so fern sie in der Anschauung mit solchen Bestimmungen gegeben werden, die blosse Verhältnisse ausdrücken, ohne etwas Inneres zum Grunde zu haben, darum, weil sie nicht Dinge an sich selbst, sondern lediglich Erscheinungen sind. Was wir auch nur an der Materie kennen, sind lauter Verhältnisse, (das, was wir innre Bestimmungen derselben nennen, ist nur comparativ innerlich), aber es sind darunter selbstständige und beharrliche, dadurch uns ein bestimter Gegenstand gegeben wird. Daß ich, wenn ich von diesen Verhältnissen abstrahire, gar nichts weiter zu denken habe, hebt den Begriff von einem Dinge, als Erscheinung nicht auf, auch nicht den Begriff von einem Gegenstande in abstracto, wol aber alle Möglichkeit eines solchen, der nach blossen Begriffen bestimbar ist, d. i. eines Noumenon. Freilich macht es stutzig, zu hören, daß ein Ding ganz und gar aus Verhältnissen bestehen solle, aber ein solches Ding, ist auch blosse Erscheinung, und kan gar nicht durch reine Categorien gedacht werden; es besteht selbst in dem blossen Verhältnisse von Etwas überhaupt zu den Sinnen. Eben so kan man die Verhältnisse der Dinge in abstracto, wenn man es mit blossen Begriffen anfängt, wol nicht anders denken, als daß eines die Ursache von Bestimmungen in dem andern sey; denn das ist unser Verstandesbegriff von Verhältnissen selbst. Allein, da wir alsdenn von aller Anschauung abstrahiren, so fällt eine ganze Art, wie das Mannigfaltige einander seinen Ort bestimmen kan, nemlich, die Form der Sinnlichkeit (der
Raum)
Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe.
ſo fern ſie in der Anſchauung mit ſolchen Beſtimmungen gegeben werden, die bloſſe Verhaͤltniſſe ausdruͤcken, ohne etwas Inneres zum Grunde zu haben, darum, weil ſie nicht Dinge an ſich ſelbſt, ſondern lediglich Erſcheinungen ſind. Was wir auch nur an der Materie kennen, ſind lauter Verhaͤltniſſe, (das, was wir innre Beſtimmungen derſelben nennen, iſt nur comparativ innerlich), aber es ſind darunter ſelbſtſtaͤndige und beharrliche, dadurch uns ein beſtimter Gegenſtand gegeben wird. Daß ich, wenn ich von dieſen Verhaͤltniſſen abſtrahire, gar nichts weiter zu denken habe, hebt den Begriff von einem Dinge, als Erſcheinung nicht auf, auch nicht den Begriff von einem Gegenſtande in abſtracto, wol aber alle Moͤglichkeit eines ſolchen, der nach bloſſen Begriffen beſtimbar iſt, d. i. eines Noumenon. Freilich macht es ſtutzig, zu hoͤren, daß ein Ding ganz und gar aus Verhaͤltniſſen beſtehen ſolle, aber ein ſolches Ding, iſt auch bloſſe Erſcheinung, und kan gar nicht durch reine Categorien gedacht werden; es beſteht ſelbſt in dem bloſſen Verhaͤltniſſe von Etwas uͤberhaupt zu den Sinnen. Eben ſo kan man die Verhaͤltniſſe der Dinge in abſtracto, wenn man es mit bloſſen Begriffen anfaͤngt, wol nicht anders denken, als daß eines die Urſache von Beſtimmungen in dem andern ſey; denn das iſt unſer Verſtandesbegriff von Verhaͤltniſſen ſelbſt. Allein, da wir alsdenn von aller Anſchauung abſtrahiren, ſo faͤllt eine ganze Art, wie das Mannigfaltige einander ſeinen Ort beſtimmen kan, nemlich, die Form der Sinnlichkeit (der
Raum)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0315"n="285"/><fwplace="top"type="header">Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe.</fw><lb/>ſo fern ſie in der Anſchauung mit ſolchen Beſtimmungen<lb/>
gegeben werden, die bloſſe Verhaͤltniſſe ausdruͤcken, ohne<lb/>
