denken, d. i. eben dasselbe was, als äussere Erscheinung, ausgedehnt ist, innerlich (an sich selbst) ein Subiect sey, was nicht zusammengesezt, sondern einfach ist und denkt.
Aber, ohne dergleichen Hypothesen zu erlauben, kan man allgemein bemerken: daß, wenn ich unter Seele ein denkend Wesen an sich selbst verstehe, die Frage an sich schon unschicklich sey: ob sie nemlich mit der Materie (die gar kein Ding an sich selbst, sondern nur eine Art Vorstel- lungen in uns ist) von gleicher Art sey, oder nicht; denn das versteht sich schon von selbst, daß ein Ding an sich selbst von anderer Natur sey, als die Bestimmungen, die blos seinen Zustand ausmachen.
Vergleichen wir aber das denkende Ich nicht mit der Materie, sondern mit dem Intelligibelen, welches der äusseren Erscheinung, die wir Materie nennen, zum Grunde liegt: so können wir, weil wir vom lezteren gar nichts wissen, auch nicht sagen: daß die Seele sich von diesem irgend worin innerlich unterscheide.
So ist demnach das einfache Bewustseyn keine Kent- niß der einfachen Natur unseres Subiects, in so fern, als dieses dadurch von der Materie, als einem zusammenge- sezten Wesen, unterschieden werden soll.
Wenn dieser Begriff aber dazu nicht taugt, ihn in dem einzigen Falle, da er brauchbar ist, nemlich in der Vergleichung meiner Selbst mit Gegenständen äusserer Erfahrung, das Eigenthümliche und Unterscheidende seiner Natur zu bestimmen, so mag man immer zu wissen vorge-
ben:
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch.
denken, d. i. eben daſſelbe was, als aͤuſſere Erſcheinung, ausgedehnt iſt, innerlich (an ſich ſelbſt) ein Subiect ſey, was nicht zuſammengeſezt, ſondern einfach iſt und denkt.
Aber, ohne dergleichen Hypotheſen zu erlauben, kan man allgemein bemerken: daß, wenn ich unter Seele ein denkend Weſen an ſich ſelbſt verſtehe, die Frage an ſich ſchon unſchicklich ſey: ob ſie nemlich mit der Materie (die gar kein Ding an ſich ſelbſt, ſondern nur eine Art Vorſtel- lungen in uns iſt) von gleicher Art ſey, oder nicht; denn das verſteht ſich ſchon von ſelbſt, daß ein Ding an ſich ſelbſt von anderer Natur ſey, als die Beſtimmungen, die blos ſeinen Zuſtand ausmachen.
Vergleichen wir aber das denkende Ich nicht mit der Materie, ſondern mit dem Intelligibelen, welches der aͤuſſeren Erſcheinung, die wir Materie nennen, zum Grunde liegt: ſo koͤnnen wir, weil wir vom lezteren gar nichts wiſſen, auch nicht ſagen: daß die Seele ſich von dieſem irgend worin innerlich unterſcheide.
So iſt demnach das einfache Bewuſtſeyn keine Kent- niß der einfachen Natur unſeres Subiects, in ſo fern, als dieſes dadurch von der Materie, als einem zuſammenge- ſezten Weſen, unterſchieden werden ſoll.
