sondern so gar der Anschauung und Art nach, gänzlich unterschiedenes Erkentnißvermögen haben, also nicht Men- schen, sondern Wesen seyn sollen, von denen wir selbst nicht angeben können, ob sie einmal möglich, vielweniger wie sie beschaffen seyn. Ins Innre der Natur dringt Beobachtung und Zergliederung der Erscheinungen, und man kan nicht wissen, wie weit dieses mit der Zeit gehen werde. Jene transscendentale Fragen aber, die über die Natur hinausgehen, würden wir bey allem dem doch nie- mals beantworten können, wenn uns auch die ganze Na- tur aufgedekt wäre, und es uns nicht einmal gegeben ist, unser eigenes Gemüth mit einer andern Anschauung, als die unseres inneren Sinnes zu beobachten. Denn in dem- selben liegt das Geheimniß des Ursprungs unserer Sinn- lichkeit. Ihre Beziehung auf ein Obiect und was der transscendentale Grund dieser Einheit sey, liegt ohne Zweifel zu tief verborgen, als daß wir, die wir so gar uns selbst nur durch innern Sinn, mithin als Erscheinung kennen, ein so unschickliches Werkzeug unserer Nachfor- schung dazu brauchen könten, etwas anderes, als immer wiederum Erscheinungen, aufzufinden, deren nichtsinnliche Ursache wir doch gern erforschen wollten.
Was diese Critik der Schlüsse, aus den blossen Hand- lungen der Reflexion, überaus nützlich macht, ist: daß sie die Nichtigkeit aller Schlüsse über Gegenstände, die man lediglich im Verstande mit einander vergleicht, deut- lich darthut, und dasienige zugleich bestätigt, was wir
haupt-
Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. Anhang.
ſondern ſo gar der Anſchauung und Art nach, gaͤnzlich unterſchiedenes Erkentnißvermoͤgen haben, alſo nicht Men- ſchen, ſondern Weſen ſeyn ſollen, von denen wir ſelbſt nicht angeben koͤnnen, ob ſie einmal moͤglich, vielweniger wie ſie beſchaffen ſeyn. Ins Innre der Natur dringt Beobachtung und Zergliederung der Erſcheinungen, und man kan nicht wiſſen, wie weit dieſes mit der Zeit gehen werde. Jene transſcendentale Fragen aber, die uͤber die Natur hinausgehen, wuͤrden wir bey allem dem doch nie- mals beantworten koͤnnen, wenn uns auch die ganze Na- tur aufgedekt waͤre, und es uns nicht einmal gegeben iſt, unſer eigenes Gemuͤth mit einer andern Anſchauung, als die unſeres inneren Sinnes zu beobachten. Denn in dem- ſelben liegt das Geheimniß des Urſprungs unſerer Sinn- lichkeit. Ihre Beziehung auf ein Obiect und was der transſcendentale Grund dieſer Einheit ſey, liegt ohne Zweifel zu tief verborgen, als daß wir, die wir ſo gar uns ſelbſt nur durch innern Sinn, mithin als Erſcheinung kennen, ein ſo unſchickliches Werkzeug unſerer Nachfor- ſchung dazu brauchen koͤnten, etwas anderes, als immer wiederum Erſcheinungen, aufzufinden, deren nichtſinnliche Urſache wir doch gern erforſchen wollten.
Was dieſe Critik der Schluͤſſe, aus den bloſſen Hand- lungen der Reflexion, uͤberaus nuͤtzlich macht, iſt: daß ſie die Nichtigkeit aller Schluͤſſe uͤber Gegenſtaͤnde, die man lediglich im Verſtande mit einander vergleicht, deut- lich darthut, und dasienige zugleich beſtaͤtigt, was wir
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Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. Anhang.
ſondern ſo gar der Anſchauung und Art nach, gaͤnzlich
unterſchiedenes Erkentnißvermoͤgen haben, alſo nicht Men-
ſchen, ſondern Weſen ſeyn ſollen, von denen wir ſelbſt
nicht angeben koͤnnen, ob ſie einmal moͤglich, vielweniger
wie ſie beſchaffen ſeyn. Ins Innre der Natur dringt
Beobachtung und Zergliederung der Erſcheinungen, und
man kan nicht wiſſen, wie weit dieſes mit der Zeit gehen
werde. Jene transſcendentale Fragen aber, die uͤber die
Natur hinausgehen, wuͤrden wir bey allem dem doch nie-
mals beantworten koͤnnen, wenn uns auch die ganze Na-
tur aufgedekt waͤre, und es uns nicht einmal gegeben iſt,
unſer eigenes Gemuͤth mit einer andern Anſchauung, als
die unſeres inneren Sinnes zu beobachten. Denn in dem-
ſelben liegt das Geheimniß des Urſprungs unſerer Sinn-
lichkeit. Ihre Beziehung auf ein Obiect und was der
transſcendentale Grund dieſer Einheit ſey, liegt ohne
Zweifel zu tief verborgen, als daß wir, die wir ſo gar
uns ſelbſt nur durch innern Sinn, mithin als Erſcheinung
kennen, ein ſo unſchickliches Werkzeug unſerer Nachfor-
ſchung dazu brauchen koͤnten, etwas anderes, als immer
wiederum Erſcheinungen, aufzufinden, deren nichtſinnliche
Urſache wir doch gern erforſchen wollten.
Was dieſe Critik der Schluͤſſe, aus den bloſſen Hand-
lungen der Reflexion, uͤberaus nuͤtzlich macht, iſt: daß
ſie die Nichtigkeit aller Schluͤſſe uͤber Gegenſtaͤnde, die
man lediglich im Verſtande mit einander vergleicht, deut-
lich darthut, und dasienige zugleich beſtaͤtigt, was wir
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/308>, abgerufen am 22.11.2024.
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