etwas Inneres zum Grunde zu haben, darum, weil ſie<lb/>
nicht Dinge an ſich ſelbſt, ſondern lediglich Erſcheinungen<lb/>ſind. Was wir auch nur an der Materie kennen, ſind<lb/>
lauter Verhaͤltniſſe, (das, was wir innre Beſtimmungen<lb/>
derſelben nennen, iſt nur comparativ innerlich), aber es<lb/>ſind darunter ſelbſtſtaͤndige und beharrliche, dadurch uns<lb/>
ein beſtimter Gegenſtand gegeben wird. Daß ich, wenn<lb/>
ich von dieſen Verhaͤltniſſen abſtrahire, gar nichts weiter<lb/>
zu denken habe, hebt den Begriff von einem Dinge, als<lb/>
Erſcheinung nicht auf, auch nicht den Begriff von einem<lb/>
Gegenſtande <hirendition="#aq">in abſtracto,</hi> wol aber alle Moͤglichkeit eines<lb/>ſolchen, der nach bloſſen Begriffen beſtimbar iſt, d. i. eines<lb/>
Noumenon. Freilich macht es ſtutzig, zu hoͤren, daß ein<lb/>
Ding ganz und gar aus Verhaͤltniſſen beſtehen ſolle, aber<lb/>
ein ſolches Ding, iſt auch bloſſe Erſcheinung, und kan gar<lb/>
nicht durch reine Categorien gedacht werden; es beſteht ſelbſt<lb/>
in dem bloſſen Verhaͤltniſſe von Etwas uͤberhaupt zu den<lb/>
Sinnen. Eben ſo kan man die Verhaͤltniſſe der Dinge <hirendition="#aq">in<lb/>
abſtracto,</hi> wenn man es mit bloſſen Begriffen anfaͤngt,<lb/>
wol nicht anders denken, als daß eines die Urſache von<lb/>
Beſtimmungen in dem andern ſey; denn das iſt unſer<lb/>
Verſtandesbegriff von Verhaͤltniſſen ſelbſt. Allein, da<lb/>
wir alsdenn von aller Anſchauung abſtrahiren, ſo faͤllt eine<lb/>
ganze Art, wie das Mannigfaltige einander ſeinen Ort<lb/>
beſtimmen kan, nemlich, die Form der Sinnlichkeit (der<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Raum)</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[285/0315]
Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe.
ſo fern ſie in der Anſchauung mit ſolchen Beſtimmungen
gegeben werden, die bloſſe Verhaͤltniſſe ausdruͤcken, ohne
etwas Inneres zum Grunde zu haben, darum, weil ſie
nicht Dinge an ſich ſelbſt, ſondern lediglich Erſcheinungen
ſind. Was wir auch nur an der Materie kennen, ſind
lauter Verhaͤltniſſe, (das, was wir innre Beſtimmungen
derſelben nennen, iſt nur comparativ innerlich), aber es
ſind darunter ſelbſtſtaͤndige und beharrliche, dadurch uns
ein beſtimter Gegenſtand gegeben wird. Daß ich, wenn
ich von dieſen Verhaͤltniſſen abſtrahire, gar nichts weiter
zu denken habe, hebt den Begriff von einem Dinge, als
Erſcheinung nicht auf, auch nicht den Begriff von einem
Gegenſtande in abſtracto, wol aber alle Moͤglichkeit eines
ſolchen, der nach bloſſen Begriffen beſtimbar iſt, d. i. eines
Noumenon. Freilich macht es ſtutzig, zu hoͤren, daß ein
Ding ganz und gar aus Verhaͤltniſſen beſtehen ſolle, aber
ein ſolches Ding, iſt auch bloſſe Erſcheinung, und kan gar
nicht durch reine Categorien gedacht werden; es beſteht ſelbſt
in dem bloſſen Verhaͤltniſſe von Etwas uͤberhaupt zu den
Sinnen. Eben ſo kan man die Verhaͤltniſſe der Dinge in
abſtracto, wenn man es mit bloſſen Begriffen anfaͤngt,
wol nicht anders denken, als daß eines die Urſache von
Beſtimmungen in dem andern ſey; denn das iſt unſer
Verſtandesbegriff von Verhaͤltniſſen ſelbſt. Allein, da
wir alsdenn von aller Anſchauung abſtrahiren, ſo faͤllt eine
ganze Art, wie das Mannigfaltige einander ſeinen Ort
beſtimmen kan, nemlich, die Form der Sinnlichkeit (der
Raum)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/315>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.