Erfahrung ist ohne Zweifel das erste Product, welches unser Verstand hervorbringt, indem er den rohen Stoff sinnlicher Empfindungen bearbeitet. Sie ist eben dadurch die erste Belehrung, und im Fortgange so unerschöpflich an neuem Unterricht, daß das zusammengekettete Leben aller künftigen Zeugungen an neuen Kentnissen, die auf diesem Boden gesammlet werden können, niemals Mangel haben wird. Gleich- wohl ist sie bey weitem nicht das einzige Feld, darinn sich unser Verstand einschränken läßt. Sie sagt uns zwar, was da sey, aber nicht, daß es nothwendiger Weise, so und nicht anders, seyn müsse. Eben darum giebt sie u[n]s auch keine wahre Allgemeinheit, und die Vernunft, welche nach dieser Art von Erkentnissen so begierig ist,
wird
A
[Abbildung]
Einleitung.
I. Idee der Transſcendental-Philoſophie.
Erfahrung iſt ohne Zweifel das erſte Product, welches unſer Verſtand hervorbringt, indem er den rohen Stoff ſinnlicher Empfindungen bearbeitet. Sie iſt eben dadurch die erſte Belehrung, und im Fortgange ſo unerſchoͤpflich an neuem Unterricht, daß das zuſammengekettete Leben aller kuͤnftigen Zeugungen an neuen Kentniſſen, die auf dieſem Boden geſammlet werden koͤnnen, niemals Mangel haben wird. Gleich- wohl iſt ſie bey weitem nicht das einzige Feld, darinn ſich unſer Verſtand einſchraͤnken laͤßt. Sie ſagt uns zwar, was da ſey, aber nicht, daß es nothwendiger Weiſe, ſo und nicht anders, ſeyn muͤſſe. Eben darum giebt ſie u[n]s auch keine wahre Allgemeinheit, und die Vernunft, welche nach dieſer Art von Erkentniſſen ſo begierig iſt,
wird
A
<TEI><text><body><pbfacs="#f0031"n="[1]"/><figure/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Einleitung</hi>.</hi></head><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi><lb/>
Idee der Transſcendental-Philoſophie.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>rfahrung iſt ohne Zweifel das erſte Product,<lb/>
welches unſer Verſtand hervorbringt, indem<lb/>
er den rohen Stoff ſinnlicher Empfindungen<lb/>
bearbeitet. Sie iſt eben dadurch die erſte Belehrung, und<lb/>
im Fortgange ſo unerſchoͤpflich an neuem Unterricht, daß<lb/>
das zuſammengekettete Leben aller kuͤnftigen Zeugungen<lb/>
an neuen Kentniſſen, die auf dieſem Boden geſammlet<lb/>
werden koͤnnen, niemals Mangel haben wird. Gleich-<lb/>
wohl iſt ſie bey weitem nicht das einzige Feld, darinn ſich<lb/>
unſer Verſtand einſchraͤnken laͤßt. Sie ſagt uns zwar,<lb/>
was da ſey, aber nicht, daß es nothwendiger Weiſe, ſo<lb/>
und nicht anders, ſeyn muͤſſe. Eben darum giebt ſie<lb/>
u<supplied>n</supplied>s auch keine wahre Allgemeinheit, und die Vernunft,<lb/>
welche nach dieſer Art von Erkentniſſen ſo begierig iſt,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A</fw><fwplace="bottom"type="catch">wird</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[1]/0031]
[Abbildung]
Einleitung.
I.
Idee der Transſcendental-Philoſophie.
Erfahrung iſt ohne Zweifel das erſte Product,
welches unſer Verſtand hervorbringt, indem
er den rohen Stoff ſinnlicher Empfindungen
bearbeitet. Sie iſt eben dadurch die erſte Belehrung, und
im Fortgange ſo unerſchoͤpflich an neuem Unterricht, daß
das zuſammengekettete Leben aller kuͤnftigen Zeugungen
an neuen Kentniſſen, die auf dieſem Boden geſammlet
werden koͤnnen, niemals Mangel haben wird. Gleich-
wohl iſt ſie bey weitem nicht das einzige Feld, darinn ſich
unſer Verſtand einſchraͤnken laͤßt. Sie ſagt uns zwar,
was da ſey, aber nicht, daß es nothwendiger Weiſe, ſo
und nicht anders, ſeyn muͤſſe. Eben darum giebt ſie
uns auch keine wahre Allgemeinheit, und die Vernunft,
welche nach dieſer Art von Erkentniſſen ſo begierig iſt,
wird
A
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/31>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.