ieher gefallen zu seyn scheint, und dadurch schon sehr früh Seelen, als von den Cörpern ganz unterschiedene Wesen, zu betrachten angefangen hat.
Ob nun aber gleich die Ausdehnung, die Undurch- dringlichkeit, Zusammenhang und Bewegung, kurz alles, was uns äussere Sinne nur liefern können, nicht Gedan- ken, Gefühl, Neigung oder Entschliessung seyn, oder sol- che enthalten werden, als die überall keine Gegenstände äusserer Anschauung sind, so könte doch wol dasienige Et- was, welches den äusseren Erscheinungen zum Grunde liegt, was unseren Sinn so afficirt, daß er die Vorstellun- gen von Raum, Materie, Gestalt etc bekomt, dieses Et- was, als Noumenon (oder besser, als transscendentaler Gegenstand) betrachtet, könte doch auch zugleich das Sub- iect der Gedanken seyn, wiewol wir durch die Art, wie unser äussere Sinn dadurch afficirt wird, keine Anschau- ung von Vorstellungen, Willen etc, sondern blos vom Raum und dessen Bestimmungen bekommen. Dieses Et- was aber ist nicht ausgedehnt, nicht undurchdringlich, nicht zusammengesezt, weil alle diese Prädicate nur die Sinnlichkeit und deren Anschauung angehen, so fern wir von dergleichen (uns übrigens unbekanten) Obiecten affi- cirt werden. Diese Ausdrücke aber geben gar nicht zu erkennen, was vor ein Gegenstand es sey, sondern nur: daß ihm, als einem solchen, der ohne Beziehung auf äus- sere Sinne an sich selbst betrachtet wird, diese Prädicate
äusse-
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch.
ieher gefallen zu ſeyn ſcheint, und dadurch ſchon ſehr fruͤh Seelen, als von den Coͤrpern ganz unterſchiedene Weſen, zu betrachten angefangen hat.
Ob nun aber gleich die Ausdehnung, die Undurch- dringlichkeit, Zuſammenhang und Bewegung, kurz alles, was uns aͤuſſere Sinne nur liefern koͤnnen, nicht Gedan- ken, Gefuͤhl, Neigung oder Entſchlieſſung ſeyn, oder ſol- che enthalten werden, als die uͤberall keine Gegenſtaͤnde aͤuſſerer Anſchauung ſind, ſo koͤnte doch wol dasienige Et- was, welches den aͤuſſeren Erſcheinungen zum Grunde liegt, was unſeren Sinn ſo afficirt, daß er die Vorſtellun- gen von Raum, Materie, Geſtalt ꝛc bekomt, dieſes Et- was, als Noumenon (oder beſſer, als transſcendentaler Gegenſtand) betrachtet, koͤnte doch auch zugleich das Sub- iect der Gedanken ſeyn, wiewol wir durch die Art, wie unſer aͤuſſere Sinn dadurch afficirt wird, keine Anſchau- ung von Vorſtellungen, Willen ꝛc, ſondern blos vom Raum und deſſen Beſtimmungen bekommen. Dieſes Et- was aber iſt nicht ausgedehnt, nicht undurchdringlich, nicht zuſammengeſezt, weil alle dieſe Praͤdicate nur die Sinnlichkeit und deren Anſchauung angehen, ſo fern wir von dergleichen (uns uͤbrigens unbekanten) Obiecten affi- cirt werden. Dieſe Ausdruͤcke aber geben gar nicht zu erkennen, was vor ein Gegenſtand es ſey, ſondern nur: daß ihm, als einem ſolchen, der ohne Beziehung auf aͤuſ- ſere Sinne an ſich ſelbſt betrachtet wird, dieſe Praͤdicate
aͤuſſe-
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch.
ieher gefallen zu ſeyn ſcheint, und dadurch ſchon ſehr
fruͤh Seelen, als von den Coͤrpern ganz unterſchiedene
Weſen, zu betrachten angefangen hat.
Ob nun aber gleich die Ausdehnung, die Undurch-
dringlichkeit, Zuſammenhang und Bewegung, kurz alles,
was uns aͤuſſere Sinne nur liefern koͤnnen, nicht Gedan-
ken, Gefuͤhl, Neigung oder Entſchlieſſung ſeyn, oder ſol-
che enthalten werden, als die uͤberall keine Gegenſtaͤnde
aͤuſſerer Anſchauung ſind, ſo koͤnte doch wol dasienige Et-
was, welches den aͤuſſeren Erſcheinungen zum Grunde
liegt, was unſeren Sinn ſo afficirt, daß er die Vorſtellun-
gen von Raum, Materie, Geſtalt ꝛc bekomt, dieſes Et-
was, als Noumenon (oder beſſer, als transſcendentaler
Gegenſtand) betrachtet, koͤnte doch auch zugleich das Sub-
iect der Gedanken ſeyn, wiewol wir durch die Art, wie
unſer aͤuſſere Sinn dadurch afficirt wird, keine Anſchau-
ung von Vorſtellungen, Willen ꝛc, ſondern blos vom
Raum und deſſen Beſtimmungen bekommen. Dieſes Et-
was aber iſt nicht ausgedehnt, nicht undurchdringlich,
nicht zuſammengeſezt, weil alle dieſe Praͤdicate nur die
Sinnlichkeit und deren Anſchauung angehen, ſo fern wir
von dergleichen (uns uͤbrigens unbekanten) Obiecten affi-
cirt werden. Dieſe Ausdruͤcke aber geben gar nicht zu
erkennen, was vor ein Gegenſtand es ſey, ſondern nur:
daß ihm, als einem ſolchen, der ohne Beziehung auf aͤuſ-
ſere Sinne an ſich ſelbſt betrachtet wird, dieſe Praͤdicate
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/388>, abgerufen am 22.11.2024.
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