde, daraus
aber
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch.
denkend Weſen) bin. Es iſt nemlich klar: daß, da das aͤuſſere nicht in mir iſt, ich es nicht in meiner Apperception, mithin auch in keiner Wahrnehmung, welche eigentlich nur die Beſtimmung der Apperception iſt, antreffen koͤnne.
Ich kan alſo aͤuſſere Dinge eigentlich nicht wahrneh- men, ſondern nur aus meiner inneren Wahrnehmung auf ihr Daſeyn ſchließen, indem ich dieſe als die Wirkung an- ſehe, wozu Etwas aͤuſſeres die naͤchſte Urſache iſt. Nun iſt aber der Schluß von einer gegebenen Wirkung auf eine beſtimte Urſache iederzeit unſicher; weil die Wirkung aus mehr als einer Urſache entſprungen ſeyn kan. Demnach b[l]eibt es in der Beziehung der Wahrnehmung auf ihre Ur- ſache iederzeit zweifelhaft: ob dieſe innerlich, oder aͤuſ- ſerlich ſey, ob alſo alle ſogenante aͤuſſere Wahrnehmungen nicht ein bloſſes Spiel unſeres innern Sinnes ſeyn, oder ob ſie ſich auf aͤuſſere wirkliche Gegenſtaͤnde, als ihre Ur- ſache beziehen. Wenigſtens iſt das Daſeyn der lezteren nur geſchloſſen, und laͤuft die Gefahr aller Schluͤſſe, da hingegen der Gegenſtand des inneren Sinnes (Ich ſelbſt mit allen meinen Vorſtellungen) unmittelbar wahrgenom- men wird, und die Exiſtenz deſſelben gar keinen Zweifel leidet.
Unter einem Idealiſten muß man alſo nicht denie- nigen verſtehen, der das Daſeyn aͤuſſerer Gegenſtaͤnde der Sinne laͤugnet, ſondern der nur nicht einraͤumt: daß es durch unmittelbare Wahrnehmung erkant werde, daraus
aber
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><p><pbfacs="#f0398"n="368"/><fwplace="top"type="header">Elementarl. <hirendition="#aq">II.</hi> Th. <hirendition="#aq">II.</hi> Abth. <hirendition="#aq">II.</hi> Buch.</fw><lb/>
denkend Weſen) bin. Es iſt nemlich klar: daß, da das<lb/>
aͤuſſere nicht in mir iſt, ich es nicht in meiner Apperception,<lb/>
mithin auch in keiner Wahrnehmung, welche eigentlich<lb/>
nur die Beſtimmung der Apperception iſt, antreffen koͤnne.</p><lb/><p>Ich kan alſo aͤuſſere Dinge eigentlich nicht wahrneh-<lb/>
men, ſondern nur aus meiner inneren Wahrnehmung auf<lb/>
ihr Daſeyn ſchließen, indem ich dieſe als die Wirkung an-<lb/>ſehe, wozu Etwas aͤuſſeres die naͤchſte Urſache iſt. Nun<lb/>
iſt aber der Schluß von einer gegebenen Wirkung auf eine<lb/>
beſtimte Urſache iederzeit unſicher; weil die Wirkung aus<lb/>
mehr als einer Urſache entſprungen ſeyn kan. Demnach<lb/>
b<supplied>l</supplied>eibt es in der Beziehung der Wahrnehmung auf ihre Ur-<lb/>ſache iederzeit zweifelhaft: ob dieſe innerlich, oder aͤuſ-<lb/>ſerlich ſey, ob alſo alle ſogenante aͤuſſere Wahrnehmungen<lb/>
nicht ein bloſſes Spiel unſeres innern Sinnes ſeyn, oder<lb/>
ob ſie ſich auf aͤuſſere wirkliche Gegenſtaͤnde, als ihre Ur-<lb/>ſache beziehen. Wenigſtens iſt das Daſeyn der lezteren<lb/>
nur geſchloſſen, und laͤuft die Gefahr aller Schluͤſſe, da<lb/>
hingegen der Gegenſtand des inneren Sinnes (Ich ſelbſt<lb/>
mit allen meinen Vorſtellungen) unmittelbar wahrgenom-<lb/>
men wird, und die Exiſtenz deſſelben gar keinen Zweifel<lb/>
leidet.</p><lb/><p>Unter einem Idealiſten muß man alſo nicht denie-<lb/>
nigen verſtehen, der das Daſeyn aͤuſſerer Gegenſtaͤnde der<lb/>
Sinne laͤugnet, ſondern der nur nicht einraͤumt: daß es<lb/>
durch unmittelbare Wahrnehmung erkant werde, daraus<lb/><fwplace="bottom"type="catch">aber</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[368/0398]
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch.
denkend Weſen) bin. Es iſt nemlich klar: daß, da das
aͤuſſere nicht in mir iſt, ich es nicht in meiner Apperception,
mithin auch in keiner Wahrnehmung, welche eigentlich
nur die Beſtimmung der Apperception iſt, antreffen koͤnne.
Ich kan alſo aͤuſſere Dinge eigentlich nicht wahrneh-
men, ſondern nur aus meiner inneren Wahrnehmung auf
ihr Daſeyn ſchließen, indem ich dieſe als die Wirkung an-
ſehe, wozu Etwas aͤuſſeres die naͤchſte Urſache iſt. Nun
iſt aber der Schluß von einer gegebenen Wirkung auf eine
beſtimte Urſache iederzeit unſicher; weil die Wirkung aus
mehr als einer Urſache entſprungen ſeyn kan. Demnach
bleibt es in der Beziehung der Wahrnehmung auf ihre Ur-
ſache iederzeit zweifelhaft: ob dieſe innerlich, oder aͤuſ-
ſerlich ſey, ob alſo alle ſogenante aͤuſſere Wahrnehmungen
nicht ein bloſſes Spiel unſeres innern Sinnes ſeyn, oder
ob ſie ſich auf aͤuſſere wirkliche Gegenſtaͤnde, als ihre Ur-
ſache beziehen. Wenigſtens iſt das Daſeyn der lezteren
nur geſchloſſen, und laͤuft die Gefahr aller Schluͤſſe, da
hingegen der Gegenſtand des inneren Sinnes (Ich ſelbſt
mit allen meinen Vorſtellungen) unmittelbar wahrgenom-
men wird, und die Exiſtenz deſſelben gar keinen Zweifel
leidet.
Unter einem Idealiſten muß man alſo nicht denie-
nigen verſtehen, der das Daſeyn aͤuſſerer Gegenſtaͤnde der
Sinne laͤugnet, ſondern der nur nicht einraͤumt: daß es
durch unmittelbare Wahrnehmung erkant werde, daraus
aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/398>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.