Wenn dieſer Begriff aber dazu nicht taugt, ihn in dem einzigen Falle, da er brauchbar iſt, nemlich in der Vergleichung meiner Selbſt mit Gegenſtaͤnden aͤuſſerer Erfahrung, das Eigenthuͤmliche und Unterſcheidende ſeiner Natur zu beſtimmen, ſo mag man immer zu wiſſen vorge-
ben:
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><p><pbfacs="#f0390"n="360"/><fwplace="top"type="header">Elementarl. <hirendition="#aq">II.</hi> Th. <hirendition="#aq">II.</hi> Abth. <hirendition="#aq">II.</hi> Buch.</fw><lb/>
denken, d. i. eben daſſelbe was, als aͤuſſere Erſcheinung,<lb/>
ausgedehnt iſt, innerlich (an ſich ſelbſt) ein Subiect ſey,<lb/>
was nicht zuſammengeſezt, ſondern einfach iſt und denkt.</p><lb/><p>Aber, ohne dergleichen Hypotheſen zu erlauben, kan<lb/>
man allgemein bemerken: daß, wenn ich unter Seele ein<lb/>
denkend Weſen an ſich ſelbſt verſtehe, die Frage an ſich<lb/>ſchon unſchicklich ſey: ob ſie nemlich mit der Materie (die<lb/>
gar kein Ding an ſich ſelbſt, ſondern nur eine Art Vorſtel-<lb/>
lungen in uns iſt) von gleicher Art ſey, oder nicht; denn<lb/>
das verſteht ſich ſchon von ſelbſt, daß ein Ding an ſich<lb/>ſelbſt von anderer Natur ſey, als die Beſtimmungen, die<lb/>
blos ſeinen Zuſtand ausmachen.</p><lb/><p>Vergleichen wir aber das denkende Ich nicht mit der<lb/>
Materie, ſondern mit dem Intelligibelen, welches der<lb/>
aͤuſſeren Erſcheinung, die wir Materie nennen, zum Grunde<lb/>
liegt: ſo koͤnnen wir, weil wir vom lezteren gar nichts<lb/>
wiſſen, auch nicht ſagen: daß die Seele ſich von dieſem<lb/>
irgend worin innerlich unterſcheide.</p><lb/><p>So iſt demnach das einfache Bewuſtſeyn keine Kent-<lb/>
niß der einfachen Natur unſeres Subiects, in ſo fern, als<lb/>
dieſes dadurch von der Materie, als einem zuſammenge-<lb/>ſezten Weſen, unterſchieden werden ſoll.</p><lb/><p>Wenn dieſer Begriff aber dazu nicht taugt, ihn in<lb/>
dem einzigen Falle, da er brauchbar iſt, nemlich in der<lb/>
Vergleichung meiner Selbſt mit Gegenſtaͤnden aͤuſſerer<lb/>
Erfahrung, das Eigenthuͤmliche und Unterſcheidende ſeiner<lb/>
Natur zu beſtimmen, ſo mag man immer zu wiſſen vorge-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ben:</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[360/0390]
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch.
denken, d. i. eben daſſelbe was, als aͤuſſere Erſcheinung,
ausgedehnt iſt, innerlich (an ſich ſelbſt) ein Subiect ſey,
was nicht zuſammengeſezt, ſondern einfach iſt und denkt.
Aber, ohne dergleichen Hypotheſen zu erlauben, kan
man allgemein bemerken: daß, wenn ich unter Seele ein
denkend Weſen an ſich ſelbſt verſtehe, die Frage an ſich
ſchon unſchicklich ſey: ob ſie nemlich mit der Materie (die
gar kein Ding an ſich ſelbſt, ſondern nur eine Art Vorſtel-
lungen in uns iſt) von gleicher Art ſey, oder nicht; denn
das verſteht ſich ſchon von ſelbſt, daß ein Ding an ſich
ſelbſt von anderer Natur ſey, als die Beſtimmungen, die
blos ſeinen Zuſtand ausmachen.
Vergleichen wir aber das denkende Ich nicht mit der
Materie, ſondern mit dem Intelligibelen, welches der
aͤuſſeren Erſcheinung, die wir Materie nennen, zum Grunde
liegt: ſo koͤnnen wir, weil wir vom lezteren gar nichts
wiſſen, auch nicht ſagen: daß die Seele ſich von dieſem
irgend worin innerlich unterſcheide.
So iſt demnach das einfache Bewuſtſeyn keine Kent-
niß der einfachen Natur unſeres Subiects, in ſo fern, als
dieſes dadurch von der Materie, als einem zuſammenge-
ſezten Weſen, unterſchieden werden ſoll.
Wenn dieſer Begriff aber dazu nicht taugt, ihn in
dem einzigen Falle, da er brauchbar iſt, nemlich in der
Vergleichung meiner Selbſt mit Gegenſtaͤnden aͤuſſerer
Erfahrung, das Eigenthuͤmliche und Unterſcheidende ſeiner
Natur zu beſtimmen, ſo mag man immer zu wiſſen vorge-
ben:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/390>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.