ist ein ganz wahrer Satz, von dem Verhältnisse der Be- griffe, bedeutet aber, weder in Ansehung der Natur, noch überall in Ansehung irgend eines Dinges an sich selbst (von diesem haben wir gar keinen Begriff) das mindeste. Denn der reale Widerstreit findet allerwerts statt, wo A -- B = 0 ist, d. i. wo eine Realität mit der andern, in einem Sub- iect verbunden, eine die Wirkung der andern aufhebt, welches alle Hindernisse und Gegenwirkungen in der Na- tur unaufhörlich vor Augen legen, die gleichwol, da sie auf Kräften beruhen, realitates phaenomena genant wer- den müssen. Die allgemeine Mechanik kan so gar die em- pirische Bedingung dieses Widerstreits in einer Regel a priori angeben, indem sie auf die Entgegensetzung der Richtungen sieht: eine Bedingung, von welcher der transscend. Begriff der Realität gar nichts weiß. Obzwar Herr von Leibnitz diesen Satz nicht eben mit dem Pomp eines neuen Grundsatzes ankündigte, so bediente er sich doch desselben zu neuen Behauptungen, und seine Nach- folger trugen ihn ausdrücklich in ihre Leibnitzwolfianische Lehrgebäude ein. Nach diesem Grundsatze sind z. E. alle Uebel nichts als Folgen von den Schranken der Geschöpfe, d. i. Negationen, weil diese das einzige Widerstreitende der Realität seyn, (in dem blossen Begriffe eines Dinges über- haupt, ist es auch wirklich so, aber nicht in den Dingen als Erscheinungen). Imgleichen finden die Anhänger des- selben es nicht allein möglich, sondern auch natürlich, alle Realität, ohne irgend einen besorglichen Widerstreit, in
einem
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Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe.
iſt ein ganz wahrer Satz, von dem Verhaͤltniſſe der Be- griffe, bedeutet aber, weder in Anſehung der Natur, noch uͤberall in Anſehung irgend eines Dinges an ſich ſelbſt (von dieſem haben wir gar keinen Begriff) das mindeſte. Denn der reale Widerſtreit findet allerwerts ſtatt, wo A — B = 0 iſt, d. i. wo eine Realitaͤt mit der andern, in einem Sub- iect verbunden, eine die Wirkung der andern aufhebt, welches alle Hinderniſſe und Gegenwirkungen in der Na- tur unaufhoͤrlich vor Augen legen, die gleichwol, da ſie auf Kraͤften beruhen, realitates phænomena genant wer- den muͤſſen. Die allgemeine Mechanik kan ſo gar die em- piriſche Bedingung dieſes Widerſtreits in einer Regel a priori angeben, indem ſie auf die Entgegenſetzung der Richtungen ſieht: eine Bedingung, von welcher der transſcend. Begriff der Realitaͤt gar nichts weiß. Obzwar Herr von Leibnitz dieſen Satz nicht eben mit dem Pomp eines neuen Grundſatzes ankuͤndigte, ſo bediente er ſich doch deſſelben zu neuen Behauptungen, und ſeine Nach- folger trugen ihn ausdruͤcklich in ihre Leibnitzwolfianiſche Lehrgebaͤude ein. Nach dieſem Grundſatze ſind z. E. alle Uebel nichts als Folgen von den Schranken der Geſchoͤpfe, d. i. Negationen, weil dieſe das einzige Widerſtreitende der Realitaͤt ſeyn, (in dem bloſſen Begriffe eines Dinges uͤber- haupt, iſt es auch wirklich ſo, aber nicht in den Dingen als Erſcheinungen). Imgleichen finden die Anhaͤnger deſ- ſelben es nicht allein moͤglich, ſondern auch natuͤrlich, alle Realitaͤt, ohne irgend einen beſorglichen Widerſtreit, in
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Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe.
iſt ein ganz wahrer Satz, von dem Verhaͤltniſſe der Be-
griffe, bedeutet aber, weder in Anſehung der Natur, noch
uͤberall in Anſehung irgend eines Dinges an ſich ſelbſt (von
dieſem haben wir gar keinen Begriff) das mindeſte. Denn
der reale Widerſtreit findet allerwerts ſtatt, wo A — B = 0
iſt, d. i. wo eine Realitaͤt mit der andern, in einem Sub-
iect verbunden, eine die Wirkung der andern aufhebt,
welches alle Hinderniſſe und Gegenwirkungen in der Na-
tur unaufhoͤrlich vor Augen legen, die gleichwol, da ſie
auf Kraͤften beruhen, realitates phænomena genant wer-
den muͤſſen. Die allgemeine Mechanik kan ſo gar die em-
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priori angeben, indem ſie auf die Entgegenſetzung der
Richtungen ſieht: eine Bedingung, von welcher der
transſcend. Begriff der Realitaͤt gar nichts weiß. Obzwar
Herr von Leibnitz dieſen Satz nicht eben mit dem Pomp
eines neuen Grundſatzes ankuͤndigte, ſo bediente er ſich
doch deſſelben zu neuen Behauptungen, und ſeine Nach-
folger trugen ihn ausdruͤcklich in ihre Leibnitzwolfianiſche
Lehrgebaͤude ein. Nach dieſem Grundſatze ſind z. E. alle
Uebel nichts als Folgen von den Schranken der Geſchoͤpfe,
d. i. Negationen, weil dieſe das einzige Widerſtreitende der
Realitaͤt ſeyn, (in dem bloſſen Begriffe eines Dinges uͤber-
haupt, iſt es auch wirklich ſo, aber nicht in den Dingen
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/303>, abgerufen am 25.11.2024.
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